Fall Amri: Kripo in NRW hielt Anschlag für wahrscheinlich

Terrorexperten in Nordrhein-Westfalen und Berlin haben die Gefährlichkeit des späteren islamistischen Attentäters Anis Amri in den Monaten vor dem Anschlag sehr unterschiedlich eingestuft.
Berlin - So stellte es ein hochrangiger Zeuge vom Landeskriminalamt NRW am Freitag im Berliner Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag dar. In NRW sei Amri lange vor dem Anschlag als sehr gefährlich eingeschätzt worden. Die Berliner Kripo habe ihn hingegen Anfang 2016 für weniger gefährlich und einen Anschlag in Deutschland für nicht wahrscheinlich gehalten.
Der Zeuge war Leiter einer Ermittlungskommission der Kripo, die sich mit einem islamistischen Netzwerk befasste. Er sagte, in Besprechungen Mitte Februar 2016, an denen die Landeskriminalämter NRW und Berlin und das Bundeskriminalamt beteiligt waren, hätten er und seine Kollegen betont, dass Amris Entwicklung, seine Bewegungen, seine Ansprechpartner und seine Chats darauf hinwiesen, dass er einen Anschlag in Deutschland plane; und zwar vermutlich in Berlin. Die Terrorexperten vom Berliner LKA hätten aber eher angenommen, der Tunesier plane einen Anschlag in arabischen Ländern.
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Zeit für Auswertung von Amri-Chatverlauf zu knapp
Im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum sei Amri auf die Gefährlichkeitsstufe 5 von 8 gesetzt worden, sagte der Terrorexperte. Er räumte aber auch ein, die Auswertung von abgehörten Chats von Amri mit Tausenden Nachrichten auf arabisch sei den Kollegen in Berlin erst einen Tag vor dieser Beratung zugegangen. Das sei möglicherweise zu knapp gewesen.
Bei dem Terroranschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche starben am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Amri, der sich unter verschiedenen Identitäten als Asylbewerber in mehreren Bundesländern aufgehalten hatte, wurde nach dem Anschlag auf der Flucht von italienischen Polizisten erschossen.
dpa