Eigenanbau, Besitzgrenze, THC-Gehalt: Lauterbach stellt Cannabis-Eckplan vor – CSU wütet über „Irrsinn“
Die Cannabis-Legalisierung wird konkreter: Karl Lauterbach arbeitet offenbar konkrete Pläne zum straffreien Konsum aus. Bei IPPEN.MEDIA äußern sich Experten sowie die CSU skeptisch.
Berlin – Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat seine Meinung zum Thema Cannabis geändert. Kurz nach der Bundestagswahl sagte er: „Jahrelang habe ich eine Cannabis-Legalisierung abgelehnt. Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss.“ Sei Cannabis legal, könne man den Verkauf besser kontrollieren, verunreinigte Schwarzmarkt-Mischungen eliminieren, argumentierte der SPD-Politiker.
In der andauernden Legalisierungsdebatte prescht Lauterbachs Gesundheitsministerium nun offenbar vor – und arbeitet Eckpunkte zur Legalisierung aus. Vom Eigenbedarf bis hin zur Anpflanzung. Experten sind noch skeptisch.
Cannabis-Eckpunkte: So soll die Legalisierung gestaltet werden

Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis sollen den Plänen zufolge künftig ab dem Alter von 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein. Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ferner soll zudem der Eigenanbau von bis zu zwei Cannabis-Pflanzen erlaubt werden.
Der Anteil des berauschenden Wirkstoffs THC soll maximal 15 Prozent betragen. Bei Jugendlichen zwischen 18 und 21 Jahren werde der THC-Gehalt auf zehn Prozent beschränkt – um „cannabisbedingte Gehirnschädigungen“ zu verhindern.
Neben den geplanten Freiheiten soll es auch Einschränkungen geben. So dürfen Cannabis-Verkaufsstellen nicht in unmittelbarer Nähe zu Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen eingerichtet werden. Das legale Cannabis soll derweil auch in Apotheken verkauft werden, um den Schwarzmarkt im ländlichen Raum einzudämmen. Außerdem plant die Ampel dem Bericht zufolge ein Werbeverbot für Cannabisprodukte. Wichtig: Es handelt sich bisher nur um ein inoffizielles Eckpunktepapier. Nach Informationen von IPPEN.MEDIA müssen die einzelnen Punkte noch innerhalb der Ministerien der Bundesregierung abgesprochen werden.
CSU kritisiert Cannabis-Pläne: Holetschek spricht von „Irrsinn“
Die legalisierungskritische CSU ist allerdings schon jetzt fassungslos. Bayerns CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte Kanzler Olaf Scholz auf, die Legalisierung zu stoppen. Lauterbachs Pläne „für diesen Irrweg“ seien angesichts der wirklich drängenden Probleme in der Gesundheits- und Pflegepolitik reine Energie- und Ressourcenverschwendung, sagte Holetschek der Deutschen Presse-Agentur.
Der Münchner Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger verweist auf Anfrage von IPPEN.MEDIA auf den rechtlichen Aspekt. „Auch bei diesem Eckpunktepapier wird deutlich, dass sich Bundesminister Lauterbach europarechtlich auf sehr dünnem Eis bewegt“, sagt der CSU-Politiker, der jüngst eine juristische Analyse in Auftrag gegeben hat, in der die rechtlichen Hürden bei der Legalisierung deutlich wurden.
„Europarechtlich entscheidend für die Legalisierung ist, dass die EU-Kommission und die anderen EU-Mitgliedstaaten der Auslegung Deutschlands zustimmen“, erklärt Pilsinger. „Da ich mir nur schwer vorstellen kann, dass alle Mitgliedsstaaten dieser Auslegung zustimmen, bleibt das massive europarechtliche Problem weiterhin bestehen. Mit diesem Eckpunktepapier kann man also kaum von einem Durchbruch sprechen.“
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Cannabis-Legalisierung: Experten kritisieren einige Punkte im Lauterbach-Plan
Kritik gibt es auch von Branchenverbänden und Experten. Dem Cannabis-Unternehmer Niklas Kouparanis missfällt der geplante Eigenanbau sowie der fehlende Import. „Die heimische Produktion alleine wird die Nachfrage von Tag eins an kaum decken können“, sagt er IPPEN.MEDIA. „Boomt in diesem Fall der Eigenanbau, führt dies zu weniger kontrollierten und regulierten Produkten, statt zu mehr Sicherheit für Konsumenten.“ Positiv sei die Straffreiheit des Konsums sowie der Fokus auf den ländlichen Raum.
Gleichzeitig stört den Unternehmer das geplante Werbeverbot. Es brauche ein „Mindestmaß an Information“ für Cannabis-Firmen, um sich gegen den Schwarzmarkt durchzusetzen. Denn der würde womöglich sogar von der anvisierten THC-Obergrenze profitieren, wie auch der deutsche Hanfverband erklärt.
Es gibt ja auch keine Besitzobergrenze von einem Kasten Bier
Die Besitzobergrenze sei im ländlichen Raum „wenig praktikabel“, die Grenzen beim Anbau „beispiellos restriktiv“ und die Beschränkungen im THC-Gehalt gingen „an der Realität vorbei“. Denn: „Es gibt ja auch keine Besitzobergrenze von einem Kasten Bier“, wie Geschäftsführer Georg Wurth sagt.
Positiv bewertet der Hanfverband die geplante Herausnahme von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz oder das diskutierte Werbeverbot. „Unter dem Strich wird es mit diesen Eckpunkten aber nicht gelingen, die Konsumenten vom Schwarzmarkt und in die Shops zu holen. Damit wird auch der gewünschte Verbraucher- und Gesundheitsschutz scheitern“, meint Wurth. Auf dem Weg zur Legalisierung gibt es damit offenbar noch viel zu tun.
Lauterbach ist von der Legalisierung überzeugt. Die Bundesregierung hat sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, zuletzt klafften öffentliche Ankündigungen und die konkrete Umsetzung jedoch auseinander. (as)
Nachtrag vom 19. Oktober, 16.20 Uhr: Die Bundesregierung arbeitet eigenen Angaben zufolge intensiv am geplanten Gesetz zur Cannabis-Legalisierung, hat aber noch keine Einigung dazu erzielt. Es gebe noch kein in der Koalition abgestimmtes Eckpunktepapier, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums am Mittwochnachmittag in Berlin.