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Mehr Befugnisse für die Polizei – doch Analyse der Herkunft bleibt tabu

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Von: Stefan Reich

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Oft die einzige Spur: Schranken für DNA-Analysen sollen fallen.
Oft die einzige Spur: Schranken für DNA-Analysen sollen fallen. © Daniel Bockwoldt/dpa

Ermittler sollen erweiterte Befugnisse bei der DNA-Analyse erhalten. Methoden zur Bestimmung der Herkunft von Verdächtigen klammert ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums jedoch aus.

Der Mord an der Studentin Maria L. hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Im Oktober 2016 fand eine Joggerin in Freiburg ihre Leiche in der Dreisam. Die junge Frau war vergewaltigt und ermordet worden. Doch bei der Suche nach dem Täter tappten die Ermittler wochenlang im Dunkeln, bis ein junger Afghane gefasst und später auch verurteilt wurde.

Gründliche DNA-Auswertungen begünstigen schnelle Fahndungserfolge

Der Tod der Studentin heizte nicht nur Diskussionen zur Zuwanderungspolitik an. Auch der Ruf nach weniger Schranken bei der Untersuchung von genetischen Spuren wurde laut. Man hätte früher zum Erfolg kommen können, hätte man DNA-Spuren gründlicher auswerten dürfen, hatte damals der Freiburger Polizeipräsident Bernhard Rotzinger gesagt. Das will der Gesetzgeber nun ermöglichen, allerdings nicht so weit, wie von einigen gewünscht. Die umstrittene Herkunftsbestimmung per DNA bleibt tabu.

Im Fall Maria L. führte ein teilweise blond gefärbtes Haar vom Tatort zum Erfolg. Ein Mann mit passender Frisur, der Täter, war auf Bildern von Überwachungskameras zu sehen. DNA-Spuren hatten in keiner Datenbank zu Treffern geführt. Baden-Württembergs Innenminister Guido Wolf (CDU) forderte deshalb noch vor der Festnahme des Täters eine Ausweitung des rechtlichen Rahmens und startete eine Bundesratsinitiative. Auch aus Bayern kamen entsprechende Forderungen. Teils fanden sie 2018 Eingang in den Koalitionsvertrag von Union und SPD.

Biogeografische DNA-Analyse soll verboten bleiben

Ermittler erhoffen sich, allein aus der DNA eine Art Phantombild möglicher Straftäter zu erstellen. Spuren von Tatorten, die keiner Person zugeordnet werden können, sollen künftig nicht nur auf das Geschlecht untersucht werden dürfen. „Der Änderungsvorschlag soll die wissenschaftlich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mögliche Bestimmung der Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie des Alters des Spurenlegers erlauben“, zitieren die Zeitungen der Funke-Mediengruppe aus einem bisher nicht öffentlichen Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform der Strafprozessordnung.

Verboten bleiben soll die biogeografische Analyse, mit der Aussagen über die Herkunft einer Person getroffen werden könnten. Vor allem, aber nicht nur darin sehen Kritiker die Gefahr einer Diskriminierung von Minderheiten. Vertreter von Sinti und Roma sahen in der Debatte von Beginn an einen „rassistischen Diskurs“, die FDP einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte.

Bayerisches Polizeiaufgabengesetz erlaubt die Herkunftsanalyse

Wolf hatte auf Druck seines grünen Koalitionspartners bei seinem Vorstoß schließlich die biogeografische Analyse ausgeklammert, Bayern beharrte weiter darauf. Das 2018 gegen großen öffentlichen Protest reformierte bayerische Polizeiaufgabengesetz sieht sie neben der Analyse von Augen-, Haar- und Hautfarbe zur akuten Gefahrenabwehr inzwischen vor. Die Herkunft sei nur so grob bestimmbar, dass die Gefahr der Diskriminierung bestimmter Minderheiten nicht bestehe, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Eine Möglichkeit zur Auswertung der biogeografischen Herkunft hätten wir uns in der Tat auch in der Strafprozessordnung gewünscht“, sagt der Minister. Man freue sich aber, dass zumindest die Analyse der anderen Merkmale möglich werden solle.

Spuren-Experte: Herkunftsanalyse ist ein wichtiger Baustein der DNA-Analyse

Peter Schneider, Vorsitzender der Spurenkommission der rechtsmedizinischen und kriminaltechnischen Institute in Deutschland, hält die Herkunftsanalyse für einen wichtigen Baustein in der DNA-Analyse. „Damit wären die Analysen anderer Merkmale besser abgesichert“, sagt er. Augen-, Haar- oder Hautfarbe allein würden ein Bild geben, das bei der Tätersuche den Kreis der Verdächtigen nicht unbedingt auf ein hilfreiches Maß einschränke. Zuverlässige Aussagen ließen sich zudem oft nur bei klaren Merkmalen wie einfarbig blauen oder dunkelbraunen Augen treffen. Besonders informativ sei die Altersbestimmung, auch wenn sie nur auf etwa zehn Jahre genau und bisher nur mit Blutspuren in größerer Menge möglich sei.

Insgesamt hält Schneider den Einsatz der erweiterten Analyseverfahren für wertvoll, aber auch für begrenzt. Sie wären wohl nur in wenigen Fällen hilfreich, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft seien. Im Freiburger Fall, glaubt Schneider, hätten die heute technisch möglichen Methoden kaum ausreichend präzise Erkenntnisse liefern können.

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Mit falscher politischer Korrektheit bei der Auswertung von DNA-Spuren durch die Polizei leistet die Politik keinen guten Beitrag für den gesellschaftlichen Frieden. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.

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