Russland stoppte Vereinbarung, doch Getreidefrachter fahren weiter - Wie reagiert Moskau?
Die Getreideexporte aus der Ukraine sollen weiterlaufen. Erste Kriegsverbrecherprozesse gegen Russen könnten noch dieses Jahr beginnen. Der News-Ticker.
- Kuleba kritisiert Russland: Kiews Außenminister warnt, sich von Moskau nicht täuschen zu lassen.
- Getreidedeal: Russland steigt nach Explosionen auf der Krim aus der Vereinbarung aus.
- Moskau attackiert London wegen Nord-Stream: Russland wirft Großbritannien eine Beteiligung an der Nord-Stream-Sabotage vor.
- Dies ist ein News-Ticker zu den diplomatischen Entwicklungen im Ukraine-Krieg.
Update vom 31. Oktober, 13.10 Uhr: Lawrow droht erneut dem Westen - aber diesmal nur den USA. Alle weiteren Entwicklungen in unserem neuen News-Ticker zur Diplomatie im Ukraine-Krieg.
Update vom 31. Oktober, 6.51 Uhr: Die Getreideexporte aus der Ukraine über das Schwarze Meer sollen weiterlaufen, obwohl Russland das sichere Geleit für die Frachter aufgekündigt hat. Darauf haben sich die Delegationen der Vereinten Nationen, der Türkei und der Ukraine geeinigt, wie das Koordinierungszentrum in Istanbul in der Nacht zum Montag mitteilte. Die russische Delegation in dem Zentrum sei von dem Ergebnis informiert worden.
Am Montag sollen demnach zwölf Schiffe durch den festgelegten Seekorridor aus der Ukraine in Richtung Istanbul fahren, vier Schiffe fahren in Gegenrichtung. Unklar ist, wie Russland auf diesen fortgesetzten Schiffsverkehr reagieren wird.
Auch die bisher von allen vier Parteien gemeinsam in Istanbul durchgeführten Kontrollen der Frachter sollen weitergehen. Für Montag sollen die UN und die Türkei zehn Teams stellen, um 40 wartende Schiffe abzufertigen. Die Ukrainer seien einverstanden, die Russen seien in Kenntnis gesetzt worden, hieß es von den Vereinten Nationen.

Getreideexporte aus der Ukraine: Russland will zuerst Drohnenangriffe auf Schwarzmeerflotte aufklären
Update vom 30. Oktober, 19.50 Uhr: Russland erwartet für die nächsten Tage Gespräche mit den Vereinten Nationen und der Türkei über das ausgesetzte freie Geleit für ukrainische Getreideexporte im Schwarzen Meer. Das sagte Vizeaußenminister Andrej Rudenko am Sonntagabend in Moskau. Bevor aber an eine Rückkehr Russlands zu der Vereinbarung zu denken sei, müsse der Drohnenangriff auf die Schwarzmeerflotte aufgeklärt werden. „Das war himmelschreiend, es wurden alle Bedingungen verletzt, die vereinbart waren“, sagte Rudenko nach Angaben russischer Agenturen. Indes gab das türkische Verteidigungsministerium an, sich für eine Fortsetzung des Abkommens einzusetzen.
Kuleba kritisiert Russland — „lasst euch nicht täuschen“
Update vom 30. Oktober, 17.50 Uhr: Der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba hat Russlands Rückzug aus dem Getreidedeal kritisiert. Russlands Verhalten sei „berechenbar“, schrieb Kuleba auf Twitter: „Wenn sie am Abend ein Verbrechen begehen, dann erwartet, dass sie am Morgen ‚Gespräche‘ vorschlagen.“ Dies sei nun auch diesmal der Fall. Mit der Entscheidung, sich aus dem Getreidedeal zurückzuziehen, setze Russland Millionen Menschen der Gefahr des Verhungerns aus. Zugleich würden Moskau aber Bereitschaft für Verhandlungen „nachahmen“. Der ukrainische Diplomat warnte: „Niemand sollte sich dadurch täuschen lassen.“
Ukraine-News: UN-Chef Guterres will Getreidedeal retten
Update vom 30. Oktober, 16.20 Uhr: UN-Generalsekretär António Guterres will das von Russland ausgesetzte Getreideabkommen für Exporte aus der Ukraine übers Schwarze Meer retten. Der ehemalige portugiesische Ministerpräsident sei „zutiefst besorgt“ und führe intensive Kontakte, mit dem Ziel, die Aussetzung des im Juli geschlossenen Abkommens wieder rückgängig zu machen, teilte UN-Sprecher Stepháne Dujarric am Sonntag in New York mit. Einzelheiten nannte er nicht. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen verschob deshalb auch seine Abreise zu einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Algerien.
