Ex-Merkel-Berater sieht Putin bald unwiderruflich im Vorteil - „Brauchen dann nicht mehr zu verhandeln“
Im Ukraine-Krieg sind Putins Truppen laut Ex-Merkel-Berater Erich Vad im Vorteil. Er fürchtet schon bald ein mögliches Aus für Verhandlungschancen.
München — Im Ukraine-Konflikt konzentrieren sich die Truppen Wladimir Putins nun auf die ostukrainische Region Donezk. Nach der Eroberung von Luhansk will Russland auch das benachbarte Gebiet schnell einnehmen. Für den Kreml wäre es der nächste kritische Meilenstein der Invasion. Diese Karte zeigt, wo der Ukraine-Krieg wütet.
Indes will die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete im Süden des Landes, insbesondere Cherson, mit einer Gegenoffensive befreien. Ex-Berater der Altkanzlerin Angela Merkel und Brigadegeneral a.D. Erich Vad sieht allerdings nur begrenzte Chancen für einen ukrainischen Erfolg. In einem Interview hat er auf den militärischen Vorteil der russischen Armee aufmerksam gemacht – und sogar vor einem Ende der Verhandlungsmöglichkeiten gewarnt.

Ukraine-News: Vorteil der russischen Armee - dennoch begrenzte ukrainische Erfolge im Süden
Vad sieht die russische Armee mittlerweile logistisch klar im Vorteil. Zwar würden die ukrainischen Streitkräfte mit westlichen Waffen wie Panzer- und Flugabwehrraketen „tapfer“ kämpfen, allerdings habe Russland die „Eskalationsdominanz“, erklärte er im Interview mit dem Magazin Stern: „Sie können beliebig viele Soldaten, Kampfpanzer, Schützenpanzer, Flugzeuge nachschieben. Sie haben ihre logistische Basis direkt hinter sich, im Hinterland.“ Ein solches Privileg genieße die Ukraine nicht. Zudem habe Russland die „Luftherrschaft im gesamten Raum“. All das mache das militärische Operieren für die ukrainische Seite zur Herausforderung, so Vad.
Dennoch spricht Kiew von einer Armee von einer Million Mann, die die russischen Truppen mit einem Gegenangriff aus der Südukraine vertreiben und das Gebiet zurückerobern soll. In Cherson gab es bereits erste Angriffe auf russische Einheiten und Versuche zum Vorstoß. Das bestätigte auch Vad. „Die Ukrainer machen schon regional begrenzte, auch erfolgreiche Gegenoffensiven“, sagte er dem Stern. An der Südküste seien russische Truppen immerhin nicht optimal aufgestellt, da ihr Fokus derzeit im Donbass liege.
Laut Vad ist die angekündigte Großoffensive mit der Millionen-Armee aber nicht Realität. Er sieht eine etwas andere militärische Lage. Der Brigadegeneral a.D. hatte Mitte April auch schon vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt - er sprach damals vom „Weg in den Dritten Weltkrieg“.
Ukraine-News: Ex-Merkel-Berater Vad sieht „letzte Chance für Verhandlungen“ und „große Gefahr“
„Die Russen kontrollieren ja weitgehend die Schwarzmeerküste auch“, betonte Vad und verwies auf russische Seeblockaden um Odessa. Der ehemalige Brigadegeneral stellte eine mögliche „operative Pause“ von russischer Seite in Aussicht, „um umzugruppieren, neue Kräfte nachzuführen“. Mit Blick auf diese mögliche Pause warnte Vad vor einem endgültigen Ende der Verhandlungen. Seiner Einschätzung nach können diplomatische Verhandlungen für Moskau bald überflüssig werden.
Die Pause sei „die letzte Chance auch für mögliche Verhandlungen mit Russland“, unterstrich er gegenüber Stern und fügte hinzu: „Wenn wir die verstreichen lassen und es sieht fast danach aus, dann werden die Russen da auch keine Rücksicht mehr drauf nehmen.“ Denn nach dieser Pause könnten Putins Truppen bis zum Dnieper vorstoßen, womöglich auch Odessa besetzen und die gesamte Schwarzmeerküste kontrollieren, erklärte Vad weiter. Die Folge laut dem Ex-Brigadegeneral: „Dann haben sie ihre Ziele auf militärischem Wege erreicht und dann brauchen sie auch nicht mehr zu verhandeln.“ Russland werde sich die gesamte Region einverleiben. Vad sprach an dieser Stelle von einer „großen Gefahr“.
Ukraine-News: Vad rät Ukraine Wechsel zum „Guerilla-Modus“ und warnt vor Nukleareskalation
Was kann die Ukraine nun gegen diese Gefahr unternehmen? Vad nannte einen „Kampf für Zeitgewinn“. Um ihre Ausgangsbasis für Verhandlungen zu verbessern, müsse die Ukraine den Krieg in die Länge ziehen - „auch Monate und vielleicht Jahre mithilfe von westlichen Waffen“. Nur so und mit einem Partisanen-Krieg habe Kiew militärisch eine Chance.
Der Ex-Merkel-Berater betonte besonders den Wechsel in einen „Guerilla-Modus“ und zog Vergleiche zu den Kriegen in Afghanistan und Vietnam, um den Erfolg dieser Strategie hervorzuheben: „Da haben sie sicherlich eine Chance.“ Das Ganze hätte Vad zufolge allerdings auch einen bestimmten Preis. „Das wünschte ich der Ukraine nicht“, sagte er: „Sie wäre am Ende verwüstet.“ Darüber hinaus bestehe auch enormes Risiko einer nuklearen Eskalation, weshalb man aus europäischer Sicht Verhandlungen anstreben müsse. „Auch wenn das im Moment wirklich nicht gut aussieht“, räumte Vad ein. (bb)