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Özdemir sieht bei „Hart aber fair“ Fehler vor Türkei-Beben – Yogeshwar warnt vor „The Big One“

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„Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth (r) mit den Gesprächsgästen v.l.n.r.  Falah Elias, Reporter und Moderator beim WDR und der Deutschen Welle, Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist und Autor, Gerd Friedsam, Leiter des Technischen Hilfswerks (THW); war THW Einsatzleiter beim Erdbeben in der Türkei im Jahr 1999, Serap Güler, CDU, Bundestagsabgeordnete; Mitglied im CDU Bundesvorstand.
„Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth (r) mit den Gesprächsgästen v.l.n.r. Falah Elias, Reporter und Moderator beim WDR und der Deutschen Welle, Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist und Autor, Gerd Friedsam, Leiter des Technischen Hilfswerks (THW); war THW Einsatzleiter beim Erdbeben in der Türkei im Jahr 1999, Serap Güler, CDU, Bundestagsabgeordnete; Mitglied im CDU Bundesvorstand. © WDR/Dirk Borm

Janine Wissler hat das Erdbeben hautnah miterlebt. Cem Özdemir kritisiert Nähe von Bauunternehmen und Regierung. Ranga Yogeshwar warnt vor „The Big One“.  

Köln – Das Erdbeben in Syrien und der Türkei hat eine kurzfristige Planänderung beim ARD-Talk „Hart aber fair“ provoziert. „Wir senden live, Sie werden also auch hier über die aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten“, kündigt Moderator Louis Klamroth nach dem ARD-„Brennpunkt“ an. Die Redaktion hatte zuvor den gesamten Plan über den Haufen geworden. Geladene Gäste wurden wieder ausgeladen und kurzfristig neue Gäste organisiert.

Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar betont, dass ein Beben in anderen Erdbebenregionen lange nicht so schwere Folgen habe wie das jüngste Erdbeben. Er zieht einen Vergleich zu Japan: Dort stünden flächendeckend Gebäude, die erdbebensicher sind. Die Türkei habe seit dem Erdbeben von Gölcük in 1999 zwar viel gemacht für die Erdbebensicherheit - „aber zu wenig beim Bauen“. Experten hätten ein heftiges Erdbeben in Istanbul für überfällig gehalten. „Da wartet man eigentlich darauf, dass ‚The Big One‘ kommt“, sagt er. In der Metropolregion leben 15,5 Millionen Menschen. Nicht auszudenken, was ähnlich starke Erdstöße dort anrichten würden. „Das“, sagt Yogeshwar voraus, „wäre die völlige Katastrophe.“

Güler: Jetzt ist Muskelkraft gefragt

CDU-Politikerin Serap Güler hat selbst mit dem Bürgermeister von Adana telefoniert und spricht von einer „wirklich dramatischen“ Lage. Straßen und Flughäfen sind beschädigt, Hilfe könne deshalb nur schwer in die Region gelangen. Am meisten sei jetzt „Muskelkraft gefragt“. Die Leute benötigen Zelte, Decken, Lebensmittel und Medikamente. Besonders für viele syrische Flüchtlinge ist die Lage dramatisch. „Die haben mindestens zweimal alles verloren“, sagt Güler.

Der zugeschaltete Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat „wie alle anderen auch in den Nachrichten“ am Morgen von dem Erdbeben erfahren. Er habe Anrufe von Freunden aus der Türkei erhalten, die ihre Angehörigen nicht erreichen konnten und sich Sorgen machten, berichtet Özdemir. „Die internationale Staatengemeinschaft, es ist ein Moment, in dem die Türkei und Griechenland Gott sei Dank wieder enger zusammenrücken. Griechenland war eines der ersten Länder, das Hilfe angeboten, das Hilfe geschickt hat“, sagt der Minister.

hart aber fair – diese Gäste diskutieren mit am 6. Februar:

Özdemir: Problem der Türkei sind nicht die Gesetze, sondern deren Umsetzung

Präsident Erdogan hat sofort um internationale Hilfe gebeten. Das ist normal in einer solchen Situation – aber auch für einen Präsidenten wie Erdogan?“, fragt Klamroth. „Es zeigt die ganze Dramatik der Situation, es zeigt den Umfang der Katastrophe“, urteilt Özdemir. Es sei eines der schwersten Erdbeben, an das man sich erinnern könne, deswegen wolle er auch nicht „in die Tagespolitik einsteigen“.