Ukraine-News: IAEA-Chef macht Hoffnung auf Sicherheitszone um AKW in Saporischschja
Update vom 30. Oktober, 13.42 Uhr: Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, gab Fortschritte bei den Verhandlungen über die Einrichtung einer Schutzzone um das Atomkraftwerk Saporischschja bekannt. Das berichtete das Onlineportal Nexta am Sonntag. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass UN-Friedenstruppen an der Mission beteiligt würden, hieß es. Weitere Details wurden zunächst nicht bekannt.
Im Ukraine-Krieg war es immer wieder zu einem Beschuss des Atomkraftwerks gekommen, wobei sich Russland und die Ukraine gegenseitig für die Angriffe verantwortlich machten.
Außenminister Lawrow teilt mit, dass Moskau „unter bestimmten Bedingungen“ zu Verhandlungen bereits sei
Update vom 30. Oktober, 12.57 Uhr: Der russische Außenminister Sergej Lawrow gab am Sonntag bekannt, dass Präsident Wladimir Putin weiterhin zu Verhandlungen über die Ukraine bereit sei - allerdings unter bestimmten Bedingungen. Das geht unter anderem aus einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti hervor. „Wir sind immer bereit, unseren westlichen Kollegen zuzuhören“, betonte der russische Außenminister demnach, sofern der Westen einige „ernsthafte Ansätze“ bieten könne, „die dazu beitragen, Spannungen zu entschärfen und die Interessen der Russischen Föderation und ihrer Sicherheit voll zu berücksichtigen.“ Erst am Donnerstag hatte Russland Berichten über ein angebliches Gesprächsangebot von Präsident Wladimir Putin an den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj widersprochen.
Laut eines Berichts der ukrainischen Zeitung Kyiv Independent sagte der Pressesprecher des Kreml, Dmitri Peskow, am Sonntag, dass Putin und der US-Präsident Joe Biden „Russlands Sicherheitsgarantien erörtern“ könnten. Voraussetzung dafür sei allerdings die Bereitschaft der USA, „zum Zustand von Dezember-Januar“ zurückzukehren. Damit bezog sich der Kremlsprecher offenbar auf die Forderungen, die Russland im Dezember 2021 an die Nato und die USA gesendet hatte. Darin hatte Moskau unter anderem ein Ende der Osterweiterung der Nato verlangt.
Berater des ukrainischen Präsidenten erwartet schnelle Einigung mit der Bundesregierung
Update vom 30. Oktober, 10.00 Uhr: Der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, rechnet mit einer schnellen Einigung mit der Bundesregierung über die Lieferung von westlichen Kampf- und Schützenpanzern. „Ich denke, dass wir für die Panzer einen Konsens mit unseren deutschen Partnern finden“, sagte Podoljak im Interview mit der Welt am Sonntag. Es gebe Fortschritte bei den Gesprächen zwischen den beiden Ländern. „Wir sind bereit, jeden Preis für die Sicherheit von Europa zu bezahlen. Aber helfen Sie uns mit Waffen!“, appellierte Podoljak an die Deutschen.
Die Rückeroberung weiterer Gebiete im Süden und Osten der Ukraine hänge auch wesentlich von weiteren Waffenlieferungen ab, fügte er hinzu. Gerade die Panzer könnten für eine Beschleunigung auf dem Schlachtfeld und für die Befreiung von Orten in den Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk sorgen. „Und Deutschland könnte uns dabei mit den Leopard- und Marder-Panzern optimal helfen.“ Bislang lehnt die Bundesregierung die Lieferung von Panzern westlicher Bauart an die Ukraine ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) argumentiert dabei, es dürfe hier keinen deutschen Alleingang geben.
USA kritisieren erneute russische Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine
Update vom 30. Oktober, 8.28 Uhr: Die USA haben die neue russische Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine kritisiert und eine Wiederaufnahme der Lieferungen gefordert. Präsident Joe Biden nannte das russische Vorgehen am Samstag empörend und betonte, dass es für mehr Hunger auf der Welt sorgen werde. „Russland setzt Nahrungsmittel erneut als Waffe in dem Krieg, den es begonnen hat, ein“, kritisierte US-Außenminister Antony Blinken. Er rief die russische Regierung dazu auf, wieder die Vereinbarung zur sicheren Passage ukrainischer Getreidetransporte einzuhalten.
Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis forderte die Verbündeten der Ukraine indes dazu auf, die Getreideexporte durch Militäreskorten zu sichern. Landsbergis fügte hinzu, wenn Putin die Getreideexporte der Ukraine weiterhin gefährde, „muss sich die freie Welt zusammentun, um die Schifffahrt mit militärischen Eskorten zu schützen.“ Militärexperten weisen indes immer wieder darauf hin, Nato-Kräfte militärisch aus dem Konflikt herauszuhalten, um eine Eskalation zu vermeiden.
Ukrainischer Präsident Selenskyj fordert Ausschluss Russlands aus der G20
Update vom 29. Oktober, 22 Uhr: Wegen der neuen Blockade von Getreideexporten durch Moskau hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Ausschluss Russlands aus der G20 gefordert. Selenskyj reagierte damit am Samstagabend auf die russische Entscheidung, die Vereinbarung zu den Getreideausfuhren über ukrainische Schwarzmeerhäfen auszusetzen.
„Algerien, Ägypten, Jemen, Bangladesch, Vietnam – diese und andere Länder könnten unter einer weiteren Verschärfung der Nahrungsmittelkrise leiden, die Russland bewusst provoziert“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. „Warum kann eine Handvoll Personen irgendwo im Kreml entscheiden, ob es Essen auf den Tischen der Menschen in Ägypten oder in Bangladesch geben wird?“
Nötig sei eine starke Reaktion der Vereinten Nationen, aber auch der Gruppe wichtiger Industrie- und Schwellenländer (G20). „Russland gehört nicht in die G20“, sagte Selenskyj. Schon seit September verzögere Russland die gemeinsam mit den UN, der Türkei und der Ukraine durchgeführten Kontrollen von Schiffen vor Durchfahrt durch den Bosporus. Dort steckten 176 Schiffen mit etwa zwei Millionen Tonnen Getreide im Stau.

Ukraine-News: Kiew reagiert auf Moskaus Ausstieg aus Getreidedeal
Update vom 29. Oktober, 18.50 Uhr: Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die von Russland verkündete Aussetzung des Abkommens zum Transport von ukrainischem Getreide kritisiert. Moskau blockiere unter einem Vorwand die Transporte, „die Lebensmittelsicherheit für Millionen Menschen bedeuten“, so Kuleba auf Twitter. „Ich rufe alle Staaten auf, zu fordern, dass Russland seine ‚Hunger Games‘ stoppt und sich wieder an seine Verpflichtungen hält.“
Die Ukraine habe seit längerem davor gewarnt, dass Moskau aus der Vereinbarung aussteigen könnte. Die Ukraine habe die Vereinbarung nicht mit Russland, sondern mit den Vereinten Nationen und der Türkei geschlossen, sagte Serhij Nykyforow, Sprecher von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Kiew warte also auf deren Reaktion. Die UN verkündete, mit Russland in Kontakt zu stehen. „Es ist unerlässlich, dass alle Seiten jegliche Handlungen unterlassen, die das Getreideabkommen gefährden, das eine entscheidende humanitäre Anstrengung ist, die eindeutig einen positiven Einfluss auf den Zugang zu Lebensmitteln für Millionen von Menschen weltweit hat“, so ein UN-Sprecher.
Getreidedeal — Russland steigt nach Explosionen auf der Krim aus der Vereinbarung aus
Update vom 29. Oktober, 17.05 Uhr: Russland setzt seine Teilnahme am Abkommen zum Export von ukrainischem Getreide aus. Dies teilte am Samstag das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit. Zuvor hatte es nach Angaben Moskaus Drohnenangriffe auf Stützpunkte der russischen Schwarzmeerflotte auf der annektierten Halbinsel Krim gegeben, deren Ziel auch Schiffe zum Schutz der Konvois zum Getreide-Export gewesen seien. Die Türkei, die an der Unterzeichnung des Abkommens beteiligt war, sei noch nicht benachrichtigt worden, teilte eine Quelle der staatlichen Nachrichtenagentur Tass mit.
