G20-Gipfel: Merkels Symbolkraft - wie die Kanzlerin Scholz schon jetzt zu ihrem Nachfolger macht

Egal was Angela Merkel beim G20-Gipfel macht - Olaf Scholz ist immer dabei. Dabei handelt es sich um eine Geste mit großer Symbolkraft. Eine kommentierende Analyse.
Rom - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgte am Rande des G20-Treffens in Rom für große Symbolkraft. Die scheidende Regierungschefin stellte ihren wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz (SPD) direkt der internationalen Bühne vor.
G20-Gipfel: Scholz im Schlepptau - Merkel kommt mit ihrem (wahrscheinlichen) Nachfolger
Der designierte SPD-Kanzler durfte Merkel auf Schritt und Tritt begleiten. Mit US-Präsident Joe Biden gab es ein gemeinsames Treffen samt Pressefoto. Zudem nahm Merkel den SPD-Politiker zu einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit; auch sie ließen sich gemeinsam fotografieren.
Scholz ist eigentlich in seiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister in Rom. Merkel hatte ihn aber eingeladen, sie zu ihren bilateralen Treffen zu begleiten. Damit wollte die Kanzlerin nach Angaben aus ihrem Umfeld angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels in Deutschland ein Signal der Kontinuität auf internationaler Bühne setzen. Ein Signal, das offenbar ankommt.
G20-Gipfel: Internationale Medien loben „Rendezvous“ von Merkel und Scholz
„Wie Merkel mit Scholz umgeht, ist eine internationale Sensation“, titelte die Welt. Die New York Times lobte: „Eine deutsche Kumpelnummer: Merkel lädt ihren Nachfolger ein, mitzukommen.“ Die italienische Zeitung La Repubblica titelte von der „virtuellen Stabübergabe zwischen der Kanzlerin und dem voraussichtlichen Erben“. In Frankreich schrieb Le Télégramme: „Merkel unterstützt Scholz, indem sie ihn zum Rendezvous einlädt.“
Scholz wird - so die internationale Interpretation - bereits als Kanzler gesehen. Dabei ist er noch gar nicht Regierungschef. Seine SPD befindet sich mit den Grünen und der FDP inmitten der Koalitionsverhandlungen bezüglich eines Ampel-Bündnisses. Für Scholz, der sich im Wahlkampf mit der Merkel-Raute fotografieren ließ und nicht selten mit der Kanzlerin verglichen wird, steht das gemeinsame Treffen mit Merkel insgesamt für einen optimalen Start in die nahende Kanzlerschaft. Welche Macht politische Bilder in diesen Zeiten haben können, musste vor wenigen Monaten Armin Laschet erfahren - im negativen Sinne. Der Kanzlerkandidat der Union hatte in einem unpassenden Moment gelacht.
G20-Gipfel: Merkel vermittelt politische Kontinuität - und zeigt Größe
Die Bilder sind für Scholz derweil nur ein Punkt der Aktion. Dass er - und seine Vertrauten wie Staatssekretär Wolfgang Schmidt - von Merkel mitgenommen werden, kann international auch als starkes Signal für die deutsche Politik gesehen werden. Merkel vermittelt politische Kontinuität - was für internationale Partner nicht unerheblich sein sollte.
Der Deutschlandfunk bilanzierte in einem Kommentar: „Deutlicher lässt sich Kontinuität nicht demonstrieren. In Zeiten, in denen es beim Klimaschutz ebenso hakt und klemmt wie im Kampf gegen die Corona-Pandemie, bleibt Deutschland auf dem globalen Parkett ein zuverlässiger und berechenbarer Partner, auf den sich andere Staaten verlassen können. Auch nach einem Regierungswechsel.“
Dass eine jahrelange amtierende Regierungschefin oder ein Regierungschef ihrem (mutmaßlichen) Nachfolger, der obendrein noch aus einer anderen Partei kommt, derart geräuschlos das Amt zu übergeben scheint, dürfte nicht überall der Fall sein. Man erinnere sich an die Mätzchen, die Donald Trump mit seinem Nachfolger Biden getrieben hatte. Der Republikaner wollte nicht einmal das Wahlergebnis anerkennen.
Merkel, die sich nicht zur Wiederwahl gestellt hatte, geht anders mit dem - immerhin historisch schlechten - Wahlergebnis ihrer Union um. Sie zeigt gewissermaßen den Blick fürs große Ganze und die internationale Wahrnehmung Deutschlands. Das demonstriert sie unter anderem mit dem gemeinsamen Auftreten mit Scholz - insgesamt eine Geste, die international anerkennend zur Kenntnis genommen werden sollte. Und durch die Olaf Scholz quasi schon jetzt zum feststehenden Merkel-Nachfolger im Kanzleramt gemacht wird. (as)