Sorge vor Erdogan und Co: Wird bayerische Amts-Forderung zur Gefahr? Grüner schlägt bei Herrmann Alarm

Aus Staaten wie der Türkei und Pakistan fliehen Menschen nach Bayern. Doch eine durchaus übliche Amts-Forderung kann für sie und ihre Angehörige zur Gefahr werden, warnt ein Grüner.
- Auch gut integrierte Geflüchtete können in Bayern in Schwierigkeiten geraten - durch Forderungen der Ämter.
- Ein Grünen-Politiker schlägt angesichts von Gefahren durch Staaten wie Türkei und Pakistan Alarm.
- Er hofft auf Innenminister Joachim Herrmann - und schildert zwei drastische Fälle Asylsuchender.
München - Viele Menschen suchen in Deutschland Asyl, weil in ihrem Heimatland Repressalien drohen - doch auch hierzulande sind für Betroffene noch lange nicht alle Sorgen und Gefahren überstanden. Teils sind es deutsche Verwaltungs-Praktiken, die für Asylsuchende zur Belastung werden, Integration erschweren - oder gar Angehörige in Gefahr bringen.
So beschreibt es jedenfalls der Grünen-Landtagsabgeordnete Cemal Bozoglu. Er hat sich nun an Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gewandt. In einem schriftlichen Appell, der Merkur.de* vorliegt, schlägt Bozoglu Alarm. Als konkretes Beispiel für alles andere als unübliche Probleme von Asylsuchenden führt er zwei Härtefälle an. Hintergrund des Brandbriefes sind heikle Anforderungen bei der sogenannten Passbeschaffung.
Türkei: Angst vor Erdogans Regierung - Grünen-Abgeordneter schildert drastische Fälle aus Bayern
Bozoglu schildert in dem Schreiben an Herrmann unter anderem die Lage einer Familie aus dem Raum Memmingen, die aus politischen Gründen aus Recep Tayyip Erdogans Türkei nach Bayern geflohen sei. Trotz Vollzeitanstellung des Familienvaters und „problemlos“ für die Miete ausreichenden Einkünften könne das „gut integrierte“ und „sozial engagierte“ Ehepaar samt zwei Kindern nicht in eine eigene Wohnung ziehen - weil sie zur Beschaffung des Passes „in dem Konsulat des Landes vorstellig werden müssten, durch das sie Repressalien erlebt haben.“ Bozoglu zählt selbst zu den Kritikern Erdogans.
Drastisch klingt auch die Beschreibung der Geschichte eines jungen Altenpflege-Azubis aus Pakistan. Der in Augsburg lebende Mann aus der Minderheit der Belutschen müsse trotz vorhandenem Personalausweis und anderer Dokumente einen Pass beschaffen - anderenfalls drohe nach der Ablehnung des Asylgesuchs nun der erzwungene Abbruch der Ausbildung.
Bei einem Besuch in der Botschaft drohten aber „massive weitere Repressalien“ gegen seine Angehörigen in der Heimat. Auch der „von seinem Patienten und seinem Arbeitgeber überaus geschätzte“ junge Mann müsse Probleme befürchten. So seien Belutschen unlängst in München bei einer Demonstration von Botschaftsangehörigen gefilmt und bedroht worden.
Joachim Herrmann (CSU): Grüner sendet Brandbrief - „Wäre ein wichtiger Schritt“
Bozoglu hofft nun auf Herrmann. „Ich bitte Sie daher darum, diese beiden Fälle zu prüfen und darüber hinaus eine Neubewertung für Personen in ähnlicher Situation anzustreben“, schreibt er an den Minister. „Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Integration der Betroffenen und würde ihre emotionale Belastung verringern.“
Wie viele Menschen konkret betroffen seien, könne er nicht sagen, erklärte der Grünen-Politiker Merkur.de*. Er kenne aber „einige Fälle“ in denen auf die Passbeschaffung gedrängt werde. Dabei gebe es dem Gesetz nach für die Behörden die Möglichkeit, auf die Passbeschaffung zu verzichten, wenn sie „unzumutbar“ sei, betont Bozoglu in seinem Schreiben an Herrmann.
Bayern: „Angehörige in Heimatländern gefährdet“ - Grüne rügen „unsensibles Vorgehen“
Die Dringlichkeit sei groß, gab er zu verstehen. Es drohe, „dass Angehörige in den Heimatländern gefährdet werden, wenn die Länder Kenntnis darüber erlangen, dass man geflohen ist“, erklärt der BürgerInnen-Beauftragte für Asyl und Migration der Landtags-Grünen. Andererseits könne ohne Pass ein erzwungener Abbruch für Ausbildung oder Beschäftigung drohen, sagte Bozoglu Merkur.de* weiter. Ein entsprechender Fall wurde auch im Landkreis Dachau publik*.
In den Augen des Grünen ein Dilemma gerade für bereits gut integrierte Geflüchtete: auch für Betroffene die ansonsten alles ihnen mögliche tun, um die notwendigen Dokumente zu liefern. „Menschen verlieren ihre Selbständigkeit, obwohl sie sich einbringen wollen.“
„Es gibt Menschen, für die der Gang in das Konsulat ihres Heimatlandes eine schwere Belastung bedeutet, etwa weil sie nicht wollen, dass das Land, aus dem sie geflohen sind, ihren Aufenthaltsort kennt oder weil sie auch Repressalien gegen Angehörige fürchten“, sagte Bozoglu. Es sei ein „problematisches und unsensibles Vorgehen“ zu erwarten, dass Menschen gerade „in das Konsulat des Landes spazieren, aus dem sie geflohen sind“.
Die Türkei machte erst unlängst mit einem drastischen Urteil gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel Schlagzeilen. Doch auch über das Verhalten einiger Geflüchteter in Deutschland wird debattiert - der streitbare Grüne Boris Palmer hat ebenfalls einen Brandbrief verfasst. Währenddessen ist die Lage an der türkisch-griechischen Grenze weiterhin prekär. Ein brisanter Bericht enthüllt nun, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Militäreskalation in allerletzter Sekunde verhindert habe. In Istanbul hat der türkische Präsident Erdogan die Hagia Sophia in eine Moschee umgewandelt. Die Entscheidung trifft auf scharfe Kritik. (fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.