Trotzdem schiebt er nach: „Eines kann ich Ihnen sagen. Das Problem in der Türkei sind nicht die Gesetze, die sind geändert worden. Das Problem ist die Umsetzung der Gesetze. Die Verbindung aus der Bauwirtschaft in die Regierungspartei, das ist alles hinlänglich bekannt.“

Zugeschaltet ins „Hart aber fair“-Studio:  Gesprächsgast Cem Özdemir, B‘90/Grüne.
Zugeschaltet ins „Hart aber fair“-Studio: Gesprächsgast Cem Özdemir, B‘90/Grüne. © WDR/Dirk Borm

Dieser Sache solle man sich aber erst widmen, wenn alles Notwendige getan ist, um Opfern und Angehörigen zu helfen. „In der Türkei ist auch gerade Wahlkampf, man wird sicher im Nachgang aufarbeiten, woran es gelegen hat, dass diese Katastrophe ein solches Ausmaß annimmt“, sagt Özdemir voraus. „Es gibt andere Erdbebenländer wie Japan, die bei vergleichbaren Erdbeben weitaus geringere Opferzahlen haben. Da muss man dann gucken, woran das liegt.“ Auch die Menschen in Istanbul hätten derzeit große Sorge, was bei einem nicht unwahrscheinlichen Erdbeben in der Metropole passieren könne. Ob dieses Erdbeben Erdogan noch mehr unter Druck setzt, beantwortet Özdemir kopfschüttelnd. „Das will ich nicht beurteilen, wir müssen jetzt helfen. Das sollen die Menschen in der Türkei beurteilen.“

Wissler schildert bei „Hart aber fair“ Türkei-Beben: „Muss doch irgendwann aufhören“

In der Türkei war zum Zeitpunkt des Erdbebens auch die ebenfalls zugeschaltete Janine Wissler. Die Linke-Chefin war in die Türkei gereist, um am Dienstag am Kobane-Prozess teilzunehmen. „Ich bin hier, um Menschenrechtsorganisationen und Politiker zu treffen.“ Sie sei in aller Frühe vom Erdbeben geweckt worden. „Ich bin aus dem Schlaf gerissen worden und mir war klar, dass es ein Erdbeben ist“, berichtet Wissler, „es war nicht nur sehr heftig, sondern hat auch sehr, sehr lange gedauert“.

Sie habe sich im Laufe der Zeit gedacht, dass es „doch irgendwann aufhören muss“. Gedanken gemacht habe sie sich auch darüber, was sie sinnvollerweise machen sollte. Sie entschied sich dafür, das Haus zu verlassen und auf die Straße zu gehen. „Es war alles ganz furchtbar, ich bin dann auf die Straße gegangen und habe dort die Zerstörung gesehen.“

„hart aber fair“ – Das Fazit der Sendung

Die Sendung läuft längst nicht so flüssig wie andere. Mitunter gezwungene Fragen und nicht jeder Gast liefert interessante Einblicke. Aber wer will es verübeln, wenn zwölf Stunden vor der Ausstrahlung alles über den Haufen geworfen wird? Die Zuschauenden verfolgen den Tag über die Nachrichten und haben bei „hart aber fair“ die Gelegenheit, verschiedene Protagonisten einmal länger zu hören. Der Bericht von Janine Wissler ist dabei sicherlich das Highlight der Sendung. (Christoph Heuser)  

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