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Dynamit für Namibias weiße Farmer

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- Windhoek - Keiner hatte gewusst, dass sie kommen. Die "Postboten", jeweils zwei Regierungsbeamte und zwei Polizisten, fuhren eines schönen Tages Mitte Mai auf Farmen überall in Namibia vor. Und die Briefe, die sie zu überbringen hatten, enthielten pures Dynamit: Innerhalb von 14 Tagen, so die Forderung, müssten die Farmer dem Staat Namibia ein Verkaufsangebot für ihren Besitz unterbreiten. Sonst würden die Farmen vom Staat entschädigungslos enteignet.Fast alle der 25 Brief-Adressaten sind deutschstämmige Namibier. Farmer, die in dritter oder gar vierter Generation unter schwierigsten klimatischen Bedingungen ihr Land bewirtschaften. Und nicht nur sie wissen seither nicht mehr, wie es mit ihnen weitergehen wird.

Auch die anderen rund 4000 weißen Farmbesitzer in dem südwestafrikanischen Staat _ ein Drittel Deutschstämmige, zwei Drittel Buren aus Südafrika - fragen sich fast täglich voller Sorge: Werde ich der Nächste sein? Und auch außerhalb der Landwirtschaft wachsen die Ängste: Wird Namibia zum zweiten Simbabwe? Drohen nun auch hier der weißen Minderheit Plünderung, Vertreibung und Ermordung?

Wird das Land zum zweiten Simbabwe?

Allein in den letzten zwei Wochen gab es zwei Überfälle auf weiße Farmer, von denen ein deutschsprachiger angeschossen wurde. "80 Prozent der Farmer sind verunsichert und bauen ihre Betriebe nicht mehr aus. Sie halten nicht mal ihre Infrastruktur in Stand", beklagte kürzlich Jan de Wet, namibischer Bauernpräsident.

Durch die Drohung der namibischen Regierung, die bisher nach dem Prinzip der Freiwilligkeit laufende Umverteilung des Farmlands künftig per Enteignung durchzuführen, ist inzwischen die gesamte Wirtschaft von einer Art Lähmung erfasst worden.

Im Dezember wird ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Auch wenn es am Wahlsieg der mit Dreiviertel-Mehrheit regierenden Swapo-Partei keinen Zweifel gibt, so steht in der seit 1990 unabhängigen, ehedem deutschen Kolonie ein Wachwechsel bevor: Sam Nujoma (75), der das Land seit der Unabhängigkeit 1990 autoritär wie ein Stammeshäuptling geführt hat, tritt ab. Radikale anti-weiße Kreise dominieren immer stärker die Stimmung im Volk.

Und der kommende Staatschef, Landminister Hifikepunye Pohamba, muss sich vor seinen schwarzen Wählern noch profilieren. Dazu eignet sich in dem ab 1915 vom Apartheid-Südafrika als Protektorat regierten Steppenstaat kein anderes Thema besser als die Landreform. In einem Interview der deutschsprachigen "Allgemeinen Zeitung" sagte er bereits, man wolle mit der "Beschlagnahmung" der Farmen einer "Revolution" vorbeugen.

Unbestritten ist bei der großen Mehrheit der Namibier, dass das seit rund 100 Jahren in weißem Besitz befindliche Farmland gerechter verteilt werden muss. Aber, so Ben Ulenga, ehemaliger Swapo-Minister und inzwischen der wichtigste Gegenspieler Nujomas: "Wir können nicht ein Unrecht mit einem anderen Unrecht wieder gutmachen."

Doch die Entwicklung scheint in die andere Richtung zu gehen: Staatspräsident Nujoma äußerte sich immer wieder als erklärter Freund und "Bruder" des radikalen Staatschefs von Simbabwe, Robert Mugabe. Er lobte diesen als "leuchtendes Vorbild", auch noch, nachdem Mugabe mit gewaltsamen Landenteignungen das einst blühende Land in Chaos und Anarchie gestürzt hatte.

Die jüngste Aktion sieht nach Racheakt aus

Auch lässt Nujoma immer wieder Hetzreden gegen "weiße Imperialisten" und Neokolonialisten vom Stapel und droht, alle Weißen aus dem Land zu jagen. Allerdings vertrauten die Nachkommen der Siedler aus der einstigen Kolonialmacht Deutschland auf das Leitmotiv Versöhnung, mit dem die postkommunistische Swapo nach dem gewonnenen Unabhängigkeitskrieg 1990 die Macht angetreten hatte.

