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Habeck will Naturschutz zugunsten erneuerbarer Energien lockern - Verbände kritisieren Vorhaben stark

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Von: Bedrettin Bölükbasi

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Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, spricht bei der Sitzung des Bundesrats. Hinter ihm sitzt Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Ein Thema der Sitzung ist der Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Naturschutzregeln lockern, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. © Kay Nietfeld/dpa

Der Ampel-Wirtschaftminister Robert Habeck will Naturschutzregelungen lockern und so den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben. Naturschutzverbände lehnen dies jedoch ab.

Berlin/München - Der Klimaschutz gehört zu den wichtigsten Themen der neuen Ampel-Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Schon während den Sondierungen wurde klar: Einiges in der Koalition wird sich rund um das Klima drehen. In der endgültigen Version des Koalitionsvertrags „Mehr Fortschritt wagen“ kam dies ebenfalls zum Ausdruck.

Demnach soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen ist der starke Ausbau erneuerbarer Energien nötig. Nun will das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dies beschleunigen. Doch offenbar sieht das vom Grünen-Politiker Robert Habeck geleitete Ressort die strengen Naturschutzregeln als ein großes Hindernis hierfür und will sie ändern. Naturschutzverbände und Experten widersprechen dem Vorhaben.

Ampel-Wirtschaftsministerium will Naturschutz lockern - erneuerbare Energien sollen beschleunigt werden

Das neue Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will für einen schnelleren Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland bei der EU-Kommission eine Entschärfung von Naturschutzrichtlinien erwirken. „Sobald ein Rotmilan in einem Planungsgebiet auftaucht, kann dort im Prinzip nicht mehr gebaut werden“, sagte Staatssekretär Sven Giegold (Grüne) zuvor.

„Das muss verändert werden, denn es geht im Naturschutz ja eigentlich um den Bestand und nicht zwingend um das einzelne Tier“, betonte Giegold. Darum plädiere er bei den europäischen Richtlinien für die Umstellung von „Individuen-Schutz zum Populationsschutz“. Giegold sagte dem RND, er habe darüber auch schon mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesprochen.

Zwar rechne er mit „Ärger bei einem Teil der Naturschutzverbände“, sagte Giegold. Auch dort habe aber „bereits ein Umdenken“ eingesetzt. „Wenn wir mit dem Ausbau der Erneuerbaren vorankommen wollen, ist die Änderung im Europäischen Naturschutzrecht notwendig“, führte er an. Zum „Ärger“ mit Naturschutzorganisationen ist es tatsächlich gekommen.

Ampel-Pläne zur Lockerung von Naturschutz - Verbände kritisieren Vorhaben und Grünen-Staatssekretär

Den Aussagen von Sven Giegold widersprach unter anderem Olaf Bandt, Vorsitzender der Organisation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Das Schrauben an Gesetzen beschleunigt den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien nicht“, erklärte Bandt. Nötig seien vielmehr eine bessere Personalausstattung, Digitalisierung und verlässliche Standards sowie eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Giegolds Vorstoß helfe „weder der dringend notwendigen Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren noch dem Naturschutz“.

Ähnlich äußerte sich Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Hauptbremser auf dem Weg zum Ausbau der erneuerbaren Energien seien „vielerorts fehlende Raumplanungen und der gravierende Personalmangel in Verwaltungen“. „Diskussionen über die Änderungen im europäischen Naturschutzrecht führen hingegen in eine alte Sackgasse“, warnte er.

Vogelschutz-Expertin gegen Ampel-Naturschutzpläne - Forderung nach „endlich verbindlichen Vorgaben“

Nun schaltete sich auch die Nabu-Vogelschutz-Expertin Ute Eggers in die Debatte ein. Im Interview mit Welt kritisierte die Aussagen des Grünen-Staatssekretärs Sven Giegold. Die Behauptung, dass „sobald ein Rotmilan in einem Planungsgebiet auftaucht“, dort nicht mehr gebaut werden kann, bezeichnete Ute Eggers als „schlicht falsch“. Schließlich gebe es „verschiedene Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen, eine Art zu schützen und trotzdem Windräder errichten oder bauen zu können“, so Eggers.

„Wenn der Konflikt nicht entschärft werden kann, kann der Projektierer eine Ausnahme beantragen, Tiere besonders geschützter Arten töten zu dürfen“, erklärte die Expertin gegenüber der Welt. Dadurch dürfe sich aber die Population nicht verschlechtern. „Das heißt, die Populationsebene wird automatisch berücksichtigt. Hier gibt es derzeit rechtliche Schwierigkeiten, die die Bundesregierung vorrangig lösen sollte, bevor sie ein Aufweichen des Artenschutzes in Betracht zieht“, unterstrich sie.

Im Interview gab Eggers der Politik konkrete Ratschläge. „Es muss Klarheit darüber geben, ab wann man davon ausgehen kann und muss, dass eine Windkraftanlage für eine betroffene Art so gefährlich ist, dass das Risiko für die Tiere zu sterben, signifikant erhöht ist“, sagte die Expertin. Es müsse klar sein, ob und wann das gesetzliche Tötungsverbot zum Tragen kommt. Daneben forderte sie „endlich“ verbindliche Vorgaben. „Wichtig wäre auch, mehr Leute in den zuständigen Behörden einzustellen sowie Naturschutzverbände und die Anwohnerschaft in die Prozesse einzubeziehen“, hob sie hervor. (bb)

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