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Habeck-Aussage zu Waffenlieferungen: Baerbock reagiert eindeutig - Merkels Sprecher eiskalt

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Von: Andreas Schmid

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Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. (Symbolbild)
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. (Symbolbild) © Kay Nietfeld/dpa

Robert Habecks Aussagen zu Waffenlieferungen in die Ukraine schlug hohe Wellen. Merkels Sprecher reagierte eiskalt. Nun rudern Habeck und Baerbock zurück.

Update vom 26. Mai, 22.36 Uhr: Die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck nach Waffenlieferungen in die Ukraine schlug hohe Wellen und sorgte für teils große Kritik. Nachdem Habeck zwischenzeitlich zurückgerudert war, bemühte sich am Mittwochabend auch die designierte grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock darum, die Wogen zu glätten. Gleichzeitig bekräftige sie allerdings die ablehnende Haltung ihrer Partei zu Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. „Das steht auch in unserem Programm, und das sehen wir als Parteivorsitzende beide so“, sagte sie in der ARD-Sendung Maischberger. Die Woche.

Baerbock meinte außerdem: „Robert Habeck hat heute Morgen ja genau klargestellt, dass es nicht um Defensivwaffen geht, sondern - wie wir auch schon vor kurzem deutlich gemacht haben - um Munitionsräumung, um die Bergung von verwundeten Personen, Zivilisten, mit gepanzerten Fahrzeugen und auch um die Frage der Unterstützung der OSZE-Mission.“

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kurz OSZE, agiert in der Ukraine-Krise als Vermittler sowie Beobachter. „Der OSZE-Projektkoordinator unterstützt die Reformen der Ukraine und hilft dem Land Herausforderungen anzugehen, die sich aus der Krise ergeben“, heißt es vonseiten der Staatenkonferenz, die sich die weltweite Friedenssicherung auf die Fahne geschrieben hat. Der Einsatz von Waffen wird abgelehnt. Bei der Sonderbeobachtermission handle es sich um „eine unbewaffnete, zivile Mission, die in allen Regionen der Ukraine rund um die Uhr tätig ist.“

Habeck fordert Waffenlieferungen an Ukraine: Merkels Sprecher lässt ihn jetzt eiskalt auflaufen

Update vom 26. Mai, 17.58 Uhr: Die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck nach Waffenlieferungen an die Ukraine läuft ins Leere. Von fast allen Seiten hagelt es Kritik. Nach Habecks Vorstoß hat die Bundesregierung nun ihr Nein dazu bekräftigt. „Wir verfolgen eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik und erteilen im Hinblick auf die Ukraine keine Genehmigungen für Kriegswaffen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.

„Ich kann nur für diese Bundesregierung in dieser Legislaturperiode sprechen - und da wird sich dann auch nichts dran ändern“, ergänzte Seibert. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte, dass ihm keine aktuelle Anfrage der Ukraine nach Waffenlieferungen bekannt sei.

Grünen-Chef Robert Habeck zu Besuch an der Frontlinie in der Ostukraine.
Grünen-Chef Robert Habeck zu Besuch an der Frontlinie in der Ostukraine. © Klaus Remme/picture alliance

Am Vortag hatte sich Habeck kurz vor einem Besuch an der Frontlinie in der Ostukraine für die Waffenlieferungen ausgesprochen (siehe Erstmeldung). „Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren“, sagte er dem Deutschlandfunk, ruderte mittlerweile jedoch wieder zurück (siehe vorheriges Update) Politiker von Union, SPD, Linke kritisierten Habeck dafür scharf. Auch einzelne Grünen-Abgeordnete distanzierten sich von ihrem Parteivorsitzenden (siehe Update vom 26. Mai, 9.45 Uhr).

Zoff bei den Grünen: Habeck irritiert mit Aussage zu Waffenlieferungen - und rudert wieder zurück

Update vom 26. Mai, 12 Uhr: Grünen-Chef Robert Habeck hält trotz heftiger Kritik auch aus der eigenen Partei an seiner Forderung nach Lieferungen von Defensivwaffen an die Ukraine fest. „Die Ukraine kämpft hier nicht nur für sich selbst, sondern die Ukraine verteidigt auch die Sicherheit Europas“, sagte Habeck am Mittwoch im Deutschlandfunk. Wenn die Ukraine „fällt“, sei dies „eine Einladungen an Russland, andere Konflikte ebenfalls eskalieren zu lassen.“ Habeck zeigte Verständnis dafür, dass seine Äußerungen in der eigenen Partei Unruhe ausgelöst haben. „Grüne haben eine pazifistische Tradition, und das ist auch gut, dass wir uns schwertun mit der Debatte über Waffen insgesamt“, sagte er. „Es ist ja ein Ehrenprädikat der Partei, dass man nicht hinter jedem Kriegsschrei sofort hinterherstürmt.“ Die Grünen hätten aber „auch eine lange Tradition, der Ukraine zu helfen“.

