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Brexit: David Cameron tritt als Premierminister zurück

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Von: Patricia Kämpf

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Tritt Premierminister David Cameron nach dem Brexit zurück?
Tritt Premierminister David Cameron nach dem Brexit zurück? © picture alliance / dpa

London - Seit heute Früh ist klar: Der Brexit ist offiziell. Premierminister David Cameron hat schnell reagiert. Er tritt nach dem Referendum zum EU-Austritt von Großbritannien zurück.

Premierminister David Cameron hatte laut Außenminister Philip Hammond im Vorfeld klar zu verstehen gegeben, er bleibe trotz Brexit auf seinem Posten. Das hat sich nun geändert: In seiner Erklärung gab David Cameron um 8.15 Uhr Lokalzeit vor 10 Downing Street bekannt, dass er innerhalb von drei Monaten seinen Posten als Premierminister des UK aufgeben wird. "Das Land braucht eine neue Führung", sagte er.

David Cameron: Rücktritt hat er sich selbst zuzuschreiben

Cameron hatte die Abstimmung über einen Austritt aus der Europäischen Union im Januar 2013 unter Druck seiner konservativen Partei angesetzt, sich selbst aber für den EU-Verbleib ausgesprochen.

Seit dem Morgengrauen warten die TV-Crews mit ihren Kameras vor Downing Street 10. Wo bleibt David Cameron? Was sagt er zum Brexit? Bleibt er im Amt? Kein leichter Gang für David Cameron. Der Premierminister hat sich gründlich verzockt. 2013 hatte er das Referendum ins Spiel gebracht - Ziel war damals, Widersacher und EU-Kritiker in den eigenen Reihen ruhigzustellen.

Er selbst betonte bis zuletzt, er werde in jedem Fall weitermachen. Ob ihm das gelingt, ob es nicht doch zu einer Palastrevolte der Tories kommt, bleibt abzuwarten. Oder schlägt gar schon bald die große Stunde von Boris Johnson?

Nach Brexit: Wird Boris Johnson der Nachfolger von David Cameron

Johnson, der Mann mit dem stets verstrubbelten blonden Haarschopf ist nicht irgendjemand. Immer wieder wurde er in Umfragen zum beliebtesten Politiker Großbritanniens gekürt. Wäre er noch einmal angetreten, er hätte wohl kaum Schwierigkeiten gehabt, die Bürgermeisterwahl in London für sich zu entscheiden. Doch Boris Johnson, so glauben viele, strebt nach Höherem. Dass er sein Gewicht in die Waagschale der Brexit-Befürworter warf, dürfte wohl kaum ohne Hintergedanken geschehen sein. Umfragen zufolge schenken die Briten Johnson sehr viel mehr Glauben als dem Premier. Das hat sich nun ausgezahlt.

Johnson hat nun wohl gute Chancen, nach dem Amt des Regierungschefs zu greifen. Die Frage ist nur wann. Das hängt vor allem davon ab, wie lange Premierminister David Cameron noch im Amt bleiben wird - in seiner Regierungserklärung am Freitagmorgen sprach er von drei Monaten. Spätestens bei der nächsten Parlamentswahl 2020 wollte er ohnehin nicht mehr antreten. Dann wäre Johnson ein aussichtsreicher Kandidat auf den Posten des Premiers.

David Cameron: "Zweifler sollten für den Verbleib stimmen"

Bis zuletzt war der Ausgang des historischen Votums völlig offen, trotz zahlreicher Mahnungen aus der ganzen Welt. Noch am Mittwochabend, unmittelbar vor der Abstimmung, appellierte Cameron insbesondere an die Unentschlossenen und die Zweifler, für den Verbleib zu stimmen. "Wenn man erst mal aus dem Flug abgesprungen ist, kann man nicht mehr durch die Cockpit-Luke zurückklettern", sagte er. "Deswegen sollte jeder, der noch irgendwelche Zweifel hegt, lieber für den Verbleib stimmen."

