Ermittlungen gegen Netzpolitik.org pausieren

Karlsruhe - Im Verfahren wegen Landesverrats gegen die Journalisten von Netzpolitik.org lässt Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen vorerst ruhen.
Mit "Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit" sehe er von "nach der Strafprozessordnung möglichen Exekutivmaßnahmen ab", teilte Range der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit. Zunächst müssten nun externe Sachverständige klären, ob überhaupt ein Verrat von Staatsgeheimnissen stattgefunden habe. Ein solches Gutachten könne aber nur im Rahmen eines förmlichen Ermittlungsverfahrens eingeholt werden, erklärte Range. "Bis zum Eingang des Gutachtens wird mit den Ermittlungen innegehalten."
"Netzpolitik"-Chefredakteur Markus Beckedahl, gegen den sich die Karlsruher Ermittlungen richteten, hielt seine Kritik an Range aufrecht. "Bis dahin zu einer offiziellen Einstellung der Ermittlungen gibt es keinerlei Entwarnung", erklärte er auf seiner Internetseite. "Wir sehen das weiterhin als massiven Einschüchterungsversuch, der nicht nur gegen uns, sondern gegen alle kritischen Journalisten und Blogger gerichtet ist."
Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet.
Justizminister distanziert sich von Range
Justizminister Maas distanzierte sich demonstrativ von Range. Er habe dem Generalbundesanwalt seine Zweifel bezüglich der Ermittlungen mitgeteilt, erklärte Maas. Seine Zweifel bezögen sich darauf, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten "um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt". Dies ist Voraussetzung für die Verfolgung einer Tat nach dem Strafrechtsparagraf 94 zum Landesverrat.
Die am Donnerstag bekannt gewordenen Ermittlungen Ranges gegen Beckedahl und "Netzpolitik"-Redakteur André Meister gingen zurück auf eine Strafanzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Der Blog hatte aus internen Unterlagen seiner Behörde zitiert; darin ging es um Pläne, die nachrichtendienstliche Überwachung des Internet auszubauen.
Politiker von Opposition und SPD werteten die Einleitung von Ermittlungen als Einschüchterungsversuch. Von einem "Frontalangriff auf die Pressefreiheit" sprach Grünen-Politikerin Claudia Roth. "Es muss einem Angst und Bange werden", fügte sie hinzu. SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel verurteilte Ranges Vorgehen im "Tagesspiegel" als "völlig unverhältnismäßig".
Linken-Fraktionsvize Jan Korte kritisierte: "Wer sich solcher Maßnahmen bedient oder sie flankiert, will eine andere Republik." Die Kritiker verübelten es Range insbesondere, dass er gegen kritische Journalisten ermittle, im Zuge der Spionageaffäre um die vermutete massenhafte Ausspähung durch die Geheimdienste NSA und BND aber keinen Anlass für Strafverfahren sieht.
Vertreter der Regierungsparteien CDU und CSU hielten sich mit Kritik zurück. "Natürlich sind auch Journalisten nicht sakrosankt", sagte der Unionsinnenexperte Stephan Mayer (CSU) im Deutschlandfunk. "Wenn Journalisten Geheimdokumente veröffentlichen oder weitergeben, dann machen sie sich genauso strafbar wie andere Personen."
AFP/dpa