Dieter Reiter: Zugegeben, das wird immer schwieriger. Ich will keine Grünflächen zubauen und auch Nachverdichtungen nur maßvoll zulassen. Und in den großen Gebieten, wie Freiham und im Münchner Norden, müssen Entwicklungspotentiale sensibel zusammen mit der Bevölkerung geplant werden. Daneben ist es aber genauso wichtig, die noch bezahlbaren Wohnungen bezahlbar zu halten.
Muss die 100-Meter-Marke fallen?
Reiter: Ich habe das Planungsreferat beauftragt, eine Hochhausstudie zu erarbeiten, diese wird im Sommer im Stadtrat diskutiert. Danach werden wir sehen, welche Baumaßnahmen, welche Einzelprojekte letztlich beschlossen werden.
Sind Enteignungen, wie von Herrn Habeck gefordert, ein Thema?
Reiter: Nein. Enteignungen kommen für mich nicht in Frage. Vielmehr müsste die Bundesregierung endlich bereit sein, den Mieterschutz ernsthaft zu stärken. Der Bund dürfte keine einzige Genossenschaftswohnung, kein einziges Grundstück mehr verkaufen. Es kann nicht sein, dass Mieter der Eisenbahnergenossenschaften in München um ihre Wohnungen zittern müssen. Da ist der Bund gefordert, das zu verhindern!
Update 8. April, 14.53 Uhr: In der Debatte um Wohnungsnot und hohe Mieten hat sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Möglichkeit von Enteignungen gewandt. Die Kanzlerin halte "die Enteignung von Wohnungskonzernen nicht für ein geeignetes Mittel zur Linderung der Wohnungsnot", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Der Schlüssel für bezahlbaren Wohnraum sei, eine ausreichende Zahl von Wohnungen zu Verfügung zu haben. Dafür sehe der Koalitionsvertrag eine Vielzahl von Maßnahmen vor.
Es sei der Kanzlerin und der gesamten Bundesregierung sehr bewusst, dass der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum "ein großes Thema für die Menschen ist" und dass Mieten und Immobilienpreise gerade für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen eine Belastung darstellten. Die Antwort darauf sei aber nicht Enteignung, betonte Seibert.
Berlin/München – Wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, damit Kommunen mehr Sozialwohnungen errichteten, „muss notfalls die Enteignung folgen“, sagte Habeck der „Welt am Sonntag“. Aus der CSU kam lauter Protest.
Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zum Allgemeinwohl grundsätzlich vor, sagte Habeck. „Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen“. Zunächst einmal solle Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aber die Bundesimmobiliengesellschaft anweisen, Grundstücke günstiger an Kommunen abzugeben.
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Der CSU-Vorsitzende Markus Söder kritisierte Habecks Gedankenspiele scharf. „Enteignungen sind nun wirklich sozialistische Ideen und haben mit bürgerlicher Politik nichts zu tun“, sagte er unserer Zeitung. „Wer das Eigentum nicht mehr respektiert, ändert unsere Gesellschaft von Grund auf.“ Habecks Vorstoß sei „der Beweis: Die Grünen sind im Kern doch eine linke Partei.“ Söder wirft den Grünen vor, gerade während ihrer Regierungsbeteiligung in der Stadt München „den Wohnungsbau komplett verschlafen“ zu haben. „Jetzt enteignen zu wollen, ist mit der Verfassung kaum vereinbar.“ Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte: „Mit Enteignungen wird nicht eine einzige neue Wohnung geschaffen.“ Es würden nur private Investoren verschreckt.
Am Samstag demonstrierten tausende Menschen deutschlandweit für bezahlbaren Wohnraum. Beobachter schätzen die Zahl auf 20 000. In München zählte die Polizei am Samstag 300 Teilnehmer, in Fürth 40.
dpa/geo
Übrigens: Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete die Wohnungsnot als ein zentrales Problem in Deutschland. Die Bundesregierung habe seit März 2018 mit zahlreichen Maßnahmen gegengesteuert, der Erfolg werde in den nächsten Jahren zu spüren sein, sagte er der „Bild am Sonntag“.
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