Cameron - der kaltblütige Spielertyp

Seit sechs Jahren führt der Tory-Politiker David Cameron das politische Großbritannien, seit 2015 sitzt er mit absoluter Mehrheit seiner konservativen Partei im britischen Unterhaus. Vor allem Gegner in der eigenen Partei warfen ihm immer wieder Führungsschwäche vor -

David Cameron (r.) und sein Gegner Boris Johnson.
David Cameron (r.) und sein Gegner Boris Johnson. © AFP

auch der frühere Bürgermeister von London und sein Brexit-Gegner, Boris Johnson, tat das vermehrt. Camerons eigene Fraktion im Unterhaus verwehrte ihm nicht nur einmal die Gefolgschaft, etwa bei der Homo-Ehe oder bei der Reform des Oberhauses.

Privat gilt der 49-Jährige als weicher Familienmensch. Mit seiner Ehefrau Samantha hat er drei Kinder. Politisch jedoch ist Cameron das genaue Gegenteil: ein kaltblütiger Spielertyp, ein harter Verhandler mit Pokerface. In 10 Downing Street löste er Gordon Brown ab und setzte sich dort schnell für die Europäische Frage ein - sie spaltet die britischen Tories seit Jahrzehnten. Schon Margaret Thatcher konnte sie nicht lösen und auch ihr Nachfolger John Major scheiterte daran.

David Cameron ging sie offen an, auch weil er glaubte, seine Partei damit einen zu können. Im Laufe der Zeit machte er immer mehr Zugeständnisse, ereiferte sich immer mehr für Europa und die angeblichen Schwächen der Europäischen Union, stellte sich in Brüssel demonstrativ quer, oft ohne eigenen Nutzen für sein Land.

2016 wurde Cameron plötzlich zum glühenden Verfechter der EU

2011 dann machte David Cameron in einem spektakulären Schritt bei einem EU-Gipfel in Brüssel beim europäischen Fiskalpakt nicht mit. Zuhause in London stellte er sein Verhalten als Veto dar. Das freute die EU-Gegner - allerdings nur so lange, bis sie mitbekamen, dass der Fiskalpakt danach ohne britische Mitsprache durchging.

Anfang 2016 wurde Cameron dann plötzlich zum glühenden Verfechter der europäischen Idee, doch seine Landsleute nahmen ihm das nicht ab. Die Glaubwürdigkeit des Premiers sank in den Keller - denn seinen politischen Aufstieg verdankte er vor allem seiner EU-skeptischen Haltung. Im Laufe seiner politischen Karriere ginge er mehrfach Risiken an. Etwa, als er den in der Murdoch-Abhöraffäre schwer belasteten und später zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Ex-Journalisten Andy Coulson zum Regierungssprecher machte.

"So knapp hätte es nicht werden dürfen"

Auch in Schottland gab es bereits ein Referendum - damals zur Unabhängigkeit des nördlichen Landesteiles. Cameron ließ das zu, tat aber danach kaum etwas für den Verbleib der Schotten im United Kingdom. Ein gefundenes Fressen für seine Kritiker, die ihm hinterher Unfähigkeit vorwarfen. Die Schotten blieben im Königreich, allerdings mit Mühe. „So knapp hätte es nicht werden dürfen“, sagte Cameron später.

Das EU-Referendum ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Cameron die Geister, die er selbst rief, zum Verhängnis werden könnten. Schon bei der Schottland-Frage wäre sein Auszug aus der Downing Street im Falle einer Niederlage beschlossene Sache gewesen. Beim EU-Referendum, dem Brexit, sieht das noch viel krasser aus: „Keine 30 Sekunden“ werde sich Cameron im Amt halten können, sollte es zum Austritt Großbritanniens kommen. Da ist sich Kenneth Clarke, sein ehemaliger Justizminister, sicher. Selbst wenn die Briten knapp für einen Verbleib in der EU stimmen sollten, sehen viele 10 Downing Street am Ende des Jahres unter neuer Führung.

Nach Brexit: "Out is out" 

Die europäischen Partner Großbritanniens hatten kurz vor dem Referendum noch einmal klar gemacht, dass ein Austrittsvotum unumkehrbar wäre. "Out is out" - beim No sei keine Rückkehr möglich, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Der französische Präsident François Hollande sagte, ein Austritt wäre "irreversibel".

Der Ausgang des EU-Referendums in Großbritannien könnte weitreichende Folgen haben. Hier erfahren Sie alles, was Sie zum Brexit wissen müssen. Außerdem haben wir für Sie bereits zusammengefasst, was ein Brexit für Deutschland bedeuten würde.

pak/AFP/dpa

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