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Skandal in Ellwangen: Aussage in der Flüchtlingskrise 2015 könnte Togoer gelegen kommen

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Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim.
Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim. © dpa / Stefan Puchner

Nach einer Großrazzia in Ellwangen hat die Polizei einen Flüchtling (23) aus Togo festgenommen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied jetzt, dass der Mann abgeschoben werden darf. Doch er könnte bald schon wieder ins Land kommen.

Update vom 10. Mai: Der in Ellwangens Flüchtlingsunterkunft gefasste Togoer sitzt derzeit in Abschiebehaft. Doch selbst wenn er bald abgeschoben werden würde, könnte er ebenso baldig wieder nach Deutschland einreisen. Die Bundespolizei bestätigte der „Rheinischen Post“ offenbar die derzeit geltende Regel, wonach „Drittstaatsangehörigen ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente und mit Vorbringen eines Asylbegehrens die Einreise zu gestatten“ sei.

Grundsätzlich erhält ein Drittstaatsangehöriger, der aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde, ein zeitlich befristetes Einreiseverbot nach Deutschland. Geregelt sei dies im Paragraf 11 des Aufenthaltsgesetzes, sagte die Sprecherin der Bundespolizei. Ein Drittstaatsangehöriger, der nach Italien abgeschoben wurde, darf damit also eigentlich nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen.

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Doch dem Bericht zufolge gilt für die Arbeit der Bundespolizei weiterhin die mündliche Anordnung des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) vom September 2015: Diese sieht vor, von einer „Einreiseverweigerung bis auf Weiteres aus humanitären Gründen abzusehen“. Jeder Drittstaatler ohne Papiere, aber mit Asylbegehren ist danach an die zuständige Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten.

Update vom 8. Mai: Der unter großem Widerstand aus einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen abgeholte Togoer darf abgeschoben werden. Das entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart, das den Eilantrag des Mannes gegen die Abschiebung am Dienstag ablehnte. Bereits im November hatten die Stuttgarter Richter einen Antrag des Togoers abgelehnt, mit dem dieser seine Abschiebung nach Italien verhindern wollte. Rechtsmittel gegen die Entscheidung sind aber noch möglich.

Abschiebung abgebrochen: Flüchtling flüchtet vor Polizei - mit schrecklichen Folgen

Der Ausgangstext vom 4. Mai:

Ellwangen - Nach einer Großrazzia, die bundesweit diskutiert wurde, nahm die Polizei einen jungen Flüchtling aus Togo fest. Der 23-Jährige sitzt seitdem in Abschiebehaft. Nach einem Bericht von welt.de hat er sich nun erstmals über seinen Anwalt zu den Geschehnissen in Ellwangen geäußert. 

Wie berichtet, wollten rund 200 afrikanische Flüchtlinge die Abschiebung des Togoers (23) aus Deutschland verhindern, als vier Polizisten ihn im Asylheim in Ellwangen abholen wollten. Die Afrikaner bedrängten die Polizisten und umringten die Streifenwagen, sodass diese sich schließlich unverrichteter Dinge zurückziehen mussten. Wenige Tage später startete die Polizei dann aber eine Großrazzia und nahm den Togoer fest. Er soll nach Italien abgeschoben werden, wo er in die EU einreiste.

Der Anwalt des 23-Jährigen berichtet nun, der Togoer habe niemanden aufgewiegelt und sei vom massiven Widerstand seiner Mitbewohner im Flüchtlingsheim selbst überrascht gewesen. Er habe bereits am Polizeiauto gestanden und Handschellen getragen, als der Widerstand begann. Auch die Polizei hatte gleich nach dem Vorfall berichtet, dass der Widerstand nicht vom 23-Jährigen selbst ausgegangen sei.

Mord-Drohungen gegen Anwalt

Bei der Großrazzia drei Tage danach sei das Verhalten der Polizei gegenüber dem Togoer dann dennoch unverhältnismäßig hart gewesen, so der Anwalt des Flüchtlings. „Er sagt, viele Polizisten hätten ihn in seinem Zimmer überrascht und an Armen und Beinen festgehalten“, wird der Verteidiger zitiert. „Draußen sollen sie ihn zu Boden gebracht und ihm einen Fuß auf den Nacken gestellt haben.“

Sein Mandant sei vom Vorgehen der Beamten verstört gewesen, so der Anwalt. Ein Polizeisprecher rechtfertigt dagegen laut welt.de das Vorgehen: Man habe die Maßnahmen getroffen, die getroffen werden mussten.

