Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann: Berlin wird Bayern dabei unterstützen, wieder auf den Pfad der erneuerbaren Energien zurückzufinden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Habeck einen Weg finden wird, damit die CSU ihre 10-H-Regelung korrigiert.
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Hartmann: Der Kompromiss ist, dass der Ertrag der Windkraft – damit wird ja Geld verdient – künftig der Region zugutekommt: den Kommunen, aber auch den Menschen vor Ort. Zum Beispiel: Ein Teil der Rendite einer Windkraftanlage finanziert künftig das örtliche Schwimmbad. So wird Bayern zum Land der Energiegewinner.
Windkraft ist aber gerade in den Kommunen umstritten. Sie meinen, ein bisschen Geld löst das?
Hartmann: Ich würde es nicht als „ein bisschen Geld“ bezeichnen. Wenn der Betreiber fest in der Region verwurzelt ist – Bürgergenossenschaften, lokale Unternehmen etc. –, laufen auch die Debatten anders. Denken Sie an das Bürgerbegehren im Ebersberger Forst.
Wäre es nicht konfliktfreier, Bayern zum Solar-Land zu machen?
Hartmann: Das funktioniert nicht. Selbst mein sechsjähriger Sohn versteht, dass um 18 Uhr abends die Sonne untergeht, der Wind am S-Bahnhof aber auch im Dunkeln noch um die Ecke pfeift. Wir brauchen beides, weil es nur so rund um die Uhr saubere Energie gibt. Wind und Sonne ergänzen sich wunderbar. Auch Solar hat noch Potenzial: eine Pflicht auch für private Neubauten und über Parkplätzen mit mehr als 25 Stellplätzen.
Wird 10H vom Bund beerdigt oder lenkt Bayern ein?
Hartmann: Ich würde mir wünschen, dass Markus Söder vorher nachgibt. Aber wie ich ihn kenne, wird es wohl Berlin korrigieren müssen.
Hubert Aiwanger scheint gesprächsbereit. Er schlägt Windräder in den Wäldern vor. Gute Idee?
Hartmann: Das ist ein Teil der Lösung. Aber entscheidender ist eine Erkenntnis: Unser Energiesystem wird in den nächsten acht Jahren komplett umgebaut. Punkt. Das ist in Berlin beschlossen. Wir müssen uns in Bayern nun fragen: Sollen wir das Geschäft mit der sauberen Stromgewinnung wirklich anderen überlassen? Es geht um Wertschöpfung, Einnahmen und Arbeitsplätze.
Ist das der Grund, warum die bayerische Wirtschaft jetzt den Druck erhöht?
Hartmann: Auch. Die großen Unternehmen wissen ganz genau, dass sie mit mehr Windkraftanlagen in Bayern billigeren Strom bekämen. Angesichts der steigenden und immer unberechenbareren Strompreise ist das ein ganz starkes Argument. Die Wirtschaft hat eine klare Ansage gemacht, die die CSU verstehen sollte.
Müssen sich nicht auch die Grünen und ihre Klientel ehrlich machen? Gerade beim Windrad organisieren doch die Umweltschützer als erste den Protest – wegen Fledermäusen oder Vögeln.
Hartmann: Das ist falsch verstandener Naturschutz. Wir machen die Energiewende, um uns von Gas, Kohle und Atomstrom zu befreien. Nur das schafft gute Lebensbedingungen für unsere Tiere und erhält die Natur. Irgendwo müssen die Anlagen stehen – wir sprechen da von zwei Prozent der Landesfläche. Das ist mein Hauptargument.
. . . auch bei Söder?
Hartmann: Der darf seine 10-H-Regelung ja auf 98 Prozent der Fläche Bayerns beibehalten. Er muss nur einen kleinen Schritt auf die Wirtschaft zugehen. Zwei Prozent. Aber es muss schnell gehen: Es wird einen Run auf die Windkraftanlagen gehen.
Mit Ausbau der E-Mobilität wird sich der Strombedarf noch vergrößern.
Hartmann: Ich gehe davon aus, dass wir 2030 etwa 20 bis 25 Prozent mehr Strom benötigen. Vor allem in drei Jahren, wenn auch der Kohleausstieg Fahrt aufnimmt, müssen wir deshalb bei der Windkraft deutlich weiter sein.
Interview: mik/cd
Wer in Sonntagsreden die Energiewende preist, dann aber zur Forderung nach einem Ausbau der Windkraft in Bayern „nein, danke“ sagt, betreibt alles andere als verantwortungsvolle Politik. Lesen Sie hier einen Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.
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