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Schweden und Finnland im Nato-Dilemma: Kreml droht offen mit „Vergeltung“

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Von: Florian Naumann

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Ukraine-Konflikt: Nato oder nicht? Ann Linde und ihr finnischer Amtskollege Pekka Haavisto bei Jens Stoltenberg in Brüssel.
Ukraine-Konflikt: Nato oder nicht? Ann Linde und ihr finnischer Amtskollege Pekka Haavisto bei Jens Stoltenberg in Brüssel. © Olivier Matthys/dpa

Schweden will im Ukraine-Konflikt aufrüsten - aber eigentlich nicht in die Nato. Dann kommt eine Drohung aus dem Kreml. Eine Forscherin sieht viele offene Fragen.

Stockholm/München - Der Ukraine-Konflikt ist seit gut zwei Wochen in einen handfesten Angriffskrieg Russlands eskaliert - und die europäische Antwort changiert zwischen dem erklärten Willen zur Sanktion und Sorge vor der nuklearen Eskalation. Greifbar wurde das unter anderem am Sonntagabend im ARD-Talk „Anne Will“:

Beinahe flehentlich forderte die Autorin Katja Petrowskaja stärkere Hilfe für die Ukraine ein. Deutschland und die Nato dürften sich nicht in diesen Krieg ziehen lassen, mahnte jedoch SPD-Chef Lars Klingbeil. „Wir sind alle schon in diesem Krieg“, warnte Petrowskaja. Und Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba verwies auf drohenden weiteren Eroberungshunger Wladimir Putins.

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Doch das Ringen betrifft andere Staaten noch ein ganz Stück unmittelbarer. Schweden und Finnland etwa. Die beiden nordischen Staaten sind nicht Mitglied der Nato und fürchten gerade deshalb eine russische Aggression. Längst wird über einen Beitritt unter den Schutzschirm der Militärallianz gestritten. In Schweden teils hektisch: Die erst vor kurzem gewählte Ministerpräsidentin Magdalena Andersson sprach sich zuletzt gegen den Schritt aus. Doch nach einer Warnung aus dem Kreml sah sich ihr Außenministerium dann doch zu einer Klarstellung genötigt.

Schweden und Finnland im Ukraine-Konflikt: Regierungschefin bremst - dann kommt der Kreml

Klar ist: Wie Deutschland will auch Schweden eine „Zeitenwende“ in Sachen Militärbudget. „Schwedens Verteidigungsvermögen soll kräftig verstärkt werden“, sagte Andersson vergangene Woche. Am Donnerstag schlug ihre sozialdemokratisch-geführte Regierung vor, den Verteidigungshaushalt so schnell wie möglich auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben - das ist auch die in der Nato lange geforderte Zielmarke. 108 Milliarden schwedische Kronen jährlich, umgerechnet gut 10 Milliarden Euro, würde das kosten.

Der Zuspruch zu einer Nato-Mitgliedschaft war Umfragen zufolge auch in Schweden zuletzt stark gestiegen. Doch Regierungschefin Andersson erteilte zunächst eine Absage: Ein Antrag Stockholms würde die Lage weiter destabilisieren, warnte sie.

Dann kam der Kreml: Sergej Lawrows Außenministerium drohte Ende vergangener Woche mit „Vergeltungsmaßnahmen“, sollte Schweden der Nato beitreten. „Ernsthafte militärische und politische Konsequenzen“ drohten, erklärte Mitarbeiter Sergej Beljajev der Agentur Interfax.

Lawrows Amtskollegin Ann Linde erteilte zumindest eine klare Absage an die Einmischung - sie „bedankte“ sich in einer SMS an die schwedische Nachrichtenagentur TT mit offenbar ironischem Unterton für die Äußerung Moskaus. „Schwedens Außenpolitik wird von Schweden bestimmt. Russland hat nichts mit unseren selbstständigen Beschlüssen zu schaffen“, stellte sie klar.

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Die Entwicklung wird allerdings mit Sorge beobachtet. Auch, weil Russland zuletzt mit Militärflugzeugen den schwedischen Luftraum über der strategisch wichtigen Ostseeinsel Gotland verletzte. Der Russlandkenner Vittorio Hösle hielt zuletzt in einem Interview mit dem Münchner Merkur ein Interesse Putins an Gotland nicht für ausgeschlossen. Ein Korrespondent des öffentlich-rechtlichen Radios SR verwies darauf, dass die Äußerungen von einem Beamten im russischen Außenministerium getätigt wurden - abzuwarten bleibe, ob auch die Regierung selbst Drohungen aufnehme.

Eine vorsichtige Deutung bot der schwedische Militärstratege und Oberstleutnant Joakim Paasiviki an. Russland versuche „an wunde Punkte anderer Staaten zu rühren“, sagte er der Tageszeitung Dagens Nyheter. „Es ist deutlich, dass es in diesem Konflikt nicht nur um die Ukraine geht“, erklärte er.

Die finnische Wissenschaftlerin Hanna Smith erklärte der Webseite hbl.fi, Russland beobachte die Stimmungslage in Schweden und Finnland offenbar genau. Die Ansagen des Kreml warfen für sie jedoch Fragen auf - schließlich treibe Russland die beiden Länder mit den Drohungen im Prinzip gerade in die Arme der Nato.

Smith sah mehrere mögliche Deutungsoptionen: Womöglich wolle Russland gar Aufnahmeanträge Finnlands und Schwedens in die Nato provozieren, um etwa eine weitere Offensive in der Ukraine zu rechtfertigen. Denkbar sei aber auch, dass der Kreml tatsächlich mit allen Mitteln eine Aufnahme verhindern wolle, möglicherweise gar mit militärischer Gewalt. Nicht ausschließen wollte Smith aber auch eine wenig schmeichelhafte dritte Variante: Womöglich schieße der Kreml an allen Fronten - und wisse selbst nicht, was er wolle. (fn mit Material von dpa)

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