Euro-Politik: ifo-Chef Sinn stützt Merkel

München - Der Chef des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, rechnet trotz der Schwierigkeiten der europäischen Gemeinschaftswährung mit dem Überleben des Euro.
"Ich halte das für den deutlich wahrscheinlicheren Fall", sagte Sinn in einem Interview für den Münchner Merkur. Allerdings könne es sein, dass Griechenland und Portugal aus dem gemeinsamen Währungsraum ausscheiden müssten. Zehn Jahre nach Einführung des Euro zog Volkswirtschaftsprofessor Sinn eine ernüchterte Bilanz: "Das Euro-Experiment ist ziemlich schiefgegangen. Die Befürchtungen, die die Euro-Gegner – zu denen ich nicht gehörte - hatten, haben sich in einer Schärfe und Intensität bewahrheitet, die ich nicht für möglich gehalten hätte." Allerdings trat der ifo-Chef Befürchtungen der Bürger entgegen, der Euro könne rasch stark an Wert verlieren: "Unser Geld ist vorläufig sicher. Falls der Euro zerbricht, was man ja nicht mehr ausschließen kann, würde die D-Mark tendenziell aufgewertet - also im Vergleich zu anderen Währungen wertvoller."
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Wer dann ein Konto in Deutschland hat, könnte auf einen Aufwertungsprofit hoffen. Auch mit Anlagen in Immobilien und Aktien sei man währungstechnisch "auf der sicheren Seite", so der Ökonom. Rückendeckung gab Sinn der Euro-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Es gibt heute so viele Szenarien: Das erste ist, dass der Euro zerbricht. Das zweite ist, dass man Eurobonds einführt und dass sich die Länder der Peripherie weiter munter verschulden, wie in der Zeit vor der Krise auch schon. Das dritte Szenario ist ein Durchwurschteln à la Frau Merkel. Das halte ich für die richtige Strategie. Ich würde das Portemonnaie nur noch etwas stärker geschlossen halten als sie." Unterm Strich hält der Chef des ifo-Instituts die Deutschen nicht für die Gewinner der Euro-Einführung. Entsprechende Darstellungen seien falsch: "Wir hätten ohne den Euro vielleicht weniger Exporte gehabt. Es hätte dafür aber eine viel stärkere binnenwirtschaftliche Nachfrage gegeben, weil ein Teil des Geldes, das mit dem Euro ins Ausland floss, in Deutschland investiert worden wäre. Das hätte zu mehr Wachstum und zu Lohnsteigerungen geführt. Auch hätten wir die Massenarbeitslosigkeit des letzten Jahrzehnts teilweise vermeiden können. Es wäre uns besser gegangen."
Während also deutsche Arbeitnehmer unter der euro-bedingten Wachstumsschwäche gelitten hätten, hätten Vermögende zwar höhere Euro-Zinsen kassiert, einen Teil dieser Extrarenditen durch Kursabschläge auf Peripherie-Anleihen wieder verloren. "Insofern haben sowohl die Arbeitnehmer als auch die Vermögensbesitzer gleichermaßen unter dem Euro gelitten."
Sinn räumte ein, auch zehn Jahre nach Einführung des Euro noch immer in D-Mark zu rechnen: "Insbesondere, wenn ich meiner Frau klar machen möchte, dass ein Betrag groß ist."
mm