Ukraine-Krieg: London reagiert auf Vorwürfe aus Moskau — „glatte Lüge“
Update vom 29. Oktober, 15.50 Uhr: Großbritannien hat russische Vorwürfe zurückgewiesen, wonach die britische Marine für die Explosionen an den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 verantwortlich sei. „Um von ihrem katastrophalen Umgang mit der illegalen Invasion in der Ukraine abzulenken, greift das russische Verteidigungsministerium auf die Verbreitung falscher Behauptungen epischen Ausmaßes zurück“, twitterte das Verteidigungsministerium in London: „Diese erfundene Geschichte sagt mehr über Streitigkeiten innerhalb der russischen Regierung aus als über den Westen.“
„Das ist eine glatte Lüge, und wir wissen alle, dass es die Russen waren“, sagte der frühere Royal-Navy-Admiral Chris Parry dem Sender Sky News und ergänzte: „Die russische Propaganda beschuldigt alle anderen immer dessen, was sie tatsächlich selbst getan haben.“ Die britische Marine besitze gar nicht die Fähigkeit, die Gasleitungen zu sprengen.

Moskau attackiert London wegen Nord-Stream — Vorwurf von Beteiligung an Explosionen
Update vom 29. Oktober, 14.37 Uhr: Russland wirft Großbritannien vor, in die Explosionen an den deutsch-russischen Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 verwickelt gewesen zu sein. Mitglieder einer „Einheit der britischen Marine“ hätten Ende September an der „Planung, Belieferung und Ausführung“ des „Terrorangriffs“ mitgewirkt, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Samstag im Online-Dienst Telegram. Die insgesamt vier Explosionen vor der dänischen Insel Bornholm hatten mehrere Lecks in die Nord-Stream-Pipelines gerissen.
Russland hatte sich wiederholt darüber beschwert, dass es nicht in die internationale Untersuchung zu den mutmaßlich durch Sabotageakte verursachten Lecks einbezogen worden sei. Die schwedische Justiz kündigte am Freitag an, die Pipelines erneut inspizieren zu wollen. Eine ähnliche Ankündigung hatte auch die Firma Nord Stream gemacht und zu diesem Zweck ein ziviles Schiff unter russischer Flagge entsandt.
Ukraine-Krieg: Womöglich könnte Kremlchef Putin vor internationalem Gericht angeklagt werden
Erstmeldung vom 29. Oktober: Kiew - Die russische Invasion in die Ukraine verstößt gegen Völkerrecht. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs wurden immer wieder Kriegsverbrechen der russischen Armee bekannt - etwa die Gräueltaten von Butscha. Der Kremlchef Wladimir Putin könnte womöglich auch persönlich zur Verantwortung gezogen werden: Eine Anklage gegen den russischen Präsidenten vor einem internationalen Gericht ist laut EU-Justizkommissar Didier Reynders möglich.
Ukraine-Krieg: EU-Justizkommissar hält Kriegsverbrecherprozesse noch dieses Jahr für möglich
EU-Justizkommissar Reynders hält wegen des Ukraine-Kriegs auch eine Anklage gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor einem internationalen Gericht für möglich. Es sei nicht seine Aufgabe, die Strafverfolgung einzelner Personen zu empfehlen, sagte der belgische Politiker dem Hamburger Abendblatt in der Samstagsausgabe. „Aber wenn Strafverfolger auch an der höchsten Ebene ansetzen wollen, sollen sie es tun.“ In einem solchen Fall bestehe lebenslang die Möglichkeit, zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Reynders zeigte sich „ziemlich sicher“, dass die ersten Kriegsverbrecher-Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen Russen noch dieses Jahr beginnen. Weiter sagte der EU-Kommissar, die vom Westen eingefrorenen Vermögen des russischen Staates und von Oligarchen können beim Wiederaufbau in der Ukraine helfen. So könne der Westen 300 Milliarden Euro aus Devisenreserven der russischen Zentralbank so lange als Garantie behalten, „bis Russland sich freiwillig am Wiederaufbau der Ukraine beteiligt“

Auch Angriff auf kritische Infrastruktur könnte als Kriegsverbrechen gewertet werden
Zuletzt hatten russische Streitkräfte im Ukraine-Krieg vermehrt ukrainische Energieanlagen angegriffen, zeitweise waren etwa 40 Prozent der Energieinfrastruktur in der Ukraine beschädigt. Sofern die Anlagen nicht militärisch genutzt werden, kann ein Angriff auf kritische Infrastruktur als Kriegsverbrechen gewertet werden. Doch das sind nicht die einzigen Taten russischer Truppen, die gegen Kriegsrecht verstoßen und womöglich in Prozessen geahndet werden könnten. Auch aus Butscha wurden Gräueltaten bekannt (dpa/bme).