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Ukraine soll EU-Kandidat werden – was das für Putin und Selenskyj bedeutet

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Von: Franziska Schwarz

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Ukraine-Krieg: Eine von Aktivisten in Kiew auf dem Boden aufgelegte Flagge in den Nationfarben.
Aufnahme vom 15. Juni: Eine von ukrainischen Aktivisten in Kiew auf dem Boden aufgelegte Flagge in den Nationfarben. © Mykhaylo Palinchak/Imago

Der EU-Club der aktuell 27 Länder könnte sich erweitern - auch um die Ukraine. Das könnte allerdings Jahre dauern. Beispiel ist die Türkei unter Erdogan.

Brüssel - Wird die Ukraine EU-Beitrittskandidat? Aller Voraussicht nach wird die EU-Kommission am 17. Juni eine Empfehlung dazu abgeben - und die Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen ein „Ja“ abgeben. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa aus Kommissionskreisen.

Ukraine als EU-Kandidat? Was das für Putin und Selenskyj bedeuten würde

Eine mögliche Annäherung an die EU hat für das Land im eskalierten Ukraine-Konflikt mittlerweile überragende Bedeutung gewonnen. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt dies immer wieder zu einer historischen Frage. Zugleich betont er, dass die Ukraine gegen Russland unter Wladimir Putin auch die EU und deren Werte verteidige.

Für den Kremlchef hingegen wäre eine EU-Beitritt der Ukraine eine Niederlage. Beobachter attestieren Putin eine Abneigung gegen den Westen und die Demokratie allgemein. Putin wolle zurück zu einer Weltordnung, in der der Stärkere diktiere, was Recht sei, sagte etwa Kanzler Olaf Scholz (SPD). Der deutsche Verfassungsschutz warnte: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs versuche Putin das Narrativ einer angeblichen „Russophobie“ des Westens zu verfestigen.

Wie ist die Position der Bundesregierung dazu? Beim Kiew-Besuch des Bundeskanzlers und seines französischen Amtskollegen Emmanuel Macron kündigten beide Unterstützung für den Wunsch aus Kiew an. „Deutschland ist für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine“, sagte Scholz .

EU-Beitritt der Ukraine um Präsident Selenskyj? Diese „Kopenhagener Kriterien“ gelten

Aber: Das sei an konkrete Bedingungen geknüpft - etwa an Fortschritte bei Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen Korruption. Nicht jeder Kandidat wird automatisch EU-Mitglied. Beispiel Türkei unter (aktuell) dem Präsident Recep Tayyip Erdogan: Das Land ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat - und war wohl noch nie so weit von einer Mitgliedschaft entfernt wie heute.

Relevant sind vor allem die „Kopenhagener Kriterien“, die 1993 bei einem EU-Gipfel in der dänischen Hauptstadt festgelegt worden sind. Zu ihnen gehören:

Zudem müssen Kandidatenländer das äußerst komplexe und umfassende EU-Recht anwenden können und gewährleisten, dass wirksam durch nationale Verwaltung und Justiz umgesetzt wird. Auch muss die EU selbst in der Lage sein, neue Länder aufzunehmen und zu integrieren.

Ukraine-News: Voraussetzungen für EU-Kandidatur wohl nicht gegeben

Kann die Ukraine diese Voraussetzungen in absehbarer Zeit erfüllen? Das ist äußerst unwahrscheinlich. Der Europäische Rechnungshof stellte dem Land noch im September 2021 ein verheerendes Zeugnis aus. „Obwohl die Ukraine Unterstützung unterschiedlichster Art vonseiten der EU erhält, untergraben Oligarchen und Interessengruppen nach wie vor die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine und gefährden die Entwicklung des Landes“, hieß es damals zu einem Sonderbericht.

Zwar hätten EU-Projekte und EU-Hilfe dazu beigetragen, die ukrainische Verfassung sowie eine Vielzahl von Gesetzen zu überarbeiten. Die Errungenschaften seien allerdings ständig gefährdet, und es gebe zahlreiche Versuche, Gesetze zu umgehen und die Reformen zu verwässern. Das gesamte System der strafrechtlichen Ermittlung und Strafverfolgung sowie der Anklageerhebung bei Korruptionsfällen auf höchster Ebene sei alles andere als gefestigt.

Selenskyj will EU-Beitritt der Ukraine: Wird es eine Einigung geben?

Die Positionen innerhalb der EU zu einem Beitritt der Ukraine lagen zuletzt weit auseinander. Staaten wie Polen, Estland, Litauen, Lettland oder Irland dringen seit Wochen darauf, die Ukraine zügig zum EU-Kandidaten zu machen. Skeptisch sind aber etwa Portugal, die Niederlande und Dänemark. Ein Argument der Erweiterungsgegner ist, dass die EU mit ihrem Prinzip der Einstimmigkeit etwa in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik schon jetzt als schwerfällig gilt. Sie mahnen zunächst interne Reformen an, ehe neuen Mitgliedern die Tür geöffnet wird.

Zudem gibt es Länder wie Österreich, die fordern, dass auch Bosnien-Herzegowina den Kandidaten-Status bekommen muss, wenn ihn die Ukraine bekommt.

Ukraine in die EU? Welche Länder noch Kandidaten werden wollen

Bereits Beitrittskandidaten sind neben der Türkei die Länder Albanien, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Hinzu kommen Bosnien-Herzegowina und das Kosovo als sogenannte potenzielle Kandidaten. Kurz nach der Ukraine hatten sich im März 2022 zudem auch Georgien und Moldau beworben.

Für diese beiden Länder will die EU-Kommission am 17. Juni ebenfalls ihre Empfehlung vorlegen. Moldau dürfte dabei ähnlich gut wegkommen wie die Ukraine. Georgien muss hingegen damit rechnen, dass es den Kandidaten-Status erst nach der Erfüllung von Auflagen bekommt. (frs mit Material der dpa)

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