EU-Ukraine-Gipfel: „Nicht verzögern, sondern integrieren“ – Botschafter sieht klares Signal für Mitgliedschaft
In Kiew fand erstmals ein EU-Ukraine-Gipfel statt. Konkrete Zusagen für einen EU-Beitritt wie von Selenskyj erhofft gab es nicht. Der News-Ticker.
- Ukraine-Hoffnungen auf baldigen EU-Beitritt: Barley verpasst Dämpfer
- Luftalarm während EU-Ukraine-Gipfel: Russische Kampfflugzeuge gesichtet
- Neue Russland-Sanktionen: Von der Leyen kündigt nächstes Paket an.
- Dieser News-Ticker zum EU-Gipfel in Kiew wird laufend aktualisiert.
Update vom 4. Februar, 9.42 Uhr: Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, hat den EU-Ukraine-Gipfel als klares Signal für den Willen der Europäischen Union begrüßt, die Ukraine in die Gemeinschaft aufzunehmen. „Die Botschaft dieses Tages ist eindeutig: Die Ukraine wird EU-Mitglied werden“, sagte Makeiev dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sein Land werde „alles dafür tun, den Beitrittsprozess so schnell wie möglich abzuschließen“.
Makeiev versicherte, die Ukraine werde alle Kriterien erfüllen, erwarte jedoch von der EU noch mehr Dynamik. „Viele EU-Mitgliedstaaten haben begriffen, dass man im Fall der Ukraine die politische Zurückhaltung aufgeben und zu schnelleren Entscheidungen kommen muss.“ Die Devise der Ukraine mit Blick auf den EU-Beitritt laute: „Nicht verzögern, sondern integrieren“.
Nach EU-Ukraine-Gipfel: Selenskyj macht weiter Druck für raschen EU-Beitritt
Update vom 4. Februar, 7.07 Uhr: Der ukrainische Präsident Selenskyj macht nach dem EU-Ukraine-Gipfel weiter Druck für einen raschen EU-Beitritt seines Landes. „Wir sprechen bereits als Mitglieder der EU“, sagte Selenskyj in einer am Freitagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Der Status müsse nur noch rechtlich verankert werden, meinte er.
Die EU-Kommission hatte beim Gipfel betont, dass die Ukraine noch einen langen Weg vor sich habe bis zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Dagegen meinte Selenskyj, dass die EU-Vertreter bei dem Gipfel in Kiew am Freitag Beitrittsverhandlungen in Aussicht gestellt hätten. „Es gibt ein Verständnis, dass es möglich ist, die Verhandlungen über eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union dieses Jahr zu beginnen“, meinte Selenskyj.
Von EU-Seite gab es keine solchen konkreten Aussagen. Von der Leyen hatte zwar Selenskyjs Entschlossenheit und Reformwillen gelobt in Kiew, aber auch betont, dass es noch einiges zu tun gebe. Einen Zeitplan gibt es nicht.
Ukraine-Hoffnungen auf baldigen EU-Beitritt: Barley verpasst Dämpfer
Update vom 4. Februar, 6.17 Uhr: Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD), hat Erwartungen an einen raschen Beitritt der kriegsgebeutelten Ukraine zur Europäischen Union gedämpft. „Schon, dass die Ukraine so schnell Kandidatenstatus bekommen hat, das war ein ganz außergewöhnlicher Vorgang“, sagte Barley am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Das Land müsse die gleichen Bedingungen wie alle anderen Beitrittskandidaten erfüllen. Dazu zählten politische, wirtschaftliche und rechtliche Kriterien. „Alle drei Felder sind noch lange nicht erfüllt.“

Es sei auch nicht möglich, ein Land vorschnell aus besonderen Motiven aufzunehmen, betonte Barley. „Ich halte das wirklich für ausgeschlossen“. Es sei daher „ganz wichtig, dass man realistisch zu den Ukrainerinnen und Ukrainern ist.“
Das Land sei mitten im Krieg, da sei es nicht zu erwarten, dass Fortschritte bei den Beitrittskriterien besonders schnell erzielt würden, betonte Barley. „Wir unterstützen die Ukraine bei diesen Schritten, das ist ganz wichtig, wir werden immer an ihrer Seite sein.“ Und auch die EU selbst müsse sich reformieren, etwa mit Blick auf bisher notwendige einstimmige Entscheidungen, sagte Barley. „Die EU ist in ihrem derzeitigen Zustand auch nicht aufnahmereif.“
Von der Leyen schickt 35 Millionen LED-Lampen in die Ukraine
Update vom 3. Februar, 15.44 Uhr: „Gemeinsam bringen wir Licht in die Ukraine“. Die EU will der Ukraine 35 Millionen LED-Lampen zur Verfügung stellen. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Rande des EU-Gipfels auf Twitter an. Ukrainer könnten ihre „alten Lampen bei der Post gegen energieeffiziente LED-Lampen umtauschen“, erklärte die CDU-Politikerin. „Jedes eingesparte Kilowatt Energie ist wertvoll, um Russlands Energiekrieg zu kontern.“
Luftalarm während EU-Ukraine-Gipfel: Russische Kampfflugzeuge gesichtet
Update vom 3. Februar, 11.40 Uhr: Der Beginn des EU-Ukraine-Gipfels in Kiew ist am Freitag von einem landesweiten Luftalarm überschattet worden. Angaben aus der Hauptstadt zufolge wurde er wegen des Einsatzes russischer Kampfflugzeuge im Luftraum über Belarus ausgelöst. Von dort aus werden regelmäßig Raketen in Richtung Ukraine abgefeuert.
