Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die Ankunft der Flüchtlingskinder als einen Anfang. Sie sind die zweite Gruppe von Minderjährigen, die aus den Lagern geholt wurden. Bereits am Mittwoch waren zwölf Jugendliche von Luxemburg aufgenommen worden.
Erstmeldung vom 16. April 2020:
Athen/Osnabrück - Das Coronavirus bestimmt aktuell Weltenlauf und Nachrichten - doch auch in der Viruskrise bleibt die Lage an der türkisch-griechischen Grenze angespannt.
Griechenland richtet sich aktuell auf einen neuen Zustrom von Geflüchteten aus der Türkei ein. Deutschland nimmt unterdessen erste Kinder aus den überlasteten griechischen Lagern auf.
Sorge bereiten der griechischen Regierung offenbar Berichte, die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan bringe Migranten aus dem Landesinneren an die Küste. Menschen würden versuchen, per Boot die Inseln Lesbos, Chios und Samos zu erreichen, sagte Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos laut einem Bericht der Deutschen Welle (DW) dem Sender Skai. Erdogans Corona-Krisenmanagement war zuletzt heftig in die Kritik geraten.
Griechenland will sich angesichts dieser Gerüchte offenbar massiv abschotten: Die Sicherheitskräfte hätten deshalb einen klaren Befehl, sagte der Minister weiter: Illegale Einreisen müssten verhindert werden. Die große Tageszeitung Kathimerini berichtete laut DW gar von „schwimmenden Mauern“, die im Meer errichtet werden sollen. Panagiotopoulos forderte dem Blatt zufolge auch mehr Unterstützung von der Nato ein.
Auch die Welt hatte bereits am Montag berichtet, „tausende Migranten“ seien auf dem Weg Richtung Griechenland. Eine syrische Mutter erzählte, Geflüchtete seien zwangsweise aus einem Internierungslager in der Osttürkei per Bus nach Izmir an die Ägais-Küste gebracht worden. Die Türkei sei dabei, „eine zweite Flüchtlingskrise zu inszenieren“, lautete die Folgerung des Blattes.
Für die stark überbelegten griechischen Lager gibt es derweil minimale Entlastung: In Deutschland sollen am Samstag die ersten Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern ankommen. Sie sollen einem Bericht zufolge zunächst im Landkreis Osnabrück untergebracht werden. Der Landkreis bestätigte der Neuen Osnabrücker Zeitung die Aufnahme der Kinder, nannte aber nicht den genauen Ort ihrer Unterbringung. Medizinische und psychologische Betreuung seien sichergestellt.
Landrätin Anna Kebschull (Grüne) sagte der Zeitung, die Kinder hätten viele Monate lang „in erbärmlichen und katastrophalen Zuständen“ leben müssen. Ihre Eltern hätten sie zum Teil im Krieg oder auf der Flucht verloren. Die Kinder sollten nun besonders geschützt werden - auch vor dem Interesse der Öffentlichkeit.
Der deutsche Seenotretter Dariush Beigui berichtet nun ebenfalls von den griechischen Inseln. Seine Schilderungen machen betroffen, er befürchtet ein „Massengrab“ auf Moria.
Ende der Woche werden voraussichtlich 58 Kinder in Deutschland eintreffen, wie das Bundesinnenministerium am Mittwoch mitgeteilt hatte. Sie sollen demnach zunächst in Niedersachsen 14 Tage in Quarantäne verbringen und dann auf verschiedene Bundesländer verteilt werden.
Die Flüchtlinge landen dem Zeitungsbericht zufolge am Samstag auf dem Flughafen Hannover. Sie seien überwiegend jünger als 14 und stammten aus verschiedenen Kriegsgebieten im Mittleren Osten und in Afrika.
Griechenland denkt unterdessen auch schon daran, angesichts der Corona-Pandemie Flüchtlingslager auf den Inseln zu evakuieren. Nach Informationen des Spiegel könnten Covid-Patienten und Verdachtsfälle aufs Festland gebracht werden - und möglicherweise auf Schiffen und in Sportstadien unterkommen. Ältere und besonders gefährdete Lagerbewohner sollen offenbar schon jetzt in Hotels, Wohnungen und Lagern auf dem Festland einquartiert werden.
Bislang sind in den Lagern auf den Inseln keine Corona-Infektionen registriert worden. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis dieser Fall eintrete, sagte der Leiter der Zweigstelle der Hilfsorganisation Ärzte der Welt auf der Insel Lesbos, Dimitris Patestos, der Deutschen Presse-Agentur.
Seit Jahren kritisieren Hilfsorganisationen, Politiker und Inselbewohner die Lage im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Nun ist das Lager vom Feuer zerstört - und 12.000 Migranten über Nacht obdachlos*.
In Bayern herrscht ab 27. April eine Maskenpflicht wegen der Corona-Pandemie - wir erklären die Hintergründe. *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes
fn/AFP