Der Grünen-Chef zeigte sich beeindruckt von seinem Besuch an der Frontlinie in der Ost-Ukraine, wo sich Regierungstruppen und prorussische Rebellen gegenüberstehen. Die ukrainischen Kräfte seien dort russischen Scharfschützen ausgesetzt - „und dann zu sagen, wir machen das alles mit diplomatischen Dingen, mit diplomatischen Gesprächen, ist natürlich richtig, aber trotzdem sollte man Nachtsichtgeräte, Aufklärungsgeräte, Kampfmittelbeseitigung, Medivacs doch zur Verfügung stellen“.

Der Grünen-Chef betonte, er habe „bewusst“ von Defensivwaffen für die Ukraine gesprochen - auch wenn ihm klar sei, dass solche Waffen zweckentfremdet werden können. „Auf gepanzerten Fahrzeugen kann natürlich ein Maschinengewehr aufgebaut und stationiert werden“, sagte er. „Deswegen ist es eine Waffe. Aber im Wesentlichen sind die Dinger dazu da und werden auch so bestellt, um Verletzte zu transportieren beispielsweise.“

Zoff bei den Grünen: Habeck irritiert mit Aussage zu Waffenlieferungen - und rudert wieder zurück

Update vom 26. Mai, 9.45 Uhr: Robert Habeck bekommt für seinen Vorschlag der Lieferung von (Defensiv-) Waffen an die Ukraine starken Gegenwind - auch aus den eigenen Reihen. „Waffenexporte in die Ukraine würden unserem Grundsatz widersprechen, dass wir keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren“, sagte der ehemalige Parteivorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Die bisherige gemeinsame europäische Position ist, dass der Konflikt in der Ukraine nur politisch zu lösen ist und nicht militärisch. Waffenlieferungen untergraben die Umsetzung des Abkommens von Minsk weiter.“ Trittin sprach sich hingegen dafür aus, die Aufklärungsmöglichkeiten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu stärken. Auch könnten Waffen nicht eindeutig als defensiv definiert werden. „Jede Abwehrwaffe kann auch offensiv genutzt werden.“

Der Grünen-Co-Vorsitzende selbst verteidigte seine Äußerung und präzisierte sie zugleich: „Die Ukraine kämpft hier nicht nur für sich selbst, sie verteidigt auch die Sicherheit Europas“, sagte Habeck im Deutschlandfunk am Mittwoch nach einem Besuch an der Frontlinie. Mit Blick auf deren Konflikt mit Russland ergänzte er: „Die Ukraine fühlt sich sicherheitspolitisch allein gelassen, und sie ist allein gelassen.“ Er präzisierte dabei, was er mit „Defensivwaffen“ gemeint habe: „Nachtsichtgeräten, Aufklärungsgeräten, Kampfmittelbeseitigung, Medivacs“, also Technik für Transport und Versorgung Verletzter. „Ich habe das rein auf die Ukraine bezogen, auf die konkrete Situation, auf die Annexion der Krim, auf die Schießerei, auf die Soldaten.“ Er plädiere nicht für Waffenlieferungen an andere Staaten.

Habeck irritiert mit Aussage zu Waffenlieferungen: SPD stellt Regierungsfähigkeit der Grünen infrage

Erstmeldung vom 25. Mai, 21 Uhr:

Mariupol - Es ist ein Bild, das man so gar nicht mit den pazifistisch eingestellten Grünen in Verbindung bringt: Mit Schutzweste und Stahlhelm stattet Parteichef Robert Habeck der Frontlinie in der Ostukraine einen Besuch ab.

Doch das eigentlich Bemerkenswerte an der Sache spielte sich noch vor dem Besuch ab, nachdem Habeck, der mit seiner Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock nicht immer einer Meinung ist, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen hatte. Dem Deutschlandfunk sagte er nämlich: „Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren.“

Dieser Satz fliegt dem Grünen-Vorsitzenden nun um die Ohren. Während der ukrainische Botschafter Andrii Melnyk die Äußerung begrüßte und die Bundesregierung aufforderte, ihre Ablehnung von Waffenlieferungen aufzugeben, sorgte sie in den Reihen der Grünen für Widerspruch.

Nur 0,03 Prozent der Rüstungslieferungen der Bundesregierung gehen in die Ukraine

Die Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul distanzierte sich von der Position Habecks. Unterstützung kam dagegen vom Bundestagsabgeordneten Manuel Sarrazin, der Habeck in der Ukraine begleitete. Die Ukraine brauche „ganz konkret Möglichkeiten, ihre Defensive zu stärken, denn sie wird akut bedroht“, sagte er.