Ob der Luftalarm Auswirkungen auf den Gipfel hatte, blieb zunächst unklar. Zum genauen Ablauf wurden aus Sicherheitsgründen keine Angaben gemacht. Mitgeteilt wurde lediglich, dass es unter anderem eine Arbeitssitzung und eine Pressekonferenz geben sollte. Um kurz nach halb 12 meldete der ukrainische Rundfunk Suspilne, dass der Luftalarm wieder beendet sei.
Update vom 3. Februar, 9.40 Uhr: Präsident Wladimir Putin soll für den Ukraine-Krieg zur Verantwortung gezogen werden: Das fordern die Staatsspitze in Kiew sowie Politiker in Europa und den USA seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022. Eine Strafverfolgung russischer Verantwortlicher ist jedoch extrem kompliziert. Putin und sein engstes Umfeld müssen deshalb vorerst keine Konsequenzen fürchten.
Neben den USA setzt sich auch die EU für eine juristische Ahndung russischer Verbrechen ein. „Russland und alle Täter und Komplizen werden zur Rechenschaft gezogen“, heißt es im Entwurf einer Gipfelerklärung, die die EU-Staats- und Regierungschefs kommende Woche in Brüssel verabschieden wollen und die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
Uneinigkeit gibt es jedoch bezüglich der Art und Weise und ein entsprechendes Sondertribunal. Solange das nicht geklärt ist, soll eine Art Sonderermittler-Büro Beweise sammeln. Dieses „internationale Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression in der Ukraine“ soll in Den Haag eingerichtet werden, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag in Kiew ankündigte.
Update vom 2. Februar, 22.25 Uhr: Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, hält einen EU-Beitritt der Ukraine in den kommenden zwei Jahren für unrealistisch. „Das ist kaum vorstellbar, ein Land aufzunehmen, in dem Krieg ist“, sagte der Grünen-Politiker am Freitag (3. Februar 2022) im ARD-Morgenmagazin. Zudem müsse die Ukraine für einen EU-Beitritt zunächst gewisse Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel im Umgang mit Korruption oder in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit. „Man will ja auch auf gar keinen Fall erleben, dass weitere Beitrittskandidaten sich so entwickeln, wie Ungarn sich entwickelt hat, wo die Rechtsstaatlichkeit und die Meinungsfreiheit zerstört worden ist“, sagte Hofreiter.
Der Grünen-Politiker hält einen Beitritt der Ukraine in fünf, sechs Jahren für angemessen. Sehr viel länger sollte es jedoch nicht dauern, denn eine in die Länge gezogene Beitrittsperspektive könne die Menschen demotivieren.
Neue Russland-Sanktionen: Von der Leyen kündigt nächstes Paket an
Update vom 2. Februar, 22.25 Uhr: Mit Blick auf den EU-Ukraine-Gipfel an diesem Freitag hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine konkrete Beitrittsperspektive für sein Land gefordert. „Ich glaube, dass es die Ukraine verdient hat, bereits in diesem Jahr Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft aufzunehmen“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache am Donnerstag. Eine weitere Integration in die Europäische Union würde den Ukrainern „Energie und Motivation geben, trotz aller Hindernisse und Bedrohungen zu kämpfen“.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel wollen an diesem Freitag in Kiew mit Selenskyj zusammenkommen. Die Ukraine hat seit Juni bereits den Status eines Beitrittskandidaten. Bis zu einer Mitgliedschaft dauert es in der Regel dann aber noch viele Jahre. Weiteres Thema des Gipfels, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, ist zusätzliche europäische Unterstützung im Krieg gegen Russland.
