Hongkong: Geschichte und Status der britischen Ex-Kolonie und Sonderverwaltungszone Chinas

Die Sonderverwaltungszone Hongkong will ihre Autonomie bewahren. Die chinesische Regierung versucht derweil, mehr Einfluss zu gewinnen.
Die einstige britische Kronkolonie Hongkong liegt an der südchinesischen Küste, direkt an der Mündung des Perflusses. Durch diese günstige Lage direkt am südchinesischen Meer und mit einem natürlichen Hafen ist die Stadt seit jeher ein wichtiger Knotenpunkt des weltweiten Handels. Hongkong bedeutet im Chinesischen „Duftender Hafen“. Dieser Hafen ist von hohen, dicht bewachsenen Bergen umgeben, an deren Hänge immer mehr Hochhäuser entstanden sind, was der Stadt eine spektakuläre Skyline verleiht. Das Klima ist subtropisch, mit heißen regenreichen Sommern. Hongkong selbst ist eine Insel. Zur Kolonie und der heutigen Sonderverwaltungszone gehören neben Hong Kong Island die Halbinsel Kowloon auf der anderen Seite des Hafens, sowie die New Territories im Hinterland.
Während der Zeit britischen Kolonialherrschaft wuchs die Stadt zu einer Metropole heran und avancierte spätestens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Zentrum des internationalen Finanzsektors. 1997 übergab Großbritannien seine Kolonie gemäß der „Gemeinsamen Erklärung“ beider Seiten von 1984 wieder an China. Für 50 Jahre besitzt Hongkong seither den Status einer Sonderverwaltungszone. Unter dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ hat Hongkong daher formal das Recht auf eine eigene Gesetzgebung, unabhängig von der kommunistischen Regierung der Volksrepublik China.
Dieses einzigartige System ist in den letzten Jahren allerdings zunehmend unter Druck geraten. Die Demokratiebewegung Hongkongs forderte freiere Wahlen des lokalen Regierungschefs und der lokalen Parlamente. Die Hongkonger Regierung und Peking verhinderten dies jedoch. 2014 und 2019 brachen teils gewaltsame Proteste aus. 2020 erließ der Nationale Volkskongress in Peking ein Sicherheitsgesetz, das alle Aktivitäten verbietet, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Im März 2021 beschloss China zudem eine Wahlrechtsreform für Hongkong, die die Wahlfreiheit weiter einschränkt.
Hongkongs Status als liberalste Marktwirtschaft der Welt machte die Metropole über Jahrzehnte zu einer Oase des Kapitalismus, jedoch auch zu einem Ort finanzieller und sozialer Ungleichheit. Bis 2047 ist der Status der Stadt als Sonderverwaltungszone vertraglich festgelegt. Ob Hongkong trotz der jüngsten Eingriffe Pekings seinen Status als internationales Handels- und Finanzzentrum halten kann, ist allerdings fraglich.
Hongkong: Eine dicht besiedelte und trotzdem grüne Weltmetropole
Die Sonderverwaltungszone Hongkong ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt; nur Monaco kann im Durchschnitt mehr Einwohner pro Quadratkilometer vorweisen. Etwa 95 Prozent der rund 7,5 Millionen Bewohner Hongkongs sind Chinesen. Die übrigen fünf Prozent sind zumeist Einwanderer aus anderen asiatischen Ländern. Unter ihnen machen Filipinos und Indonesier den Großteil aus. Offizielle Amtssprachen in Hongkong sind Englisch und Chinesisch. Traditionell sprechen die Einwohner Hongkongs das südchinesische Kantonesisch; seit einiger Zeit setzt sich aber auch das in der Volksrepublik China gesprochene Hochchinesisch durch. Außerdem verwenden die Hongkonger im Alltag werden gern Anglizismen verwendet, und oftmals wechseln Sprechende fließend zwischen Chinesisch und Englisch hin und her.
Nicht zuletzt aufgrund der Kolonialgeschichte sind in Hongkong eine Vielzahl von Religionen vertreten, deren Gotteshäuser und Tempel eine touristische Attraktion der Stadt ausmachen. Durch seinen Ruf als kosmopolitische Metropole wird Hongkong zudem eine besondere Lebensqualität nachgesagt. In der Realität ist die Situation vieler Einwohner jedoch prekär. Die besondere Lage zwischen dem Meer und den Bergen lässt nur kleine Räume für eine Bebauung zu. Das gilt nicht nur direkt am Hafen, sondern auch in den so genannten „New Territories“, dem Hinterland, das bis an die grenze zu China reicht. Hongkong setzte daher schon vor Jahrzehnten auf hohe Wohntürme und viele Sozialwohnungen. Dennoch ist Wohnraum in Hongkong extrem teuer. Dort, wo an Steilhängen aber keine Wolkenkratzer errichtet werden können, wachsen immergrüne Bäume und Sträucher, die als grüne Lunge der Metropole dienen.
