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„Keine Kapitulation“ im Kosovo-Konflikt: Serbiens Präsident Vucic facht Flammen der Eskalation an

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Von: Mark Stoffers

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Aleksandar Vucic bei einer Pressekonforenz in der serbischen Hauptstadt Belgrad.
Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic facht die Spannungen zwischen seinem Land und Kosovo an. Streitpunkt bleibt der Nordkosovo. © Monika Skolimowska / dpa

Neben den aktuellen Vorfällen im Serbien-Kosovo-Konflikt spielt auch die Rhetorik eine Rolle. Dabei liefern sich die Staatschefs der Länder einen Schlagabtausch.

München – Im Schatten des Ukraine-Kriegs brodelt es an einem weiteren Ort mitten in Europa. Die Gemüter sind erhitzt, die Sicherheitslage angespannt, gar instabil. Die aktuelle Entwicklung im Nordkosovo sorgt nicht nur für Spannungen, sondern droht, sich zu mehr als einem Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo auszuweiten.

Straßenblockaden und Schusswechsel mit der hiesigen Polizei könnten dann nur der Anfang gewesen sein. Auch Berichte über einen serbischen Militär-Konvoi, der offenbar auf den Kosovo zu rollte, sorgten für Schlagzeilen.

Kosovo-Konflikt mit Serbien: Nationalisten stoppen mit Hilfe aus Belgrad Kommunalwahlen im Nordkosovo

Doch die Speerspitze im drohenden Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo bilden nach wie vor wohl die serbischen Nationalisten. Diese wollten mit ihren Aktionen und der augenscheinlichen Unterstützung aus Belgrad die demokratischen Neuwahlen in den mehrheitlich ethnisch serbischen Kommunen im Kosovo verhindern.

Ein Unterfangen, welches ihnen augenscheinlich gelingen konnte, wenn auch nur vorübergehend. Denn aufgrund der wachsenden ethnischen Spannungen werden die ursprünglich für den 18. und 25. Dezember im Norden des Kosovo geplanten Kommunalwahlen auf den 23. April 2023 verschoben. Das erklärte Staatspräsidentin Vjosa Osmani am vergangenen Samstag. Ihre Entscheidung basierte auf Beratungen mit den politischen Parteien und Analysen der Polizei sowie verschiedener Geheimdienste.

Ursache der erneuten Spannungen im Kosovo-Konflikt mit Serbien

Genau dieser Umstand ist aber eigentlich nur der Auslöser und weniger die Ursache der neuerlichen Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien. Schließlich sind die Neuwahlen notwendig, weil in vier Gemeinden des Nordkosovo Kommunalwahlen notwendig wurde, da die dortigen serbischen Bürgermeister und Gemeindevertreter zusammen mit unzähligen Polizisten ihre Ämter niedergelegt hatten.

Damit hatten sie gegen eine inzwischen ausgesetzte Kfz-Kennzeichenverordnung der Regierung in Pristina protestiert. Mit der Kennzeichenverordnung wollte Pristina durchsetzen, dass ethnische Serben aus dem Kosovo aufhören, ihre Fahrzeuge bei serbischen Behörden anzumelden und stattdessen kosovarische Kennzeichen beantragen.

Serbien-Kosovo-Konflikt: Serbischer Präsident Vucic heizt Spannungen an

Im Mittelpunkt dieses Pulverfasses steht aber auch noch ein ganz anderer Akteur: Serbiens Präsident aus dem Nachbarland. Aleksandar Vucic befeuert eine mögliche Eskalation des Serbien-Kosovo-Konflikts sowohl durch seine Forderungen als auch seine Rhetorik. Unter anderem pocht das Staatsoberhaupt auf die Entsendung eigener Truppen in den Kosovo. Dafür kündigte er bereits unter Berufung auf die UN-Resolution 1244 an, eine Verlegung von bis zu 1000 Soldaten und Polizisten bei der Kfor (Kosovo-Schutztruppe) zu beantragen. Er rechne aber nicht damit, dass dies genehmigt werde, fuhr er weiter aus.

Was ist die UN-Resolution 1244?

Die Resolution wurde am 10. Juni 1999 verabschiedet. Nach dem Abzug aller „militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Kräfte aus dem Kosovo“ dürfen demnach „eine vereinbarte Zahl (jugoslawischen) und serbischen Militär- und Polizeipersonals“ in die Region zurückkehren. Über den Zeitpunkt einer möglichen Rückkehr von Truppen muss allerdings die Nato entscheiden. Dabei geht es laut der Resolution etwa um die „Markierung und Räumung von Minenfeldern“ sowie die „Aufrechterhaltung einer Präsenz an Stätten des serbischen Kulturerbes“. Außerdem heißt es, es dürften nicht tausende, sondern nur hunderte Soldaten entsendet werden. Bei den aktuellen Spannungen und dem Wunsch, Soldaten in den Kosovo zu entsenden, beruft sich Serbien auf die Resolution.

Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos im Jahr 2008 wird allerdings diskutiert, ob die Resolution angesichts der neuen politischen Realität immer noch gültig ist. So dürften Zweifel darüber aufkommen, ob sich Serbien auf die Resolution berufen kann. Der serbische Ex-Außenminister Vladislav Jovanovic betonte zuletzt gegenüber dem Nachrichtenportal Kosovo Online, für Resolutionen der Vereinten Nationen gebe es keine zeitliche Begrenzung.

Darüber hinaus erklärte er, die Serben im Nordkosovo seien gezwungen, die Straßen zu sperren, um sich vor kosovarischen Sicherheitskräften zu schützen. Als Beispiel dient hierfür, die Verhaftung eines ethnischen Serben. Der ehemalige Polizist, der im Zuge des Streits um Autokennzeichen zwischen dem Kosovo und Serbien seinen Dienst quittiert haben soll, wird für Angriffe auf ein Wahllokal verantwortlich gemacht. Anklagepunkt: „Terrorismus“.

Kosovo-Konflikt mit Serbien: Grenzübergange durch Straßenblockaden geschlossen

Als Reaktion darauf wurden zwei Grenzübergänge Richtung Serbien wegen Straßenblockaden geschlossen. „Extremistische Gruppen“ hätten in den Orten Leposavic, Zvecan und Zubin Potok Barrikaden errichtet, lautete die Reaktion von Kosovos Innenminister Xhlelal Zvecla auf Facebook.

Derweil ist der Standpunkt von Vucic im Serbien-Kosovo-Konflikt klar. Die Parole von Serbiens Präsidenten für den Nordkosovo lautet: „Es gibt keine Kapitulation und es wird keine Kapitulation geben.“

Rhetorik im möglichen Serbien-Kosovo-Konflikt ist zunehmend vergiftet – „terroristischen Abschaum“

Weitaus keine harmlose Aussage, die aber im Zuge der vergifteten Rhetorik der vergangenen Tage und Wochen schon beinahe als zahm gedeutet werden könnte. Während der Chef der Kosovo-Kanzlei der serbischen Regierung, Petar Petković, vom Plan des kosovarischen „Quasi-Ministerpräsidenten“ Albin Kurti spricht, das Kosovo von Serben „ethnisch zu säubern“, nannte Serbiens Präsident sein Pendant „terroristischen Abschaum“.

Auch in den Zeitungen könnte man bei vielen Formulierungen bereits glauben, dass sich Serbien nicht nur auf einen Konflikt mit dem Kosovo einstellt, sondern bereits mittendrin ist. Serbische Streitkräfte befinden sich in erhöhter Bereitschaft, ist dort ebenso zu lesen, wie Entscheidungsträger, die den Serben im Kosovo versprechen, dass sie „ihren Staat“ vor der „Vernichtung“ bewahren.

Kosovos Ministerpräsident nimmt im Konflikt mit Serbien kein Blatt vor den Mund.

Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti steht seinen Kontrahenten in Sachen verbalen Angriffen ebenfalls nicht nach. Besonders den serbischen Staatschef nimmt er ins Visier. Dieser sei „Anführer krimineller Banden“ und „Wladimir Putins Mann auf dem Balkan“. Gleichzeitig sei Serbien das einzige Land Europas, das mit seiner „brüderlichen“ Beziehung zu Moskau prahle, im gleichen Atemzug aber Sanktionen gegen Russland ablehne.

Auf die neuerlichen Provokationen im Nordkosovo reagierte Ministerpräsident Kurti mit den Worten: „Serbien droht dem Kosovo seit einigen Tagen mit Aggression. Der Präsident und Premierminister von Serbien fordern die Rückkehr der serbischen Armee in den Kosovo“, schrieb er bei Facebook. „Wir wollen keinen Konflikt, wir wollen Frieden und Fortschritt. Aber wir werden mit aller Macht, die wir haben, auf Aggression reagieren“, fügte Kurti hinzu.

Serbien-Kosovo-Konflkt: Internationale Länder wie Frankreich „sehr besorgt“

Versöhnliche Töne hören sich in den Ohren von Ländern wie den USA, die einen Serbien-Wunsch bereits abgelehnt haben, Großbritannien oder Italien sicherlich anders an. Auch Frankreich zeigt sich im Hinblick die Kosovo-Lage „sehr besorgt“. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock mischte sich ebenfalls in die explosive Kosovo-Lage ein, wurde aber als „Heuchlerin“ bezeichnet und von Russland prompt der Sabotage bezichtigt.

Während die Nationen versuchen, die Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bringen, weiß der Kontingentführer der rund 70 Bundeswehr-Soldaten der Kfor-Mission vor Ort, Oberst Frank, wie brenzlig die Lage sich gestaltet. Denn die Situation kann jederzeit außer Kontrolle geraten: Frank sagt gegenüber Welt, es bestehe eine „andauernde Gefahr für eine Verschlechterung der Sicherheitslage in kürzester Zeit“. Und dafür könnte schon eine neue Aussage von Kurti oder Vucic reichen, um das Zünglein an der Waage zu spielen. (mst/dpa)

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