Brisante Nähe zu Katar: Fifa-Präsident Infantino wohnt jetzt in Rufweite des Emirs

Die Beziehung der Fifa zu Katar wird immer enger. Präsident Gianni Infantino zieht auf die Arabische Halbinsel. Dafür gibt es sogar von Sepp Blatter Kritik.
Doha - Zu Gast bei Freunden. So lautete das offizielle Motto der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. 16 Jahre später findet die WM in Katar statt. Wenige Monate vor dem umstrittenen Turnier quartiert sich Fifa-Präsident Gianni Infantino bei seinen Freunden ein. Der Schweizer lebt jetzt in Katar.
Fifa-Präsident Infantino zieht nach Katar: „Was zur Hölle“
Infantino tauscht das Finanzzentrum Zürich als Wohnort gegen die Wüstenmetropole Doha. Wie Recherchen der Schweizer Zeitung Blick zeigen, hat der Fifa-Präsident seinen Lebensmittelpunkt nach Katar verlegt. Er hat in der katarischen Hauptstadt ein Haus gemietet und zwei seiner Töchter im WM-Gastgeberland eingeschult. Die Fifa und Infantino selbst haben die Berichte bestätigt. Dabei stritten beide entsprechende Gerüchte zuletzt noch ab.
Infantino selbst spricht gegenüber Blick von einer „einzigartigen Gelegenheit“ und meint: „Die Vorbereitung und Durchführung der Fußball-Weltmeisterschaften in Katar sind sowohl für den Fußball und die Fifa als auch für Katar ein Projekt von herausragender Bedeutung.“ Die WM werde „in die Geschichte der Region und der Fifa eingehen“. Dafür lohnen sich „auch die größten Anstrengungen“. Der mächtige Fifa-Boss zahle nach wie vor in der Schweiz Steuern und arbeite regelmäßig in Zürich, lässt die der Fußball-Weltverband in einer Stellungnahme wissen. Mit dem Umzug nach Doha wolle Infantino schlicht mehr Zeit mit seiner Familie verbringen.
Infantinos Vorgänger, Sepp Blatter, sieht die Lage anders. „Das ist eine schlechte Entwicklung“, kommentierte der ebenfalls umstrittene Ex-Funktionär auf Twitter. „Habe ich als Fifa-Präsident auch einen Wohnortwechsel geplant? Nein! Ich würde wegen der WM nie meinen Wohnsitz wechseln.“ Englands Fußballlegende Gary Lineker meinte knapp: „Was zur Hölle?“.
WM-Vergabe nach Katar: Die Fifa will von Kritik nichts wissen
Als simpler Ortswechsel ist Infantinos neue Wohnortwahl nicht zu betrachten. Vielmehr verdeutlicht der 51-Jährige damit seine innige Nähe zu Katar. Unter keinen Umständen will Infantino das Image des WM-Gastgebers beschmutzen. Kritik? Unerwünscht. So schweigt er nach wie vor zu den - bei einer WM mittlerweile fast obligatorischen - Korruptionsvorwürfen. Es gibt Hinweise darauf, dass mindestens zwei Stimmen an Katar bei der WM-Vergabe gekauft waren. Die Fifa versucht, das Thema von sich fernzuhalten. Dabei haben die Behörden längst auch Infantino im Visier. Sonderermittler aus der Schweiz führen ein Strafverfahren gegen ihn. Wegen Unregelmäßigkeiten bei der WM-Vergabe an Katar. Es geht um Amtsmissbrauch und Begünstigung. Es gilt gleichwohl die Unschuldsvermutung.
Infantino hatte sich in der Vergangenheit immer wieder weggeduckt, wenn es um Menschenrechtsverletzungen im Emirat ging. Amnesty International kritisiert die Missstände im Land seit Jahren deutlich. Konkret: keine Presse- und Meinungsfreiheit, männliche Vormundschaft, verbotene Homosexualität - und insbesondere schlechte Arbeitsbedingungen. Sieben-Tage-Woche, schmerzhaft geringe bis gar keine Bezahlung, unmenschliche Lebensbedingungen, Tote. Berichte über die Lage der Gastarbeiter in Katar zeichnen ein erschütterndes Bild. Die Fifa schweigt zu all dem, preist Katar als „fantastischen Gastgeber“ und schwärmt von der Offenheit der katarischen Scheichs.
Katar-WM: Infantinos Nähe zu den Scheichs - Werbung durch den Fußball
Infantino pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu Tamim bin Hamad al-Thani, dem Emir von Katar. Der Machthaber des Emirats, das etwa halb so groß wie Hessen ist, steht wegen seines Führungsstils in der Kritik. Bettina Gräf vom Institut für den Nahen und Mittleren Osten an der Ludwig-Maximilian-Universität München beschrieb die politische Lage in Katar gegenüber Merkur.de zuletzt wie folgt: „Er ist Staatsoberhaupt, oberster Heerführer und hat die exekutive und legislative Macht, keine Gewaltenteilung also.“

Außerdem gibt es erhebliche Zweifel, ob Katar die versprochenen Reformen wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter in der Realität auch wirklich umsetzt. „In der Praxis ist die Implementierung der Reformmaßnahmen lückenhaft“, sagt der Hamburger Universitätsprofessor und Experte für die Golfregion Eckard Woertz unserer Redaktion. Zuletzt gab es Berichte, denen zufolge die Gastarbeiter während der WM das Land verlassen sollten. Man möchte offenbar keine negative PR.
Vielmehr verspricht sich Katar, das in den vergangenen Monaten glamouröse Imagefilme veröffentlichte, positive Werbung. Werbung durch den Fußball. Gianni Infantino wird diesem Ziel durch seinen Umzug nach Katar gewiss nicht im Wege stehen. (as)