Regierung will rasche Regelung des Frackings

Berlin - Noch vor der Wahl soll ein Gesetz für die umstrittene Gasgewinnung aus tiefen Gesteinsschichten vorgelegt werden. Doch die Bürger begehren auf, sie fürchten eine Trinkwasser-Verseuchung.
Ob sich Peter Altmaier und Philipp Rösler hier mal einigen können? Die Bundestagsfraktionen von Union und FDP fordern von Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsminister noch möglichst im Februar Vorschläge für eine bundesweite Regelung der umstrittenen Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten. Die „Schiefergaswende“ in den USA mit stark gesunkenen Energiepreisen entfaltet Druck, auch in Deutschland neue Fördertechniken grundsätzlich zuzulassen - bisher fehlt den Ländern eine klare Handhabe hierzu. Ein Sprecher Altmaiers verspricht am Wochenende „zügige Regelungsvorschläge“ zu dem Thema.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus den CDU-Politikern Joachim Pfeiffer und Marie-Luise Dött sowie den FDP-Politikern Hermann Otto Solms und Michael Kauch, hatte den beiden Ministern am 1. Februar deutliche Forderungen übermittelt. Ihr Credo: Ja zum sogenannten Fracking, aber unter Auflagen. Es soll bei jeder neuen Bohrung eine verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung geben, zudem müsse klar geregelt werden, was mit möglichen giftigen Rückflüssen passiert. Bohrungen in Wasserschutzgebieten sollen per se verboten werden. Bei bergrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Schiefergasgewinnung sei zudem das Einvernehmen der Wasserbehörden erforderlich, fordern sie.
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13 Jahre Bedarfsdeckung für Deutschland?
Das Umweltbundesamt (UBA) hatte sich 2012 sehr skeptisch gezeigt und auf die Risiken im dicht besiedelten Deutschland verwiesen. Doch die Vorkommen im Gestein werden als so groß eingeschätzt, dass Deutschland damit 13 Jahre lang seinen Gasbedarf decken könnte. Allerdings sind allein 14 Prozent der Landesfläche in Deutschland laut UBA als Trinkwasserschutzgebiete ausgewiesen, so dass die Förderung am Ende nur auf Sparflamme stattfinden könnte.
Wegen großer Bedenken haben sich besonders in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Bürgerinitiativen gegen Fracking gebildet. Sie fürchten eine Verseuchung des Trinkwassers mit giftigen Chemikalien. Auch Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Baden-Württemberg könnten als Fördergebiete infrage kommen. Die Länder verlangen, bis auf weiteres den Einsatz umweltgefährdender Stoffe beim Fracking zu verbieten. Bei dieser Fördertechnik wird mit hohem Druck unter Einsatz von Wasser, Sand und Chemikalien das Gestein so aufgebrochen, dass das Gas nach oben entweichen kann. Die AG Fracking der Koalitionsfraktionen fordert ein technisches Regelwerk mit dem Ziel einer gefahrlosen Förderung von Schiefergas.
In Deutschland wittert unter anderem der Konzern ExxonMobil ein lukratives Geschäft. Längst werden überall die Claims abgesteckt. Fracking an sich gibt es hier schon seit vielen Jahren, neu ist aber die Erschließung unkonventioneller Schiefergasvorkommen - und es gibt Sorgen um die Gefährlichkeit der neu eingesetzten Stoffe.
Fracking kann Teil der Energieversorgung sein
Doch wie realistisch ist ein Gesetz noch vor der Bundestagswahl am 22. September? SPD, Linke und Grüne sehen das Ganze kritisch und könnten einen Gesetzentwurf über den Bundesrat blockieren. Und die Debatte um die unterirdische Kohlendioxid-Verpressung (CCS) zeigt, wie schwer solche Vorhaben in Deutschland durchzusetzen sind.
Auch aus Bayern kommt großer Widerstand. Umweltminister Marcel Huber (CSU) betont: „Dabei werden grundwassergefährdende Substanzen in tiefe Gesteinsschichten eingebracht.“ Das sei zu riskant. „Solange diese Risiken bestehen, lehnt Bayern diese Technik grundsätzlich ab.“
Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch mahnt dagegen im „Spiegel“: „Wir können uns kein ideologisches Verbot leisten, weil Fracking Teil der Energieversorgung sein kann“. US-Botschafter Philipp Murphy betonte jüngst in Berlin: „Die Schiefergasrevolution in den Vereinigten Staaten kann das Bruttoinlandsprodukt bis 2020 um zusätzliche zwei bis drei Prozent wachsen lassen.“ Niedrige Energiepreise hätten zu einer Re-Industrialisierung geführt, da Hunderte Milliarden Dollar in der Chemie-, Stahl-, Aluminium-, Reifen- und Kunststoffindustrie investiert würden. Auch deutsche Konzerne sind elektrisiert von den neuen Standortvorteilen.
Doch wie hoch wird der Preis für die Umwelt sein? Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) - geschäftlich verbunden mit dem russischen Staatskonzern Gazprom - rät den Deutschen, Russland beim Erdgas lieber treu zu bleiben. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte er: „Deutschland braucht Gas. Das können Sie sich ja nicht backen.“ Aber die Vorstellung, im dicht besiedelten Mitteleuropa russisches Gas durch Fracking zu ersetzen, sei äußerst zweifelhaft. „Versuchen Sie mal, eine Bohrgenehmigung unter Osnabrück zu erhalten, um da mit Chemie zu hantieren. Das wird nicht gelingen“, meinte Schröder.
dpa