Der Anwalt des Togoers sagte laut dem Bericht, es seien in den vergangenen Tagen Morddrohungen gegen ihn (den Anwalt, Anm. d. Red.) eingegangen. Er sei sowohl per E-Mail als auch über Kommentare von Online-Medien bedroht worden. „Da werden Sachen ausgesprochen, die man sich nicht vorstellen kann“, wird er zitiert.

Sein Mandant habe dagegen von der öffentlichen Diskussion um ihn wenig mitbekommen. „Er war total erschüttert, als ich ihm davon erzählt habe – und traurig, dass es so gekommen ist“, so sein Verteidiger.

Sieben Männer in Untersuchungshaft

Nach der Großrazzia der Polizei in der Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen sind am Freitag sieben Bewohner in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Haftrichter habe den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprochen, teilten die Beamten in Aalen mit. In vier Fällen gehe es um den Vorwurf tätlicher Angriffe auf Polizisten im Rahmen der Kontrollen. Zwei Männern werde Drogenhandel vorgeworfen, einem gewerbsmäßiger Diebstahl.

Einige Flüchtlinge machen der Polizei Vorwürfe

Asylbewerber, die bei der Großrazzia am Donnerstag in Ellwangen dabei waren, machen der Polizei den Vorwurf, sie hätten grundlos Gewalt angewendet. Die Welt zitiert einen 27-Jährigen, der sagt: “Sie haben heute Nacht ohne Grund auf einige eingeschlagen, das hat Deutschland doch nicht nötig.“ Außerdem hätten die Beamten Asylbewerbern ihr Bargeld abgenommen.

Die Großrazzia war die Reaktion auf einen Vorfall am Montag: Rund 200 afrikanische Flüchtlinge wollten die Abschiebung eines Togolesen (23) aus dem Heim verhindern. Es wurde berichtet, dass die Afrikaner die Polizisten bedrängten und Streifenwagen umringten, sodass diese sich schließlich unverrichteter Dinge zurückzogen. Ein Sozialbetreuer aus Gambia sagte nun gegenüber der Welt, von den Flüchtlingen sei keine körperliche Gewalt ausgegangen: „So protestieren wir Afrikaner nun mal.“

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Gericht wies Antrag des Togolesen gegen Rückführung schon im November zurück

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat bereits im vergangenen November einen Antrag gegen die Rückführung des nun in U-Haft sitzenden Togolesen nach Italien zurückgewiesen. Der Eilantrag des Mannes gegen die Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sei abgelehnt worden, erklärte eine Sprecherin des Gerichts am Freitag in Stuttgart. Der Anwalt des Mannes hatte gegen den Bescheid des Bundesamts zwei Verfahren angestrengt - eine Klage, über die nach Gerichtsangaben noch nicht entschieden ist, und den Eilantrag.

In der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) wird ein gefesselter Mann von maskierten Polizisten abgeführt.
In der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA) wird ein gefesselter Mann von maskierten Polizisten abgeführt. © dpa / Stefan Puchner

Die Entscheidung über den Eilantrag sei rausgeschickt worden, sagte die Gerichtssprecherin weiter. Anwalt Engin Sanli sagte der Deutschen Presse-Agentur hingegen, er habe die Entscheidung nicht bekommen. Er argumentiert, dass die Verhaftung des Mannes und seine geplante Abschiebung rechtswidrig seien, weil der 23-Jährige vorläufigen Rechtsschutz genieße.

Ermittlungen gegen Asylbewerber nach Großrazzia

Nach der Großrazzia in der Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen laufen die Ermittlungen gegen mehrere Asylbewerber. Einige von zunächst 27 vorläufig festgenommenen Personen stehen nach Polizeiangaben im Verdacht, sich durch aktive Widerstandshandlungen strafbar gemacht zu haben. Ihnen drohen Anzeigen und Strafverfahren. 

Welche Strafen müssen die Afrikaner befürchten? Nach Paragraf 113 des Strafgesetzbuches wird der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte laut welt.de mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. Wurde die Tat mit Anderen gemeinschaftlich begangen, drohen sogar bis zu fünf Jahre Haft. Und in letzter Konseauenz könne dies die Ausweisung bedeuten: Ausländische Straftäter müssten das Land verlassen, wenn sie zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, heißt es. Ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde oder nicht, spiele dabei keine Rolle.

Nach dem Skandal in Ellwangen hat die Staatsanwaltschaft außerdem Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten, Diebstahls und Hausfriedensbruchs eingeleitet.