Für das Thema Landreform, die "schwärende Wunde auf dem politischen Körper des befreiten südlichen Afrika" (Henning Melber, Direktor des "Nordic Africa Institute" in Uppsala/Schweden), gilt offiziell der Grundsatz der Freiwilligkeit. "Willing Seller _ Willing Buyer": Wer seine Farm verkaufen will, muss sie zuächst dem Staat anbieten, und der verteilt die Flächen gegebenenfalls an Landsuchende. Das hat indes nicht wirklich funktioniert. Es fehlten das Geld _ und auch der politische Wille.

Das gesamte so genannte Kommunalland, wo die Kommunalfarmer leben, ist Staatsland. Jetzt vergrößert der Staat seinen Besitz, und die ehemals benachteiligte Bevölkerung besitzt weiterhin kein Land-Eigentum: Die Profiteure bei 700 von weiße auf schwarze Besitzer gewechselten Farmen sind nämlich hohe Beamte, Chefs halbstaatlicher Konzerne, reiche Unternehmer und natürlich fast die gesamte Regierung Nujoma. Dieser selbst ließ unweit einer seiner beiden Farmen, mitten in die Savanne bei Otjiwarongo, eine hochmoderne Tankstelle bauen.

Keiner der weißen Farmer kennt im Übrigen die Kriterien, nach denen die zu enteignenden Farmen ausgesucht wurden. Zwar schreibt die Verfassung eindeutig ökonomische Gründe vor. Die jüngste Aktion sei aber eher ein "Racheakt", heißt es unwidersprochen: Fast alle betroffenen Farmer hatten zuvor Ärger mit ihren Arbeitern und damit mit der radikalen Farmarbeiter-Gewerkschaft.

Deren Vorsitzender Alfred Angula droht seit Jahren mit "friedlichen Landbesetzungen". Und Kollege Risto Kapenda fordert "unwillige Farmer" auf, "ihre Verwandtschaft in Europa aufzusuchen" und das "gestohlene Land" zu verlassen.

Als die Regierung im Dezember 2002 _ damals folgenlos _ die Enteignung von 192 "weißen" Farmen angekündigt hatte, konnte sich Nujoma vor Sympathie-Bekundungen kaum retten: 240 000 Menschen warten nach offiziellen Angaben auf ein Stück Land. Seit der Übergabe der 25 Briefe Mitte Mai ist nun nichts mehr geschehen. Einige Farmer, wie Andreas Wiese (30), der seit Jahren im Clinch mit der Gewerkschaft liegt, haben angekündigt, verkaufen zu wollen. Aber "bei der Mehrzahl war die Antwort negativ", wie Pohamba kürzlich zugab.

Erwartet wird, dass die Regierung ihre Drohungen rechtzeitig vor den Wahlen wahrmachen möchte und die Betroffenen dagegen klagen werden. Immerhin steigt inzwischen der Druck auf Nujoma und Pohamba _ nicht zuletzt vom wichtigsten Geldgeber Namibias, von Deutschland.

Bisherige Umverteilung war ein Fehlschlag

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiezcorek-Zeul war erst Mitte August zu Besuch _ als Teilnehmerin an den Gedenkfeiern zum Genozid der deutschen Kolonialarmee vor 100 Jahren am Herero-Stamm. Auch Ben Ulenga hält die Landreform, so wie sie praktiziert wird, für kontraproduktiv. "Weder bekommen jene ihr Land zurück, denen das Land eigentlich zusteht, noch wird es den Kampf gegen Armut und Arbeitslosigkeit unterstützen", sagte er bei einer Diskussion der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in Windhoek.

In der Tat: Ökonomisch betrachtet hat sich die bisherige Umverteilung als Fehlschlag erwiesen. In der Regel erwirtschaften die Neu-Farmer nicht einmal ihren Eigenbedarf, weil sie in dem extrem trockenen Land mit der komplizierten Wasserbewirtschaftung nicht zurechtkommen. Wenn aber die kilometerlangen Zäune nicht instand gehalten und die Brunnen nicht gepflegt werden oder aber zu viele Rinder auf dem kargen Land grasen - Richtwert: eine Kuh pro 20 Hektar -, geht alles dem sicheren Ruin entgegen.

 

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