„Putins Ende hat schon begonnen“: US-Historiker sieht Russland „bald auseinanderfallen“
Der russische Präsident Wladimir Putin könnte sich auf dünnem Eis bewegen. Das meint zumindest der US-Historiker Harold James: „Wahrscheinlich ist Putin bald weg“.
Princeton – Der eskalierte Ukraine-Konflikt sorgt in der Ukraine, in Europa und nicht zuletzt in Russland für Destabilisierung. Das meint Harold James, Historiker und Professor an der renommierten Princetion University, in einem Interview bei t-online. Der Wissenschaftler macht darauf aufmerksam, dass in Deutschland und anderen westlichen Ländern die Stabilität von Putins Russland überschätzt werde. Dies könnte daran liegen, dass sich die europäischen Länder selbst mit großen Krisen konfrontiert sehen. Viele Länder befinden sich unter anderem durch die Corona-Pandemie, steigende Inflation und Energieknappheit bereits seit mehreren Jahren im Krisenmodus.

Ukraine-Krieg: „Auch Putins Ende hat schon begonnen“
James beschreibt den russischen Angriffskrieg als getrieben von „einem Gefühl der Demütigung und der Schwäche“. Wladimir Putin habe das Ende der Sowjetunion noch immer nicht überwunden. Um den Krieg zu rechtfertigen, bediene sich aber „an der Geschichte wie in einem Selbstbedienungsladen“. Dabei spielt der Professor wohl auf die etlichen Gründen an, die der Kreml seiner selbsternannten „Spezialoperation“ vorgeschoben hat. Russland zufolge wollte man die Ukraine entnazifizieren. Ein weiterer Vorwand für die Invasion lautete, dass die Ukraine, genauso wie viele andere ehemalige Sowjetstaaten, ohnehin Teil von der „russischen Welt“ sei.
Doch der Experte ist sich in einem Punkt sicher, den Putin seiner Ansicht nach noch nicht verstanden hat: „Imperialismen scheitern immer. Manchmal dauert es längere Zeit, aber sie scheitern. Auch Putins Ende hat schon begonnen“, sagt der Professor bei t-online.
Ukraine-Krieg: Russland „viel instabiler, als viele im Westen glauben“
Die gegenwärtige Lage des Krieges liefe James zufolge keineswegs vorteilhaft für Russland. Es gäbe mehrere Gründe, die an Putins gefestigten Position in Russland zweifeln ließen. Zum einen liefe die Teilmobilmachung Putins nicht so, wie er sich es vorgestellt habe. Zudem seien die Scheinreferenden in der Ostukraine nicht glaubwürdig. Des Weiteren gebe es eine nennenswerte Fraktion in Russland, die den Präsidenten kritisiert, weil er nicht brutal genug vorginge: „Die politische Lage in Russland ist viel instabiler, als viele im Westen glauben. Es ist gut möglich, dass Russland bald auseinanderfällt.“
James mahnt jedoch an: Sollte Putin tatsächlich gestürzt werden, würden es wohl extreme Nationalisten sein, die die Macht übernehmen werden. Eine weitere Alternative sieht der Wissenschaftler in einem Militärputsch.
Ukraine-Krieg: „Wahrscheinlich ist Putin bald weg“
Als das führt James zu der Vermutung: „Wahrscheinlich ist Putin bald weg“. Doch dies sei nicht unbedingt ein wünschenswertes Szenario. Der Experte hält nämlich fest: Ein demokratischer Übergang von Putins Regierung zu einer Folgeregierung ist äußert unwahrscheinlich. Deutlich realistischer sei eine Form von Putsch, durchgeführt durch Extremisten. Ebenjene Gruppierungen würden der Ansicht des Historikers nach eher Massenvernichtungswaffen, wie Atomwaffen, verwenden. Dabei handle es nicht um einen „erfolgversprechenden Weg“.
Ukraine-Krieg: Putin könnte im Machtkampf mit zwei Bekannten enden
Auch der US-Historiker Timothy Snyder hält einen Machtkampf in Russland für wahrscheinlich. Er prognostiziert „eine konventionelle Niederlage Russlands in der Ukraine, die in einen russischen Machtkampf übergeht, der einen russischen Rückzug aus der Ukraine erfordert. Historisch gesehen ist dies eine sehr bekannte Kette von Ereignissen“.
Snyder geht zudem davon aus, dass Putin sich mit zwei Bekannten in einem Machtkampf gegenüber sehen könnte. Zum einen geht es um Ramsan Kadyrow, dem Machthaber der russischen Region Tschetschenien. Zum anderen geht es um den Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Beide hatten Putin dafür kritisiert, nicht hart genug in der Ukraine vorzugehen. (lp)