„Todesstrafe exportiert“: Laschet will nach Afghanistan abschieben - Habeck fordert andere Lösung

Ist es noch gerechtfertigt Menschen nach Afghanistan abzuschieben? Robert Habeck ist entsetzt über Armin Laschets Haltung. Für Gefährder sieht er eine andere Lösung.
Berlin/Biesenthal - Gerade erst hat sich die Bundeswehr aus Afghanistan zurückgezogen - die Taliban sind in dem kriegsgebeutelten Staat auf dem Vormarsch. Angesichts dieser Lage stellt sich für die aktuelle und die kommende Bundesregierung eine neue drängende Frage: Können Menschen im Allgemeinen und Straftäter im Speziellen in den Staat abgeschoben werden?
Grüne schießen heftig gegen Unions-Pläne: Habeck wirft Laschet und Seehofer „Export der Todesstrafe vor“
Innenminister Horst Seehofer (CSU) und nicht zuletzt Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) haben unlängst eine klare Antwort gegeben: Ja. Ausgerechnet der wahrscheinlichste Koalitionspartner der Konservativen nach der Bundestagswahl im Herbst sieht das aber ganz anders: Grünen-Chef Robert Habeck hat sich am Dienstag mit deutlichen Worten gegen die Abschiebepraxis gewandt. Er warf Seehofer und Laschet indirekt vor, „die Todesstrafe“ zu „exportieren“.
„Wir beobachten die Situation in Afghanistan sehr genau“, hatte Laschet der Bild vom Montag gesagt. „Aber unsere Linie bleibt klar: Wer in Deutschland straffällig wird, hat sein Gastrecht verwirkt.“ Der Grundsatz „Null Toleranz gegenüber Kriminellen“ erlaube keine Ausnahmen, sagte der CDU-Chef. Straftäter müssten „weiter konsequent abgeschoben werden, auch nach Afghanistan“.
Habeck gab bei der Vorstellung des Grünen-Klimaprogramms Kontra. Deutschland habe mit dem Abzug der Bundeswehr selbst eingeräumt, gescheitert zu sein, erklärte er in Biesenthal nördlich von Berlin.
Habeck gegen Abschiebungen nach Afghanistan - Grüner will dennoch „kein Pillepalle mit Straftätern“
Habeck forderte eine Neubewertung der Lage durch das Auswärtige Amt. Wenn die Bundesregierung zur Einschätzung komme, „dass Menschen in bestimmten Regionen ihres Lebens nicht sicher sind, dann können wir dort auch unsympathische Zeitgenossen nicht hin abschieben“. „Wir können ja nicht gewissermaßen die Todesstrafe exportieren“, fügte der Grünen-Chef hinzu. Es sei nicht richtig, Menschen an einen Ort abzuschieben, an dem ihnen „Tod, Folter, Hinrichtung“ oder das „Abhacken von Gliedmaßen“ drohe.
Er betonte zugleich, es gehe nicht darum, „irgendwie Pillepalle mit Straftätern zu machen“. Diese müssten dann in Deutschland „ihre gerechte Strafe absitzen“. Auch für den Umgang mit sogenannten Gefährdern gebe es andere Lösungen, sagte Habeck. Eine staatsgefährdende Straftat hätten diese zwar qua Definition noch nicht verübt - oft gebe es aber „viele andere Delikte“, die bislang nicht systematisch gesammelt und verfolgt würden. Mit Hilfe dieser Ermittlungen könnten gefährliche Personen hinter Gitter gebracht werden.
Abschiebungen in Deutschland: Seehofer verhandelt mit Afghanistan - SPD offenbar uneins
Zuvor hatte sich am Wochenende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für eine Fortsetzung der Abschiebungen ausgesprochen. „Wir verhandeln gerade mit Afghanistan, damit wir Straftäter weiterhin dorthin abschieben können“, sagte er der Bild am Sonntag.
Scharfe Kritik an den Aussagen kam daraufhin auch von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans. „Diese Überlegung ist voll auf der menschenfeindlichen Linie von Populisten“, sagte er der Rheinischen Post vom Montag. „Auch ausländische Straftäter sind Menschen. Sie verdienen ihre Strafe, aber niemand hat das Recht, sie in den Tod zu schicken. Sollte das drohen, müssen Abschiebungen gestoppt werden.“
Afghanistan: Abschiebeflug schon am Dienstag? Scholz widerspricht eigenem Parteichef
Die Frage nach Abschiebungen gen Afghanistan ist offenbar schon höchst virulent. Nach Informationen aus „gut unterrichteten Kreisen“ sei ein eigentlich für den 10. August geplanter Abschiebeflug auf diesen Dienstag vorverlegt worden, teilte die Organisation Pro Asyl. „Es ist völlig unverantwortlich, trotz des unaufhaltsamen Vorrückens der Taliban weiter nach Afghanistan abzuschieben“, erklärte die rechtspolitische Referentin, Wiebke Judith. Die Taliban sind in dem Land auf dem Vormarsch - und nehmen auch bereits außenpolitische Kontakte auf, die dem Westen ungelegen kommen dürften.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums werden prioritär Straftäter abgeschoben. Allerdings seien grundsätzliche alle Afghaninnen und Afghanen ausreisepflichtig, die nicht über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte am Dienstag bei einem Besuch in Nordrhein-Westfalen, wer die Gesetze der Bundesrepublik verletze und schwere Straftaten begehe, verliere sein Aufenthaltsrecht. „Und daraus folgt dann auch, dass man mit einer Abschiebung rechnen muss.“ (fn/AFP)
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