Röntgenbild im Fokus: Geheimdienst-Blamage bei russischen Ermittlungen zur Explosion auf Krim-Brücke?
Der russische Geheimdienst FSB ist für die Sicherheit auf der Krim-Brücke verantwortlich und leitet die Ermittlungen zur Explosion. Ein vom Geheimdienst geteiltes Röntgenbild wirft Fragen auf.
Krim - Die Explosion am Samstagmorgen auf der Krim-Brücke hatte Symbolkraft. Der russische Präsident Wladimir Putin musste im Ukraine-Krieg einen weiteren militärischen Rückschlag einstecken, auch logistisch ist die Verbindung vom russischen Festland zur von Russland annektierten Krim-Halbinsel von großer Bedeutung. Der Kremlchef und der russische Geheimdienst FSB machten schnell den ukrainischen Militärgeheimdienst SBU für den Anschlag verantwortlich. Ein Lkw voller Sprengstoff habe die Explosion ausgelöst. Ein vom FSB als Beweis veröffentlichtes Röntgenbild des Lasters passt allerdings nicht mit dem Überwachungsvideo zusammen.

Russland geht von Explosion eines LKW auf Krim-Brücke aus: Geheimdienst zeichnet Route des Sprengstoffs nach
Am Mittwoch nahm der FSB acht Verdächtige fest, die offizielle Version der Vorgänge auf der Krim-Brücke steht für Russland also fest. Bei den Festgenommenen handele sich um fünf Russen sowie drei Bürger aus der Ukraine und Armenien, erklärte der FSB am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Ein Agent in Kiew habe den Transport des Sprengstoffs zu seinem Bestimmungsort koordiniert.
Der FSB zeichnete die Route des Sprengstoffs nach: Er war demnach in Paletten mit Plastikfolie mit einem Gesamtgewicht von 22.700 Kilogramm versteckt. Die Ladung habe auf einem Boot den ukrainischen Hafen Odessa in Richtung Bulgarien verlassen. Über den georgischen Hafen Poti seien sie dann über Land durch Armenien und schließlich nach Russland gelangt. Ein Lastwagen mit georgischem Nummernschild passierte laut FSB am 4. Oktober mit dem versteckten Sprengstoff die russische Grenze. Am 6. Oktober, zwei Tage vor der Explosion auf der Krim-Brücke, habe das Fahrzeug die Region Krasnodar nahe der Krim erreicht. Dort sei er auf der Brücke in die Luft gesprengt worden und habe auch sieben Treibstofftanks eines Zuges in Brand gesetzt.
Ein Überwachungsvideo soll die kurze Kontrolle des Sicherheitspersonals auf der Brücke zeigen, das den Lastwagen aber passieren ließ.
Von FSB geteiltes Röntgenbild stimmt offenbar nicht mit Überwachungsvideo des Lastwagens überein
Der russische Geheimdienst teilte außerdem ein angebliches Röntgenbild des Lastwagens, um seiner Version der Geschehnisse Nachdruck zu verleihen. Allerdings bemerkten Experten Ungereimtheiten. Die Überprüfung des Analysten Oliver Alexander, der unter anderem für die Washington Post tätig ist, sowie des Verifikationsteams der Zeitschrift stern und des Senders RTL ergab, dass das Röntgenbild offenbar nicht den entsprechenden Lastwagen im Überwachungsvideo zeigt.
Die Experten machten das an verschiedenen Faktoren fest. Einerseits habe der LKW im vom FSB geteilten Video insgesamt drei Achsen, zwei davon hinten - das Röntgenbild des FSB zeige jedoch einen Lastwagen mit nur einer Hinterachse, berichtete stern. Zudem fehle im Röntgenbild ein Gitter zwischen den vorderen zwei Rädern und den hinteren drei Rädern des LKW. Das Reserverad sei im Überwachungsvideo ganz hinten am Truck erkennbar, kommentierte der Analyst Oliver Alexander auf Twitter. Im Röntgenbild befindet es sich indes an einer anderen Stelle. Im Video soll Alexander zufolge das LKW-Modell International Pro Star zu sehen sein.
Explosion auf Krim-Brücke: Was tatsächlich passiert sein könnte
„Dies scheint ein Versuch zu sein, die Tatsache zu vertuschen, dass die hochgejubelten Sicherheitsdienste an der Brücke in Wirklichkeit genauso inkompetent waren wie der Rest des russischen Militärs“, kommentierte der Analyst Oliver Alexander lakonisch. Mit der Veröffentlichung dieser Bilder wolle der FSB zeigen, dass der Sprengstoff gut versteckt war, glaubt Alexander. Der FSB trägt laut New York Times als führender Inlandsgeheimdienst in Russland die Verantwortung für die Sicherheit auf der Brücke.
Womöglich handelt es sich bei den Röntgenaufnahmen um den LKW, der den Sprengstoff über die Grenze von Georgien nach Russland gebracht hatte - nicht um jenes Fahrzeug, das explodierte. Der oppositionelle Telegram-Kanal Baza teilte entsprechende Bilder des vermeintlichen Lastwagens, die allerdings nicht verifiziert werden konnten. Während andere Militärexperten laut BBC-Angaben etwa von einer geheimen Drohne oder einem unbemannten Boot ausgehen, die eine Explosion unter der Brücke ausgelöst haben könnten, glaubt der Analyst Alexander an eine LKW-Bombe. Dafür spräche aus seiner Sicht auch ein Bild, das die demolierte Fahrbahn von oben zeigt: „Druckschäden an der eingestürzten Fahrbahn, sie wurde nach unten gedrückt und brach“, so der Experte in seiner Analyse.
Ein offizielles Bekenntnis der Ukraine gibt es bislang nicht. Der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, schrieb zunächst, das sei nur der Anfang. Wenig später aber streute er die Version, russische Einheiten selbst könnten es gewesen sein, um einen von militärischen Hardlinern befeuerten Machtkampf zwischen Verteidigungsministerium und Inlandsgeheimdienst FSB auf offener Bühne auszutragen. Die New York Times berichtete am Mittwoch unter Berufung auf einen hochrangigen ukrainischen Beamten, der anonym bleiben wollte, dass die ukrainischen Geheimdienste für die Explosion verantwortlich seien.
Falschinformation und Geheimhaltung spielen im Krieg eine große Rolle. Ein russischer Fake-Anruf bestätigt offenbar die enge Verbindung zwischen der Ukraine und den USA. Es geht auch um den Anschlag auf die Krim-Brücke. (dpa/AFP/bme)