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Demonstration in Berlin: Der Hilfeschrei der Bauern

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Von: Georg Anastasiadis

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Bauernprotest in Berlin
Protest und Hilfeschrei: Zahlreiche Traktoren stehen bei der Protestaktion von Bauern gegen das Agrarpaket der Bundesregierung auf der Straße des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor. © dpa / Bernd von Jutrczenka

Die Politik sollte gut hinhören, wenn 40 000 Bauern in Berlin ihrem Unmut und ihrer Verzweiflung Luft machen. Denn nicht nur die Klimabewegung verdient es, Beachtung zu finden. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.

Am Freitag wird die Klimabewegung der Politik wieder ihre gewaltige Macht demonstrieren, mit Protestmärschen Hunderttausender landauf und landab. Gemessen daran sind die 40 000 Bauern, die gestern in Berlin ihrem Unmut und ihrer Verzweiflung Luft machten, eine aus Sicht der Regierenden vernachlässigbare Größe. Trotzdem sollten alle gut hinhören, denn die Landwirte haben ein berechtigtes Anliegen: Die Kälte und, ja, auch die Selbstgerechtigkeit, die ihnen aus weiten Teilen der Gesellschaft entgegenschlägt, ist empörend. Dieselben Städter, die im Supermarkt gern zum billigsten (Import-)Produkt greifen, haben nicht das geringste Problem damit, die Landwirte zu Sündenböcken für Artensterben und Naturzerstörung zu machen. Sogar der Klimawandel wird ihnen angelastet, genauer gesagt den Darmwinden ihrer Kühe.

Neu erwachte Lust, die Bauern zu Tätern zu stilisieren

Bauern sind es gewohnt, für einen oft kargen Ertrag hart zu arbeiten. Ein Teil ihres Lohns war lange die Wertschätzung, die sie dafür erhielten: als Erzeuger hochwertiger Nahrungsmittel, Garanten für die Fähigkeit des Landes, sich selbst zu versorgen, als Bewahrer unserer Kulturlandschaft. Soll das nun alles nichts mehr wert sein? Zu Recht erwarten die Bürger einen (noch) sorgsam(er)en Umgang der Landwirte mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Aber die neu erwachte Lust, Bauern zu Tätern zu stilisieren und nicht mehr mit ihnen zu reden, sondern über sie, wird der enormen Leistung dieses Berufsstandes nicht gerecht.

Georg Anastasiadis,  Chefredakteur des Münchner Merkur.
Georg Anastasiadis,  Chefredakteur des Münchner Merkur. © Marcus Schlaf

Bayerische Politiker kehren bei jeder Gelegenheit ihren Stolz auf die wunderschöne, kleinbäuerlich geprägte Kulturlandschaft im Freistaat hervor. Doch gerade von der CSU, ihrer einstigen Schutzmacht, fühlen sich die Landwirte besonders im Stich gelassen, seit die Staatspartei im Ringen mit den Grünen vorwiegend die hippen städtischen Milieus umwirbt. Es stimmt: Dort sind viele Wählerstimmen zu holen. Doch was, wenn sich auch die Bauern, wofür es Anzeichen gibt, anderen Parteien zuwenden? So wie Polizisten und Soldaten und auch immer mehr Mittelständler? Die Union hat schon zu viele wichtige Gruppen verloren. Zusammen sind auch sie eine Macht.

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