Robert Habeck so beliebt wie nie: Wirtschaftsminister „im Moment auf dem Weg“ zum neuen Kanzler

Kein Regierungsmitglied ist derzeit so beliebt wie Robert Habeck. Das hat nicht so sehr mit seinen fachlichen Entscheidungen zu tun. Sondern damit, wie er sie vermittelt.
München – Zerknirschung kam selten so hautnah rüber. Die Kamera zeigt Robert Habeck in Nahaufnahme, er ist unrasiert, die Ärmel seines Hemdes sind aufgerollt. Im Hintergrund ist die Skyline von Doha zu sehen. Der Wirtschaftsminister befürchtet einen vollständigen Lieferstopp für russisches Gas und hat Gespräche über Gas-Lieferungen geführt – in Katar, einem Land, das er als Grünen-Politiker wegen des Umgangs mit Menschenrechten maximal skeptisch sieht. Doch Not kennt kein Gebot, und so berichtet er von den Verhandlungen. Er leitet mit dem Hinweis ein, diese Reise sei „irgendwie total merkwürdig“.
„Der nächste Kanzler“: Robert Habeck wie ein Popstar der deutschen Politik
Es hat einen speziellen Sound, wenn Habeck spricht. Er nimmt das Publikum mit in die Grauzone der Realpolitik, wo Kompromisse geschlossen werden und Überzeugungen auch mal über Bord gehen. Niemand grübelt und hadert so öffentlich wie er. Habeck verschweigt weder die Härten, die der Krieg für die Bürger mit sich bringt, noch die Zumutungen für seine eigene Partei, weil er Kohlekraftwerke wieder anwerfen lässt und Geschäfte mit heiklen Partnern macht. Widersprüche gehören bei ihm nicht nur dazu, er wird dafür noch gefeiert. Im Internet stehen Kommentare wie „So geht Kommunikation“ oder „Der nächste Kanzler“.
Habeck (52) ist gerade so etwas wie ein Popstar. Menschen, die mit Politik sonst wenig anfangen können, hängen an den Lippen des Ministers, weil seine Worte so präzise und mitfühlend sind. Während die eigene Partei ihn dafür feiert und die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer ihn einen „Philosophen und Pragmatiker gleichzeitig“ nennt, kommt bei der Konkurrenz geradezu Neid auf. Das Kuriose: Je schlechter die Nachrichten, desto größer die Beliebtheit des Überbringers.
Video: Habeck befürchtet - Bald gar kein Gas mehr aus Russland?
Der Wirtschaftsminister findet die richtigen Worte
In schwierigen Zeiten suchen die Menschen Orientierung, und der Wirtschaftsminister liefert verlässlich. Er transportiere seine Botschaften so eingängig „wie bei der ,Sendung mit der Maus’, nur auf höchstem weltpolitischem Parkett“, attestiert der Branchendienst Meedia.
Zum Beispiel letzte Woche. Im ZDF wurde er gefragt, ob man die Bürger mit Prämien zum Energiesparen bewegen wolle. Habeck verneinte. Sollte jemand in dieser ernsten Lage 50 Euro als Anreiz verlangen, würde er sagen: „Die kriegst du nicht, Alter!“ Prägnanter geht es nicht.
Olaf Kramer wundert sich nicht über die Beliebtheitswerte. „Er hat ein sehr großes Repertoire an kommunikativen Möglichkeiten“, sagt der Tübinger Professor für Rhetorik und Wissenskommunikation. Der grübelnde Unterton, der fast schon literarische Einwurf, die saloppe Bemerkung. Dazu kommt eine Bildsprache, bei der sein Team nichts dem Zufall überlässt. Vor einer Nahost-Reise verbreitete das Ministerium Aufnahmen Habecks auf dem Weg zum Flugzeug: in Lederjacke, einen Kleidersack in der Hand, mit der anderen wirft er sich eine Reisetasche über die Schulter. „Politische Kommunikation wird in der Regel immer vorsichtiger“, sagt Kramer. Bei Habeck ist es genau umgekehrt. Das Bild eines Politikers, der anders ist als die anderen, wird mit jedem Auftritt neu gemalt.
Robert Habeck: Was steckt hinter der Inszenierung des Grünen-Politikers?
Dahinter steckt eine aufwendige Inszenierung, die manches natürlicher aussehen lässt, als es in Wahrheit ist. Und vielleicht schmeichelt es Habecks Ego auch, wenn nach einer Regierungserklärung darüber getuschelt wird, dass der Minister ein T-Shirt unterm Jackett trug. Andererseits, gibt Kramer zu bedenken, ist das Nebeneinander von ernster Politik und vermeintlichen Banalitäten kein Widerspruch: „Er ist in der Lage, das Gefühl von Authentizität zu vermitteln.“
Die Frage, ob jemand ein guter Politiker ist oder sein Handeln bloß geschickt in Worte und Bilder fasst, stellt sich ihm dann auch nicht: „Politik ist Kommunikation.“ Man kann noch so kluge Projekte planen, aber die beste Idee nützt nichts, wenn der Bürger sie nicht versteht. Als Gegenbeispiel nennt Kramer Christine Lambrecht, die Verteidigungsministerin: „Kommunikativ produziert sie ein Desaster nach dem anderen.“ In der Öffentlichkeit spiele es kaum noch eine Rolle, „ob sie am Ende wirklich so schlechte Politik macht“. Ab 1. Juli dürfen sich die Abgeordneten im Bundestag über eine Gehaltserhöhung freuen. Die Bezüge werden dabei genau genannt.
Könnte Habeck neuer Kanzler werden? - „Im Moment auf dem Weg dahin“
Wohin der Hype noch führt? Langfristige Prognosen sind in der Politik so eine Sache, gerade bei den Grünen weiß man, welch flüchtiges Gut Beliebtheit sein kann. Vielleicht nutzt sie sich irgendwann ab, Habeck wäre da nicht der Erste. Aktuell allerdings sieht Kramer ihn in einem stabilen Aufwärtstrend. Die Kanzler-Kommentare im Internet, empfiehlt er, sollte man nicht so leicht abtun: „Im Moment ist er auf dem Weg dahin.“ (mb)