Erdogan erlässt Dekret zu Enthaarung von Frauenbeinen

Ankara - Nicht nur Donald Trump liebt es, per Dekret zu regieren, auch der türkische Präsident hat Gefallen an den den Erlassen gefunden. Seine neuesten muten jedoch zum Teil recht bizarr an.
Seit Verhängung des Ausnahmezustands erfreuen sich Notstandsdekrete bei Recep Tayyip Erdogan (63) großer Beliebtheit. Mit den Erlassen hat er zehntausende Regierungsgegner aus dem Staatsdienst entfernt. Jetzt hat der türkische Präsident über eher abseitige Fragen entschieden. Die Opposition sieht dies als Machtmissbrauch und Verstoß gegen die Rechte des Parlaments.
Bereits Ende März hatte Erdogan bei einer Zeremonie mit Kosmetikerinnen ein Dekret unterzeichnet, das die Methoden zur Haarentfernung reguliert. Bislang war es Schönheitskliniken und Krankenhäusern vorbehalten, Haarentfernungen per Laser anzubieten und durchzuführen – jetzt dürfen das auch Schönheitssalons. Erdogan begründete seinen Erlass mit den Worten, er setze sich für eine „schönere Türkei“ ein.
„Absurditäten werden zur Norm“
Im Internet reagierten viele Nutzer verblüfft und spöttisch. "Die Experten zur Haarentfernung, die eine zentrale Rolle in der Putschnacht vom 15. Juli spielten, wurden nun per Notstandsdekret freigelassen", spottete ein Nutzer auf Twitter. Ein anderer kommentierte: "Als ob der Putsch von Epilierexperten ausgeführt wurde."
Warum nutzt Erdogan seine Macht, um Epiliermethoden zu regulieren? Die Kolumnistin Pinar Tremblay gab darauf im Onlinemagazin "Al-Monitor" die Antwort: Weil er es kann. "Was die Türkei erlebt, ist fast ein Probelauf für die erwartete allmächtige Präsidentschaft, die langsam Absurditäten zur Norm verwandelt. Erdogan hat die Macht und fürchtet nicht, die Grenze auszuweiten."
Verbot von TV-Datingshows stößt auf Kritik
Die meisten Dekrete Erdogans betreffen die Entlassung von Soldaten, Polizisten, Justizmitarbeitern und Wissenschaftlern, die einer Verwicklung in den Umsturzversuch oder Sympathien für die PKK-Guerilla verdächtigt werden. Auch Schulen, Firmen und Medien wurden per Dekret geschlossen, weil sie zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören sollen, die von Ankara für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird.

Mit dem jüngsten Dekret wurden nun aber auch Datingshows verboten. Die TV-Shows, bei denen heiratswillige Männer und Frauen verkuppelt werden, sind in der Türkei äußerst populär, doch sind sie konservativen Muslimen seit langem ein Dorn im Auge. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus warf den Shows im März vor, nicht zu "türkischen Traditionen" zu passen und die "Heiligkeit" der Familie zu beschädigen.
"Wurde der Putschversuch von Heiratsshows unternommen?", fragte der Oppositionsabgeordnete Tanrikulu nach dem Verbot in der Zeitung "BirGün". "Wurde der Ausnahmezustand wegen Heiratsshows erlassen?" Auch die Kolumnistin Nuray Mert äußerte sich besorgt über das neueste Dekret. Die Shows seien in der Tat "Trash", schrieb sie am Montag in der "Hürriyet Daily News". Doch "wer weiß, was als nächstes per Dekret verboten wird".
Opposition: Dekrete „komplett illegal“
"Die Dekrete sollten ausschließlich für die Gründe des Ausnahmezustands benutzt werden, doch in ihrer gegenwärtigen Form ist dies nicht der Fall", sagte der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu der Nachrichtenagentur AFP. Nicht alle Dekrete seien schlecht, doch würden sie "missbraucht". Mit ihnen "reißt die Regierung die Rechte des Parlaments an sich", dies sei "komplett illegal", kritisierte der Oppositionsvertreter.
Seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 wurden bereits zwei Dutzend Notstandsdekrete erlassen, doch nur eine Handvoll bisher dem Parlament vorgelegt. Dabei müssen auch unter dem Ausnahmezustand sämtliche Dekrete von der Volksvertretung gebilligt werden. Zudem dürfen Dekrete eigentlich nur verwendet werden, wo dies zur Umsetzung des Ausnahmezustands notwendig ist.
afp