Coup in Rheinland-Pfalz: Aiwanger hofft auf den großen Durchbruch - und verpasst Söder Seitenhieb
Die aktuellen Prognosen bestärken die Hoffnung der Freien Wähler in den Landtag einzuziehen. Bei den ersten Hochrechnungen schafft die Partei die Fünf-Prozent-Hürde.
Update vom 14. März, 21.10 Uhr: Die Ergebnisse verfestigen sich: Die Freien Wähler haben beste Chancen auf den Einzug in den Mainzer Landtag. Bundes-Parteichef Hubert Aiwanger hofft angesichts dessen sogar schon auf den ganz großen Wurf - auf den Einzug in den Bundestag im September. „Das ist eine ganz starke Leistung. Die Menschen sehen die Freien Wähler mehr und mehr als neue bodenständige, bürgerliche Partei in ganz Deutschland“, sagte Aiwanger am Sonntagabend.
Das Ziel sei ein bundesweiter Durchbruch der Freien Wähler, sagte Aiwanger - gerade in der Zeit, in der „große ehemalige Volksparteien“ mehr und mehr enttäuschten und mit Skandalen Schlagzeilen machten; ein klarer Seitenhieb auf die Union. „Wir wollen die neue liberal-konservative Kraft auch auf Bundesebene werden“, sagte Aiwanger. „Bürgerliche Koalitionen müssen wieder möglich werden.“ Deutschland müsse wieder vernünftig regiert werden anstatt immer mehr unter die ideologischen Räder zu kommen.
Die Freien Wähler treten auch zur Bundestagswahl an und hoffen dort nicht nur auf den erstmaligen Einzug ins Parlament, sondern auch gleich auf eine gemeinsamen Regierung mit Union und FDP. Bei den beiden vergangenen Bundestagswahlen waren die Freien Wähler mit je 1,0 Prozent allerdings klar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.
Freie Wähler vor großem Sprung in Rheinland-Pfalz - Prognosen sehen Partei auf Kurs Richtung Landtag
Update vom 14. März, 18.37 Uhr: Laut der 18-Uhr-Prognose von ARD und ZDF liegen die Freien Wähler aktuell bei 5,5 Prozent. Damit könnte der Partei mit Spitzenkandidat Joachim Streit der Einzug in das Mainzer Landesparlament gelingen. Die ersten Zahlen sollten jedoch mit äußerster Vorsichtig betrachtet werden, da dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie mit einem erhöhten Anteil an Briefwählern gerechnet wird. Die ersten Prognosen der Wahlergebnisse gelten deshalb als relativ unsicher.
Landtagswahl Rheinland-Pfalz: CDU veliert stark, Freie Wähler schaffen wohl Sprung ins Parlament
- SPD: 34,7%
- CDU: 26,0%
- AfD: 10,4%
- Grüne: 8,3%
- FDP: 6,3%
- Freie Wähler: 5,7%
- Linke: 2,4%
- Sonstige: 6,2%
Freie Wähler: Aiwangers Partei vor Coup - in Rheinland-Pfalz winkt ein Rekord-Ergebnis

Erstmeldung vom 14. März, 18.06 Uhr: Mainz - SPD und CDU als Rivalen um die Staatskanzlei, FDP und Grüne als potenzielle Koalitionspartner - auf diesen vier Parteien ruht der Fokus beim Urnengang in Rheinland-Pfalz. Doch kurz vor der Landtagswahl scheint es, als könne unerwartet noch ein weiterer Akteur auf die landespolitische Bühne treten: Eine sechste Fraktion. Neben den genannten und der AfD.
Denn zumindest die Meinungsforscher von infratest dimap (im Auftrag der ARD) und der Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) sehen eine weitere Partei in ihren Umfragen auf hoffnungsvollem Kurs Richtung Fünfprozent-Hürde: Die Freien Wähler. Es wäre das erste Mal, dass die Gruppierung um Parteichef und Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger in Mainz ins Parlament einzieht.
