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Mister Greenwald, wie gefährlich ist Ihr Job?

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Von: Philipp Vetter

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US-Journalist Glenn Greenwald. © dpa

München - Für seinen Mut erhielt er in München jetzt den Geschwister-Scholl-Preis: Der US-Journalist Glenn Greenwald hütet die geheimen Snowden-Dokumente und berichtet darüber. Im Merkur-Interview erzählt er von diesem Job.

Als der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden die globale Überwachung des US-Geheimdienstes öffentlich machen wollte, nahm er Kontakt mit Glenn Greenwald auf. Der 47-jährige US-Journalist berichtet seitdem über den NSA-Skandal. In München wurde ihm am Montag der Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch „Die globale Überwachung“ (Droemer Knaur; 19,99 Euro) überreicht.

Sie wurden mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Sehen Sie sich auch als Teil einer Widerstandsbewegung?

Das lässt sich natürlich nicht vergleichen. Aber wenn man Widerstand so definiert, dass man auch mal extreme Schritte unternimmt, dabei Risiken in Kauf nimmt und sich gegen Ungerechtigkeiten von mächtigen Menschen wendet, bin ich davon überzeugt, dass Edward Snowden genau das getan hat. Er hat sein Leben riskiert, um uns die Informationen über den Überwachungsapparat zu übergeben.

Die Jury sagt,  Sie haben durch Ihre Arbeit Mut bewiesen. Muss man mutig sein, um über Überwachung zu berichten?

Man muss immer mutig sein, um ein guter Journalist zu sein. Der Grundgedanke von Journalismus ist, dass man die Mächtigen kontrolliert. Es liegt in der Natur der Macht, dass das riskant ist. Wir sind oft bedroht worden – von unserer eigenen Regierung. Man hat versucht, uns zu kriminalisieren, es gab physische Bedrohungen, mein Lebenspartner wurde am Flughafen London eingesperrt. Aber Ähnliches passiert vielen Journalisten auf der ganzen Welt.

Fühlen Sie sich noch immer bedroht?

Die Drohungen haben abgenommen. Es existieren allerdings immer noch Risiken, wenn man im Besitz von zehntausenden geheimen Dokumenten der mächtigsten Regierung der Welt ist. Wir werden immer noch überwacht.

Wie haben Sie gemerkt, dass Sie überwacht werden?

Ich versuche, nicht darauf zu achten, weil ich nicht paranoid werden will. Es gab aber zum Beispiel einen sehr konkreten Vorfall: Ich habe mit meinem Partner besprochen, dass ich ihm die kompletten Snowden-Dokumente schicken wollte. Keine 48 Stunden später wurde bei uns eingebrochen, und die Diebe nahmen ausschließlich seinen Laptop mit.

Wie geht es Edward Snowden heute?

Es geht ihm großartig. Als wir ihn in Hongkong zum ersten Mal getroffen haben, ging er fest davon aus, dass er früher oder später in US-Gefangenschaft landen und den Rest seines Lebens in Isolationshaft verbringen würde. Dass er jetzt frei an der Debatte teilnehmen kann, die seine Enthüllungen ausgelöst haben, empfindet er als sehr befriedigend. Seine langjährige Freundin ist zu ihm nach Moskau gezogen, er baut sich dort gerade ein normales, erfüllendes Leben auf.

Er führt wirklich ein normales Leben?

Normal ist das natürlich nicht, wenn man ein Land nicht verlassen kann, das man sich nicht selbst ausgesucht hat. Aber er führt ein normaleres Leben, als viele denken. Er geht aus, er kauft ein, bewegt sich frei, hat sich andere russische Städte angesehen.

Hoffen Sie noch, dass ihm ein westliches Land Asyl gewähren könnte?

Ganz offensichtlich wäre es richtig, so zu handeln! Es gibt Länder, die besonders von seinen Enthüllungen profitiert haben, Deutschland und Brasilien stehen ganz oben auf dieser Liste. Weil er aber zurzeit in Russland sicher ist, ist der Druck auf andere Regierungen geringer, etwas zu tun.

Hat Deutschland also eine besondere Verantwortung, Snowden Asyl zu gewähren?

