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Im Indianer-Kostüm zum Fasching: Geht’s noch?

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Von: Moritz Serif, Andreas Schmid

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Debatte: Indianer-Kostüm an Fasching tragen
Welche Kostüme sind heutzutage noch politisch korrekt? Darf ich mich noch als Indianer verkleiden? © Gerd Rettinghaus/imago (Montage)

Mit dem Verkleiden beginnen die Diskussionen ums richtige, zeitgemäße Kostüm. Geht es noch, sich als Native American zu verkleiden – oder ist das kulturelle Aneignung? Die Karnevals-Debatte.

Fasching, Karneval, Fastnacht: An vielen Orten Deutschlands steht die „fünfte Jahreszeit“ vor dem Höhenpunkt. Das erste Mal nach zwei pandemiebedingten Jahren Pause geht damit auch das Verkleiden wieder los. Aber: Welches Kostüm ist in Ordnung und was geht gar nicht klar? Ist es legitim, sich als „Indianer“ zu verkleiden? Die im Sommer hitzig geführte Winnetou-Debatte hat gezeigt, wie sehr das Thema polarisiert.
Die Standpunkte der Debatte:

Andreas Schmid Debatte Indianer
Andreas Schmid schreibt als Volontär für das Politik-Ressort von IPPEN.MEDIA, am liebsten über Bundespolitik. © © IPPEN.MEDIA

Wann sonst sollten Stereotype erlaubt sein, wenn nicht an Fasching, meint Politik-Volontär Andreas Schmid

In meinem oberbayerischen Heimatdorf gibt es eine lange Faschingstradition. Seit 1889 bestimmt das närrische Treiben die „fünfte Jahreszeit“. Dieses Jahr lautet das Motto „Wilder Westen“ – und so sah man auf den bisherigen Veranstaltungen neben Cowboys vor allem Indianer. Vor Ort hatte mit diesem Kostüm niemand ein Problem. Zugegeben, es waren auch keine Angehörigen indigener Völker mit dabei.

Das Indianerkostüm steht sinnbildlich für das Miteinander. Cowboys feiern neben Indianern. Im echten wilden Westen undenkbar. In dieser Zeit wurden indigene Völker rassistisch motiviert verfolgt. Rassismus meint die Diskriminierung aufgrund von äußerlichen, ethnisch-kulturellen Merkmalen. Ein Indianer-Kostüm ist das Gegenteil davon. Es ist vielmehr Ausdruck der Bewunderung als öffentliches Diffamieren. Eine Sympathiebekundung mit den Unterdrückten vergangener Tage.

In erster Linie schlüpfen die Menschen an Fasching in eine Rolle, um dem schnöden Alltag zu entfliehen. Man verkleidet sich als das, was man gerne sein möchte. Kinder eifern ihrem Serienhelden nach, Erwachsene ihrem Jugendidol aus den Karl-May-Geschichten. Diese fiktive Welt ist positiv konnotiert. Der kleine Indianer Yakari etwa lehrt Kindern visuell die Achtung vor der Natur, Nordamerikas berühmteste Indianerin Pocahontas schlägt im Disney-Film kulturelle Brücken zwischen Indigenen und Weißen. Selbst in Bully Herbigs Westernparodie „Manitu“ ist mit Abahachi ein Indianer der Bewunderte.

Hinter dem Indianer-Kostüm steckt keine böse Absicht

Freilich ist es dennoch richtig, über die Schattenseiten dieser Zeit nachzudenken. Ein Bewusstsein für die Gräueltaten, die indigene Völker erleiden mussten, schließt ein bedenkenloses Tragen des Indianerkostüms jedoch nicht aus. Der an Fasching aufgesetzte Federschmuck oder das fransige Indianerkleid spiegeln die Realität des wilden Westens zwar nicht vollends wider. Das müssen sie aber auch nicht. Wann sonst sollte das Spielen mit Stereotypen erlaubt sein, wenn nicht an Fasching? Eine böse Absicht steckt nicht dahinter, macht man sich doch vor allem über sich selbst lustig. Karnevalisten nehmen sich selbst nicht so ernst, darüber sollten auch Kostümkritiker einmal nachdenken. Andreas Schmid

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Moritz Serif Indianer Debatte
Moritz Serif arbeitet als Politik-Redakteur bei IPPEN.MEDIA. Der Fokus seiner Berichterstattung liegt auf der Innen-Politik. © © IPPEN.MEDIA

Sich als Native American zu verkleiden ist ein Unding, meint Politik-Redakteur Moritz Serif.

Es mag ja durchaus Tradition haben, sich in manchen Orten Deutschlands als Native American zu verkleiden. Auch in meiner Heimat, der Kurpfalz, hat man das früher getan. Ob das heute noch immer so ist, weiß ich nicht. Es ist nämlich schon Jahre her, dass ich auf einem Umzug oder einer Faschingsveranstaltung war. Prinzipiell ist es verständlich, wenn manche Menschen nun das Gefühl haben, dass ihnen etwas verboten wird. Oder dass man etwas nicht mehr tun dürfe. Jetzt ist es aber so, dass sich die Welt und die Gesellschaft weiterentwickelt. Deshalb ist es richtig, dass über Faschingsverkleidungen diskutiert wird. Genauso wie es angebracht ist, über die Rechte von trans Menschen zu sprechen. Oder darüber, ob es noch zeitgemäß ist, dass eine Arzneimittelhandlung „Mohren“-Apotheken heißen darf.

Bei dieser Diskussion ist die Sachlage eindeutig. An Fasching hat man sich nicht als Native American zu verkleiden. Generell ist das ein Unding. Es fängt schon damit an, dass es den Begriff „Indianer“ gar nicht gibt. Er ist historisch ungenau und höchst problematisch. Wer sich so verkleidet, verhält sich kolonialistisch, rassistisch und betreibt obendrein auch noch kulturelle Aneignung. Es ist mal wieder typisch für Deutschland, dass mein Kollege und ich, wir sind übrigens beide weiße Cis Männer, eine Diskussion über Minderheiten führen – anstatt sie anzuhören. Moritz Serif

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