Überhaupt haben es die Freien Wähler noch nie außerhalb Bayerns in ein Landesparlament geschafft - über 3,9 Prozent in Thüringen 2009 und 3,4 Prozent in Sachsen 2019 hinaus hat es die Kleinpartei noch nie geschafft, trotz teils großer Ambitionen. Ein Rekordergebnis steht also in Aussicht. Wenngleich den Freien Wählern in Rheinland-Pfalz eine Zitterpartie blüht: Jüngste Umfragen prognostizierten ein Ergebnis zwischen drei und fünf Prozent. Und damit nicht direkt eine „gmahte Wiesn“, wie es der Landwirt Aiwanger eventuell formulieren würde.
Landtagswahl in Rheinland-Pfalz: Freie Wähler vor großem Sprung - Spitzenkandidat Streit als Unternehmer-Anwalt
Gelänge der Einzug, die Verschiebung könnte landespolitisch ernsthafte Folgen haben. Zusammen mit SPD und Grünen könnten die Freien Wähler laut einer Umfrage der ARD sogar eine Koalition bilden. Ob das für Ministerpräsidentin Malu Dreyer eine wünschenswerte Variante ist, bliebe abzuwarten - in jedem Fall könnte so der Druck auf die Rheinland-Pfalz-FDP um ihren prominentesten Vertreter Volker Wissing (übrigens nicht Spitzenkandidat seiner Partei) in Koalitionsgesprächen wachsen.
Die Gründe für den Umfrage-Erfolg sind nicht ganz klar zu benennen. Eine Rolle dürfte aber Spitzenkandidat Joachim Streit spielen. Der Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm präsentierte sich angesichts der Corona-Maßnahmen auch als Anwalt der (kleinen) Gewerbetreibenden. „Ich war selbst, bevor ich Bürgermeister und Landrat wurde, Solo-Selbständiger. Ich weiß, was das bedeutet, wenn man selbst krank ist als Solo-Selbständiger und kein Einkommen hat“, sagte er laut Deutschlandfunk etwa bei einer Veranstaltungen des Gastronomie-Verbandes Dehoga. Den Mehrheitsmacher will er nach eigenen Angaben aber eigentlich nicht spielen: „Wir Freien Wähler werden nicht das Orange an einer Ersatz-Ampel sein.“
Freie Wähler könnten in Rheinland-Pfalz Überraschung schaffen - ein Denkzettel für die CDU?
In Rheinland-Pfalz gibt es gleichwohl schon Koalitionen unter Beteiligung der Freien Wähler. Im Stadtrat von Neuwied gibt es eine „Papaya-Koalition“ aus CDU, Grünen und Freien Wählern. Womöglich läge das auch Streits Fraktion im Falle eines Wahlerfolgs näher - rein hypothetisch, den die Grünen dürften der Ampel wohl eher nicht ohne Not den Rücken kehren. Als die Partei bei der bayerischen Landtagswahl abräumte, wurde das jedenfalls auch als Denkzettel für die CSU gewertet. Als „Fleisch vom Fleische der CSU“ bezeichneten diverse Medien die neue Regierungspartei.
Möglicherweise ist die Sachlage in dem Bundesland ganz ähnlich. In den Umfragen tauchten die Freien Wähler zwar lange kaum auf. Klar ersichtlich ist aber, dass die Partei lange bei 2 bis 3 Prozent krebste - und sich erst in den letzten Wochen, mit dem kleinen Umfrage-Sturzflug der CDU, in Richtung der Fünfprozenthürde robbte.
Aiwanger - selbst hartnäckiger Werber für Wirtschafts-Lockerungen in der Krise - jedenfalls hofft darauf, dass die Wähler nun auf politische Erfahrung aus der womöglich menschennäheren Lokalpolitik setzen: „Helft einer in den Kommunen bewährte Kraft, die vor Ort seit Jahrzehnten Verantwortung übernommen hat, ins Parlament!“, twitterte er am Freitag unter dem Hashtag „#gesundermenschenverstand“. Ob das bei der Landtagswahl reicht - es bleibt abzuwarten. Weit voraus sind die Freien Wähler jedenfalls einer bundesweit etablierten Partei: Die Linke bleibt am Sonntag wohl chancenlos. (fn)