Martin Hagen: Die Bürger erwarten zu Recht, dass die Politik parteitaktische Spielchen unterlässt und die Lage in den Griff bekommt. Sowohl im Bund als auch in Bayern amtiert aktuell eine unionsgeführte Regierung. Die Ampel-Parteien haben trotzdem schon vor der Regierungsübernahme Verantwortung übernommen und ein neues Infektionsschutzgesetz vorgelegt.
Was ist konkret zu tun?
Hagen: Wir brauchen keinen Corona-Zentralismus mit bundesweit einheitlichen Maßnahmen, wie Markus Söder es fordert, sondern einen Instrumentenkasten, aus dem sich die Bundesländer abhängig von der jeweiligen Situation bedienen können. Den haben die Ampel-Parteien jetzt geschaffen. Wenn in Bayern die Kliniken vor der Überlastung stehen, muss auch in Bayern gehandelt werden.
Und wie?
Hagen: Zum Beispiel durch eine Testpflicht in Altenheimen oder die Wiedereinführung kostenloser Corona-Tests. Mit der 3G-Regel am Arbeitsplatz schafft die Ampel Schutzmechanismen für den Bereich, der bisher weitgehend unreguliert war. Vieles andere war aber auch bisher schon möglich – Markus Söder hätte es nur anwenden müssen.
Hat er ja auch – zum Beispiel 2G in der Gastronomie. Sie haben das jedoch kritisiert . . .
Hagen: Ich bin deshalb skeptisch, weil ich es besser fände, Ungeimpfte vor dem Restaurantbesuch zu testen, als sie ungetestet in den privaten Bereich zu drängen – also zum Abendessen mit Freunden in den eigenen vier Wänden, wo ja auch Infektionen stattfinden können.
Ist die Absage von Christkindlmärkten richtig?
Hagen: Experten sagen, dass das Infektionsrisiko an der frischen Luft eher gering ist. Deshalb wären Christkindlmärkte mit Hygienekonzepten vertretbar. Auch hier gilt: Besser die Leute treffen sich im Freien als zu Hause zum privaten Glühwein-Umtrunk.
Ganz logisch ist das alles nicht: Christkindlmärkte werden abgesagt, aber die Bundesliga soll weiter vor vollen Stadien spielen.
Hagen: Stimmt. Wieder mal so ein Fall, der die Bürger an der Logik der Corona-Politik zweifeln lässt. Ich finde aber, dass auch der Besuch von Fußballspielen unter den geltenden Regeln – 2G und Maskenpflicht – vertretbar ist. Im Stadion ist man ja auch an der frischen Luft.
Nur müssen die Menschen in den vollen U-Bahnen zum Stadion fahren.
Hagen: Auch in der U-Bahn gilt Maskenpflicht. Zudem führt die Ampel jetzt 3G im ÖPNV ein.
Es scheint, als finde ein Umdenken in der FDP statt. Zuletzt klang sie eher wie die Schutzpatronin der Ungeimpften.
Hagen: Nein, wir haben immer zum Impfen aufgerufen. Und wir haben immer gesagt: Die Situation in den Klinken ist das entscheidende Kriterium. Nun droht dort eine Überlastung, zumindest regional, drum brauchen wir leider wieder schärfere Regeln. Aber wir achten dabei auf Verhältnismäßigkeit.
Olaf Scholz ist derzeit kaum präsent – die Union sagt: Er duckt sich weg.
Hagen: Die Bundesregierung wird immer noch von Angela Merkel geführt. Und die Regierung in Bayern von Markus Söder. Dessen Fingerzeig auf Scholz soll wohl von eigenen Versäumnissen ablenken.
Was hat Söder falsch gemacht?
Hagen: Die Auffrischungsimpfungen wurden verbummelt. In Bayerns Altenheimen ist noch ein Drittel ohne Booster. Aber wir sollten nicht zurückschauen, sondern gemeinsam die Probleme lösen – auf allen politischen Ebenen. Unsere Fraktion bekommt übrigens nächste Woche vom Kollegen Dominik Spitzer, der ja nicht nur Abgeordneter, sondern auch Arzt ist, die dritte Impfung. Es bleibt dabei: Impfen ist der beste Schutz vor Corona.
Interview: Mike Schier