Togolese soll nach Italien abgeschoben werden

Und der 23-jährige Togolese, dessen Abschiebung die rund 200 Asylbewerber in Ellwangen gewaltsam verhindern wollten? Der sitzt mittlerweile in Abschiebehaft in Pforzheim. Von dort soll er rasch nach Italien zurückgebracht werden. Dort kam er erstmalig in die EU. 

Nach dem sogenannten Dublin-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Nun müssen die deutschen Behörden Italien erneut über dessen Rückführung informieren, wofür es eine Zehn-Tages-Frist gibt. Nach dem sogenannten Dublin-Abkommen müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Nun müssen die deutschen Behörden Italien erneut über dessen Rückführung informieren, wofür es eine Zehn-Tages-Frist gibt.

Italien war schon einmal über die Ankunft des Togolesen informiert worden - wenige Tage vor der am Montag zunächst gescheiterten Abschiebung aus einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen. Der Asylsuchende wurde schließlich am Donnerstag bei einer Großrazzia gefasst. Die Zehn-Tages-Frist begann an diesem Tag erneut.

Was war am Donnerstag im Flüchtlingsheim passiert?

Am Donnerstag hätten sich mehr als 20 Asylsuchende der Kontrolle durch die Polizei widersetzt, teilte das Polizeipräsidium in Aalen mit. Zudem wurden Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten, Diebstahls und Hausfriedensbruchs eingeleitet. Bis zu 15 mutmaßliche Rädelsführer der gewalttätigen Übergriffe vom Montag wurden in andere Flüchtlingseinrichtungen gebracht, um in Ellwangen ein erneutes organisiertes Vorgehen gegen die Sicherheitskräfte zu verhindern.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, beim Thema Abschiebungen dürften keine falschen Signale in die Herkunftsländer gesendet werden. „Deshalb brauchen wir eine harte und konsequente Abschiebepolitik.“ Noch immer gebe es Bundesländer, die nicht mit der nötigen Konsequenz abgelehnte Asylbewerber zurückschickten. Er erwarte, dass alle Länder, auch die SPD-geführten, das geltende Recht durchsetzen.

„Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“

Bundesinnenminister Horst Seehofer bezeichnete den am Montag erzwungenen Rückzug der Polizei aus der Unterkunft als „Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“. Der CSU-Politiker sagte in Berlin, derartige Widerstandshandlungen müssten „mit aller Härte und Konsequenz verfolgt werden“. 

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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobte den Polizeieinsatz am Donnerstag. Die Opposition warf der grün-schwarzen Landesregierung Versagen vor.

War diese Polizei-Razzia wirklich notwendig?

Kritik äußerten auch Aktivisten der Flüchtlingshilfe. Pater Reinhold Baumann vom Freundeskreis Asyl erklärte, der Großeinsatz am Donnerstag sei unverhältnismäßig gewesen. Der zur Abschiebung anstehende Mann aus Togo sei „kein Schwerverbrecher oder Untergetauchter“ gewesen. „Man hat ihn ja dort gefunden.“

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte in der Passauer Neuen Presse (Freitag) mit Blick auf die Vorfälle vom Montag: „Diejenigen, denen man Straftaten nachweisen kann, müssen in Untersuchungshaft und sollten die Freiheit erst wieder erlangen, wenn sie den Boden ihrer eigenen Heimat betreten. Das wäre das richtige Signal.“

Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Mathias Middelberg, verlangte Konsequenzen: „Die Taten müssen auch Auswirkungen auf die Asylverfahren dieser Personen haben“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post (Freitag).

Besorgt zeigte sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): „Von einer Situation wie in Ellwangen geht kein gutes Signal aus. Da verstehe ich die Leute, die sagen: Wir müssen die Lage in Deutschland im Griff haben“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte nach dem Vorfall in Ellwangen vor den vom Bund geplanten Asyl- und Abschiebezentren. „Ankerzentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben“, sagte er Focus Online.

Flüchtlingsunterkunft Ellwangen am Limit?

In der Flüchtlingsunterkunft sind aktuell nach Angaben der Stadtverwaltung 490 Menschen untergebracht, 292 davon habe die Polizei am Donnerstag kontrolliert, teilte ein Sprecher mit. 26 Asylsuchende wollten demnach flüchten, elf sprangen aus einem Fenster. Die Flucht sei ihnen aber nicht gelungen.

Bei dem Einsatz wurden einer Gesamtbilanz der Polizei zufolge zwölf Menschen leicht verletzt - elf Bewohner der Unterkunft und ein Beamter. Bei mehreren Flüchtlingen seien Drogen sowie mehr Bargeld als die normalerweise zulässigen 350 Euro gefunden worden.

dpa/smu

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