Definitiv. Nicht nur Millionen Bürger haben durch Snowden erfahren, wie ihre Privatsphäre von einem fremdem Staat verletzt wird, sondern auch politische Führer dieses Landes. Das war nur möglich, weil Edward Snowden persönliche Risiken auf sich genommen hat, um die Rechte der Deutschen zu schützen. Wenn die deutsche Regierung es dann ablehnt, irgendein Risiko einzugehen, um Snowdens Rechte zu schützen, ist das unmoralisch und widerlich.

Der Bundestag hat immerhin einen Untersuchungsausschuss zum NSA-Skandal eingerichtet.

Ich glaube nicht, dass der Ausschuss jemals ernsthaft den Skandal aufarbeiten wollte. Ich wurde eingeladen, vor dem Ausschuss auszusagen. Ich habe das abgelehnt, weil die Abgeordneten nicht bereit waren, den wichtigsten Zeugen – Edward Snowden – für seine Aussage auf deutschen Boden zu lassen. Die Angst, die USA zu verärgern, war größer als das Bestreben, die Überwachung der eigenen Bürger aufzuklären. Das bedeutet für mich, dass es sich um einen rein symbolischen Akt handelt.

Edward Snowden lebt im Exil, die deutsche Regierung geht gegen Geheimnis-Verräter vor. Es ist keine gute Zeit für die sogenannten Whistleblower, oder?

Am Ende muss sich jeder fragen, worauf es im Leben ankommt. Ich glaube, dass man nur mit einem reinen Gewissen glücklich sein kann. Aber klar ist auch: Es ist gefährlicher denn je, ein Whistleblower zu sein. Die Regierungen haben gelernt, dass die Öffentlichkeit nur durch Whistleblower von Dingen erfährt, die sie lieber im Verborgenen tun wollen. Snowden hat allerdings bewiesen, dass man auch als Whistleblower noch ein annähernd normales und glückliches Leben führen kann.

Ihre ersten Berichte liegen eineinhalb Jahre zurück, die NSA spioniert noch immer, ein Reformgesetz in den USA ist gescheitert. Haben Sie genug erreicht?

Ja. Es geht nicht darum, ob ein Gesetz verabschiedet wird. Die interessantere Entwicklung ist, dass die großen Internet-Firmen wie Google und Facebook durch die Konsumenten unter Druck geraten, deren Privatsphäre besser zu schützen. Den Menschen ist heute bewusster, dass sie ihre Kommunikation verschlüsseln müssen, wenn sie sich vor der NSA schützen wollen. Die US-Regierung wird nicht einfach aufhören zu spionieren, nur weil wir darüber berichten. Es geht darum, diese Spionage zu erschweren und den Menschen Möglichkeiten an die Hand zu geben, sich zu wehren.

Sollte jeder seine Kommunikation verschlüsseln?

Ja, es ist nicht annähernd so schwierig, wie die meisten Menschen glauben. Man kann das so einrichten, dass es fast automatisch passiert. Tatsächlich sehe ich die Experten in der Pflicht, einfachere Möglichkeiten der Verschlüsselung zu entwickeln.

Ist die Berichterstattung über staatliche Überwachung Ihre Lebensaufgabe oder werden Sie sich irgendwann auch mit anderen Themen beschäftigen?

Ich habe viele Jahre über Überwachung geschrieben, bevor Edward Snowden Kontakt mit mir aufgenommen hat. Es ist ein Thema, für das ich mich immer interessieren werde. Das Material von Snowden ist ziemlich kompliziert, ich beschäftige mich jetzt seit eineinhalb Jahren damit. Und trotzdem werde ich nie alle Geschichten finden, die sich darin verstecken. Wir werden deshalb einen Datenraum in New York einrichten, wo wir die Dokumente anderen Journalisten zugänglich machen.

Wie lange werden Sie selbst sich noch mit den Dokumenten beschäftigen?

Ich komme langsam an den Punkt, an dem ich sage: Ich habe meinen Teil der Arbeit erledigt. Es wird Zeit, dass sich andere Leute mit einem unverbrauchten Blick daran machen. Wenn man in Besitz eines solchen Datenschatzes ist, fühlt man sich nicht nur der Quelle verpflichtet, sondern der ganzen Welt. Immer wenn ich mich mit etwas anderem beschäftige oder mir einen freien Tag nehme, fühle ich mich ein bisschen schuldig. Diese Last trage ich seit langem mit mir herum, ich bin jetzt bereit, sie zu teilen. Es ist Zeit loszulassen.

Das Gespräch führte Philipp Vetter.

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