Angesichts der schwierigen Lage - insbesondere im Osten - bekräftigte Selenskyj seine Forderung nach einer Erhöhung des Drucks auf Russland. Strategisch sei Russlands Niederlage schon absehbar. „Aber taktisch haben sie noch Ressourcen für Offensivversuche. Sie suchen nach Möglichkeiten, den Verlauf des Krieges zu ändern.“
EU-Ukraine-Gipfel: Von der Leyen trifft in Kiew ein - und sagt weitere Unterstützung zu
Erstmeldung vom 2. Februar: Kiew - Vor dem am Freitag stattfindenden EU-Ukraine-Gipfel ist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kiew angekommen. Bereits am Donnerstag zum Auftakt ihres zweitägigen Besuchs in Kiew sagte sie weitere umfangreiche Unterstützung im Kampf gegen Russland zu: „Unsere heutige Anwesenheit in Kiew ist ein sehr deutliches Signal: Die gesamte Europäische Union ist langfristig an der Seite der Ukraine“, sagte die deutsche Politikerin an der Seite von Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Die Ukraine sei zum Mittelpunkt Europas geworden. „Zum Ort, an dem unsere Werte hochgehalten werden, wo unsere Freiheit verteidigt wird und wo die Zukunft Europas geschrieben wird.“
Für die frühere Verteidigungsministerin ist es die vierte Reise seit Kriegsbeginn in das Land, das ungeduldig in die EU strebt. Erstmals wurde sie dabei von 15 EU-Kommissarinnen und -Kommissaren begleitet. Höhepunkt der Reise soll ein EU-Ukraine-Gipfel an diesem Freitag werden. Zu ihm wird auch EU-Ratspräsident Charles Michel erwartet, nicht aber die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten. Es ist das erste Gipfeltreffen dieser Art in einem Land mitten in einem Krieg.
EU-Ukraine-Gipfel in Kiew: Von der Leyen kündigt weitere Hilfe für Ukraine an
Bereits am Donnerstag kündigten von der Leyen und ihre Team weitere finanzielle, militärische und humanitäre Hilfen für die Ukraine an. So sollen etwa 150 Millionen Euro für den Wiederaufbau der von Russland zerstörten Energie-Infrastruktur bereitgestellt werden. Zudem wird die EU 2400 Stromgeneratoren zur Verfügung stellen - zusätzlich zu den 3000, die seit Beginn des Ukraine-Krieges geliefert wurden. Bis zum Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar soll von der Leyen zufolge ein neues Paket mit Russland-Sanktionen beschlossen werden. Es wäre bereits das Zehnte.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kündigte darüber hinaus offiziell die Ausweitung der europäischen Ausbildungsmission für ukrainische Streitkräfte an. Diese soll zusätzliche 15.000 ukrainische Soldaten trainieren und die Gesamtzahl damit auf 30.000 erhöhen. Borrell zufolge soll die EU-Mission auch die Besatzung von Kampfpanzern ausbilden. Dies soll dafür sorgen, dass die Ukrainer die Leopard-2-Panzer effektiv nutzen können, die Länder wie Deutschland zur Verfügung stellen wollen. Zudem will die EU 25 Millionen Euro für die Minenräumung in zurückeroberten Gebieten bereitstellen.
EU-Ukraine-Gipfel: Selenskyj wirbt vorab um Unterstützung für sein Land
Selenskyj warb für weitere Unterstützung, um den Krieg gegen Russland zu gewinnen. „Jetzt ist offensichtlich, dass man den Traum von einem friedlichen Europa nur zusammen mit der Ukraine verwirklichen kann und nur, indem man Russland besiegt“, sagte der 45-Jährige. „Die Ukraine verteidigt auf dem Schlachtfeld gerade die Werte, derentwegen sich Europa vereinigt hat und vereinigt.“
Der Beitritt zur EU ist deshalb aber noch lange kein Selbstläufer - auch wenn Ministerpräsident Denys Schmyhal zuletzt mehrfach gesagt hat, die Ukraine könne es in den kommenden zwei Jahren schaffen. Nachdem die Ukraine im vergangenen Sommer zum Beitrittskandidaten wurde, haben aber tatsächlich noch nicht einmal die Verhandlungen über einen Beitritt begonnen. Diesen Schritt hatte die EU damals daran geknüpft, dass die Ukraine sieben Voraussetzungen erfüllt.
Video: Von der Leyen in Kiew: erstmals mit EU-Kommission
Dabei geht es etwa um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung - insbesondere auf hoher Ebene. Die EU fordert zudem, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird. Von der Leyen ging auf diese Hürden am Donnerstag nur am Rande ein und lobte stattdessen den „beeindruckenden Fortschritt“ des Landes. Ihre Behörde will nach dem Sommer einen ausführlichen Bericht zu den Reformfortschritten der Ukraine vorlegen.
Neben von der Leyen und Borrell waren unter anderem die Vizepräsidentinnen und -präsidenten Margrethe Vestager, Valdis Dombrovskis, Vera Jourova und Margaritis Schinas Teil der EU-Delegation in Kiew. Für Notfälle in Brüssel ist unter anderem Vizepräsident Frans Timmermans geblieben. Er ist die Nummer Zwei der EU-Kommission und würde im Fall eines Ausfalls von Präsidentin von der Leyen - etwa infolge eines russischen Angriffs auf Kiew - interimsmäßig ihre Aufgaben übernehmen. (dpa/fmü)