Mit seiner Äußerung widerspricht der Grünen-Chef auch den geltenden Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung, die in ihrer Ursprungsfassung eine Errungenschaft der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer waren. Diese verbieten die Genehmigung von Rüstungslieferungen in Länder, „die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht“.

In den letzten Jahren hat es deswegen kaum noch Rüstungslieferungen in die Ukraine gegeben. 2018 und 2019 erlaubte die Bundesregierung Exporte für jeweils 2,1 Millionen Euro - überwiegend Jagd- und Sportwaffen. 2019 entsprach das lediglich 0,03 Prozent aller von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen im Wert von mehr als acht Milliarden Euro.

Habeck für Waffenlieferung in die Ukraine: SPD und Linke kritisieren Vorstoß

Das liegt auch daran, dass die Bundesregierung kein Interesse hat, den Konflikt in der Ostukraine weiter anzuheizen. „Eine Aufrüstung der Ukraine würde Russland als Vorwand für eigene Truppen auf der Krim, in der Ostukraine sowie an der russisch-ukrainischen Grenze benutzen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt dem RND.

Auch aus der SPD kam scharfe Kritik. „Die Forderung, der Ukraine sogenannte Abwehrwaffen zu liefern, ist leichtfertig und unterstreicht erneut, wie wenig regierungsfähig und unaufrichtig die Grünen derzeit auftreten“, sagte Fraktionschef Rolf Mützenich dem Spiegel. Habeck verkenne das komplexe Krisenmanagement in der Region und die innere Situation in der Ukraine.

Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen meinte, Waffenlieferungen in die Ukraine würden den Konflikt weiter eskalieren. „Mit der Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine fällt Grünen-Chef Robert Habeck noch hinter die Bundesregierung zurück und untergräbt gezielt das Verbot von Rüstungsexporten in Krisen- und Konfliktgebiete“, sagte sie.

Die Grünen wollen Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete eigentlich beenden

Die Grünen treten traditionell für eine restriktive Rüstungsexportpolitik ein. Im Entwurf der Parteispitze für das Wahlprogramm heißt es, die Grünen wollten „mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete“ beenden.

Die Ukraine ist aber zweifelsfrei zumindest teilweise ein Krisengebiet. In der Ostukraine herrscht seit sieben Jahren ein Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen, in dem UN-Schätzungen zufolge schon mehr als 13.000 Menschen getötet wurden. Nach einer Zuspitzung in diesem Frühjahr hatte die ukrainische Regierung Waffenlieferungen aus dem Westen gefordert.

Habeck, der das Rennen um die Kanzlerkandidatur gegen Baerbock verlor, betonte zwar, natürlich seien die Grünen eine Partei, die aus dem Pazifismus komme. „Aber wenn man sich mit diesem Konflikt etwas beschäftigt, kann man zumindest die Hilfe zur Selbsthilfe, zur Verteidigung, nicht verwehren.“

Waffenlieferung für die Ukraine? Botschafter spricht von historischer Verantwortung Deutschlands

Der ukrainische Botschafter Melnyk forderte Luftabwehrgeschütze, Verteidigungssysteme für die Küsten am Schwarzen und Asowschen Meer, Korvetten, Schnellboote, U-Boote, Panzerabwehrraketen sowie „andere Defensivwaffen“ - auch von Deutschland. „Der Weg der deutschen Rüstungsexporte in die Ukraine für unsere Selbstverteidigung muss endlich freigemacht werden. Das würde Hitzköpfe und Heißsporne im Kreml abkühlen, diese zur Vernunft bringen sowie einen großangelegten Überfall Moskaus noch rechtzeitig verhindern.“

Die Ukraine müsse von Deutschland genauso wie Israel mit Waffenlieferungen unterstützt werden, sagte Melnyk. „Kiew verfügt über das gleiche Recht auf Selbstverteidigung wie Israel, das immer wieder angegriffen und bedroht wird. Gleichzeitig trägt ausgerechnet Deutschland die gleiche historische Verantwortung für das Existenzrecht der Ukraine wie für den Staat Israel“, sagte er mit Blick auf die Millionen ukrainischen Opfer im Zweiten Weltkrieg.

Für Israel macht die Bundesregierung beim Verbot von Rüstungsexporten in Krisenregionen eine Ausnahme. Das Land bezieht unter anderem U-Boote und Kriegsschiffe aus Deutschland. Die Bundesregierung genehmigt und fördert diese Exporte teilweise sogar finanziell und begründet das mit der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels wegen des Holocausts. (dpa)

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