Alles blickt auf von der Leyen: Wiederwahl als EU-Kommissionspräsidentin bahnt sich an

Wer führt Europas Volksparteien in die nächste Wahl? Namen kursieren einige, doch die entscheidende Frage ist offen: Was macht Ursula von der Leyen?
München – Manche Wunden verheilen schlecht. Wenn Manfred Weber heute über Emmanuel Macron spricht, den französischen Präsidenten, klingt er nicht viel freundlicher als 2019 – als er allen Grund hatte, seinem Ärger freie Bahn zu lassen. Damals zog CSU-Mann Weber als Spitzenkandidat der Europäischen Volksparteien (EVP) in die Europawahl, doch obwohl seine Parteiengruppe gewann, blieb der Posten des Kommissionspräsidenten unerreichbar.
Das lag vor allem an Macron und dessen fehlendem Vertrauen in die Führungsqualitäten Webers. Macrons Taktieren, das am Ende die Kompromisskandidatin Ursula von der Leyen hervorbrachte, nannte der Niederbayer später eine „Attacke auf das demokratische Europa“.
EU-Kommission: Manfred Weber schließt Kandidatur aus
Mehr als drei Jahre später ist der Groll bei Weber, der kürzlich auch viel Wirbel mit einem Besuch bei Giorgia Meloni in Italien ausgelöst hat, noch immer groß. Die angestrebte Reform des Wahlrechts, die Spitzenkandidaten einen direkteren Zugriff auf den Top-Job in der EU-Kommission ermöglichen soll, ist ins Stocken geraten. „Auch weil Macron wieder blockiert hat“, wie Weber in der Morgenpost erinnert.
Noch sind es gut 15 Monate bis zur nächsten Europawahl und immerhin ein Jahr bis zur Kandidatenkür der EVP, doch die ersten Personaldebatten setzen bereits ein. Und damit das große Taktieren. Wer zu früh aus der Deckung kommt, tut sich selten einen Gefallen. Vieles ist deshalb aktuell denkbar, eines allerdings kann Manfred Weber ausschließen: dass er selbst noch einmal antritt. Seine Aufgabe sei es, „die EVP zu führen und den Auswahlprozess zu moderieren“.
Dessen Verlauf hängt nicht zuletzt davon ab, ob Ursula von der Leyen weitere fünf Jahre an der Spitze der Behörde anstrebt. Die verriet jetzt im Deutschlandfunk aber lediglich, dass es ihr für solche Ansagen noch zu früh sei: „Ich habe drei Jahre Mandat hinter mir, zwei Jahre noch vor mir, und habe noch keine Entscheidung getroffen.“ Derzeit ist die CDU-Frau vor allem bei der Bewältigung der Energiekrise gefordert.
Ursula von der Leyen: EU-Kommissionspräsidentin könnte zur Wiederwahl antreten
Viele Faktoren kommen da zusammen. In der EVP hat die Präsidentin nicht nur glühende Fans, manchem Abgeordneten war ihre Politik in den vergangenen Jahren zu grün. Massiven Widerstand muss sie aber nach jetzigem Stand wohl auch nicht fürchten. Ähnlich unscharf ist das Stimmungsbild im Rat der Staats- und Regierungschefs. Es gibt Zustimmung, aber auch Skepsis, beides in überschaubarer Ausprägung.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wiederum ist ein Vorschlagsrecht der Grünen für einen künftigen EU-Kommissar festgeschrieben mit dem Vorbehalt: „Sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt.“ Bislang gilt die Zusammenarbeit als solide, speziell die Grünen haben sich in der Vergangenheit bemerkenswert wohlwollend über die konservative Kollegin geäußert.
Sollte von der Leyen für fünf weitere Jahre antreten, werde die EVP sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nominieren, ist im Hintergrund zu hören. Als mögliche Nachfolger fallen Namen von derzeit noch amtierenden Ministerpräsidenten wie Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) oder Andrej Plenkovic (Kroatien).
Alternative zu von der Leyen: Roberta Metsola muss Korruptionsaffäre bewältigen
Eine denkbare und aufgrund ihrer Position naheliegende Alternative wäre wohl Roberta Metsola, die Präsidentin des EU-Parlaments. Weber nennt sie und von der Leyen „hervorragende Spitzenkandidatinnen“. Allerdings muss die Malteserin gerade eine Korruptionsaffäre bewältigen, die nach schnellen, straffen Reformen verlangt und unter anderem eine ihrer Stellvertreterinnen erfasst hat. Zudem hat sich Metsola zwar in Brüssel profiliert, besitzt aber keinerlei Regierungserfahrung. Das wird im Rat der Staats- und Regierungschefs gerne als Ausschlusskriterium verwendet. Erfahren musste das im Sommer 2019 nicht zuletzt Manfred Weber.