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Massenverhaftungen in Hongkong: 53 Oppositionelle im „Namen der Nationalen Sicherheit“ festgenommen

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Von: Cornelia Schramm

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Dieses Videostandbild zeigt Lam Cheuk-ting (M), Mitglied der Democratic Party, der von Polizisten verhaftet wird.
Über 50 prodemokratische Aktivisten und frühere Abgeordnete sind in Hongkong wegen angeblicher Verstöße gegen das neue Sicherheitsgesetz festgenommen worden - darunter Lam Cheuk-ting, Mitglied der Democratic Party. © Uncredited/ picture alliance/ dpa/ TVB/ AP

Demokratische Abgeordnete und Aktivisten gefährden die nationale Sicherheit in Hongkong, so zumindest die Haltung der Regierung. Am Mittwoch wurden 53 Menschen inhaftiert - die Welt zeigt sich empört.

Hongkong - Eine Verhaftungswelle erschüttert Hongkong: 53 Männer und Frauen wurden festgenommen. Die Oppositionspolitiker und Demokratie-Aktivisten sollen aufgrund der Organisation und Durchführung einer inoffiziellen Vorwahl für die geplante Parlamentswahl verhaftet worden sein. Davon berichten jetzt Medien vor Ort. Die Vorwahl im vergangenen Juli sowie das Crowdfunding, um diese zu finanzieren, sei nach dem Gesetz der Nationalen Sicherheit ein „Akt der Subversion“, also ein Versuch die Institutionen der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong zu unterlaufen, gewesen, so der Vorwurf der Behörden.

Video: Schlag gegen Demokratie - Massenverhaftungen in Hongkong

An der inoffiziellen Vorwahl zur Bestimmung der Kandidaten der demokratischen Opposition hatten - trotz Warnungen der Polizei - damals mehr als 610.000 Menschen teilgenommen, darunter der china-kritische, emeritierte Kardinal Joseph Zen. Seit dem Inkrafttreten des Sicherheitsgesetzes am 30. Juni 2020 dauert die Niederschlagung der demokratischen Bewegung in Hongkong an. Im Juli hatte die Regierungschefin Carrie Lam die für September geplante Parlamentswahl etwa - mit Verweis auf die Corona-Pandemie - um ein Jahr verschoben.

Hat die EU Peking ein falsches Signal gesendet? - Investitionsabkommen in der Kritik

Seitdem wurden immer wieder Abgeordnete der demokratischen Opposition disqualifiziert, dutzende Aktivisten festgenommen und angeklagt. Auch die Pressefreiheit erfährt immer mehr Einschränkungen seitens der Regierung. Anfang Dezember wurden mit Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam drei prominente Führer der Demokratiebewegung inhaftiert. Auch der katholische Verleger Jimmy Lai sitzt seit Ende Dezember in Untersuchungshaft, nachdem seine Freilassung auf Kaution abgelehnt wurde. Seine Zeitung Apple Daily galt bis zu seiner Inhaftierung als „Sprachrohr der Demokratiebewegung“.

Seit Inkrafttreten des umstrittenen Sicherheitgesetzes sind die 53 Festnahmen der schärfte Schritt Hongkongs Regierung. Die Massenfestnahmen ließen umgehend kritische Stimmen laut werden und sorgte in den USA und in Europa für öffentliche Empörung. Der designierte neue Außenminister der USA, Antony Blinken, sprach auf Twitter von einem „Angriff auf jene, die mutig für universelle Rechte eintreten“. Die neugewählte Regierung Joe Bidens werde an der Seite der Hongkonger Bürger stehen und sich gegen Pekings antidemokratische Schritte werden.

Auch der deutsche CDU-Politiker Norbert Röttgen warf der Volksrepublik vor, das Sicherheitsgesetz als „Waffe gegen die Demokratie zu benutzen. Auf Twitter schrieb er, die EU dürfe - im Hinblick auf das Investitionsabkommen - „dessen Methoden, inklusive Vertragsbruch und Unterdrückung, nicht ignorieren“. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Gyde Jensen (FDP), kritisierte die EU und die deutsche Ratspräsidentschaft ebenfalls dafür, „um jeden Preis“ das Investitionsabkommen durch verhandelt zu haben, während Peking in Hongkong „Völkerrecht“ breche - so sei ein Signal der
Gleichgültigkeit gesendet worden, das Peking gerne angenommen habe.

Hongkong: Demokraten wird „Staatsgefährung“ vorgeworfen

Unter den am Mittwoch Festgesetzten waren Medienberichten zufolge ehemalige Abgeordnete wie Lam Cheuk-ting, Andrew Wan, Alvin Yeung sowie der bekannte Aktivist Benny Tai. Außerdem wurde die Wohnung des prominenten Aktivisten Joshua Wong durchsucht, der ohnehin bereits wegen der illegalen Organisation eines Protests im Gefängnis sitzt. 

So hob auch Amnesty International erneut hervor, wie weitreichend das Sicherheitsgesetz doch angewandt werden könne - selbst wenn keine echte Bedrohung der nationalen Sicherheit vorliege. Die Demokraten wegen einer informellen Vorwahl der „Staatsgefährdung“ anzuklagen, sei „ein offener Angriff auf ihre Rechte auf Meinungsäußerung und Versammlung“.

Viele Oppositionelle hatten derartige Massenverhaftungen offenbar schon befürchtet und sich aus Angst vor Strafverfolgung ins Ausland abgesetzt, wurden sie doch als Peking zunehmen als umstürzlerisch und separatistisch - ja sogar terroristisch und verschwörerisch - diffamiert.

Seit dem 1. Juli 1997 gehört Hongkong wieder zu China und wird als „ein Land“ mit „zwei Systemen“ als eigenes Territorium regiert. Der Grundsatz sieht eigentlich vor, dass die sieben Millionen Hongkonger bis 2047 „ ein hohes Maß an Automomie“ leben und viele Freiheiten genießen - doch seit der Verabschiedung des Sicherheitsgesetzes sprechen demokratische Medien vor Ort eher von „ein Land, ein System“. (cos) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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