Vor allem wegen der exorbitanten Wohnkosten ist in Hongkong die soziale Ungleichheit groß. Viele Menschen leben in winzigen Wohnungen, und viele Berufsanfänger:innen müssen noch auf Jahre bei den Eltern leben. Kritiker halten zudem das Sozialsystem für inadequat.
Hongkong: Die Geschichte als britische Kronkolonie
Die Geschichte Hongkongs beginnt mit de Kolonialisierung. Als britische Handelsvertreter die Insel das erste Mal betraten, waren die felsigen Inseln des „duftenden Hafens“ weitgehend unbewohnt. Nur einzelne Fischer lebten dort, das üppige Grün der Hänge - das heute wieder zu sehen ist - war gerodet. Britische Handelshäuser versuchten in jener Zeit, das abgeschottete China der Qing-Dynastie für den Handel zu öffnen. Großbritannien importierte Tee, Seide und Porzellan aus China, dem es Luxusgüter verkaufte. Der Importüberschuss wurde so groß, dass die Briten begannen, den Chinesen ihr in Indien angebautes Opium zu verkaufen. Opiumsucht breitete sich im Qing-Reich aus, so dass der chinesische Kaiser Daoguang 1839 den Handel mit der Droge verbot. Großbritannien weigerte sich jedoch, auf die Opiumeinnahmen zu verzichten und schickte Kriegsschiffe. China verlor den Ersten Opiumkrieg (1839-1842) und musste im Vertrag von Nanking die Insel Hongkong an die Briten abtreten. Sie war fortan eine britische Kronkolonie. Nach dem zweiten Opiumkrieg (1856-1860) folgte das Gebiet der Halbinsel Kowloon. Durch einen 1898 geschlossenen Pachtvertrag erlangten die Briten außerdem 99 Jahre lang die Kontrolle über die so genannten „New Territories“, die das Kolonialgebiet deutlich vergrößerten.
Die Stadt mit ihrem natürlichen, vor Taifunen geschützten Hafen diente in der Kolonialzeit als Handelszentrum des British Empire. Zu Anfang des Zweiten Weltkriegs bot Hongkong zunächst zahlreichen Festlandchinesen Zuflucht vor den Japanern, die dabei waren, große Teile Chinas und auch Asiens zu erobern. Auch Hongkong fiel im Dezember 1941 an Japan; über die Hälfte der Bevölkerung floh aus de Stadt. Nach dem Ende des Krieges begann der bis 1949 dauernde Bürgerkrieg in China, und erneut flohen Festlandchinesen in das britische Territorium. Zu Beginn der Fünfziger Jahre lebten bereits 2,2 Millionen Menschen in Hongkong.
Großbritannien garantierte der Kronkolonie große wirtschaftliche Freiheiten, wodurch Hongkong zu einem internationalen Handels- und Finanzzentrum aufstieg. Internationale Unternehmen fädelten von hier aus ihre ersten Geschäfte in der Volksrepublik ein. In den 1980-er Jahren aber begannen Großbritannien und China allmählich Gespräche über die Rückgabe der Stadt, da der Pachtvertrag für die New Territories 1997 auslief, die Hongkong mit Nahrungsmitteln und Wasser versorgten. Ohne diese Gebiete wäre die Innenstadt auf Hong Kong Island oder in Kowloon nicht lebensfähig gewesen. Beide Seiten einigten sich auf eine Rückgabe Hongkongs zum 1. Juli 1997. Mit der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ wurde Hongkong zur Sonderverwaltungszone Chinas. Die Stadt behält demnach für 50 Jahre - also bis 2047 - eine freie Marktwirtschaft, eine eigene Währung sowie ein eigenes politisches und rechtliches System.
Hongkong: „Ein Land, zwei Systeme“ - formale Autonomie unter Druck
Hongkong erhielt für die Zeit nach der Rückgabe ein Grundgesetz, das politisches System, Wirtschaft und Justiz regelt. Es setzt fest, dass Hongkong beispielsweise eigene Zölle erheben oder individuelle Beziehungen zu anderen Staaten führen darf. Als formelles Staatsoberhaupt Hongkongs fungiert der chinesische Präsident. Die Regierungsgeschäfte aber führt der lokale Hongkonger Verwaltungschef. Die Kommunistische Partei Chinas ist in Hongkong offiziell verboten. Ihre Interessen werden in der Metropole jedoch durch sogenannte „Pro-Peking-Parteien“ vertreten. Ihnen gegenüber stehen die so genannten pan-demokratischen Parteien.
Menschenrechtsorganisationen und Teile der städtischen Bevölkerung sahen das politische System von Anfang an kritisch. Nur etwa die Hälfte des Parlaments wurde in den jeweiligen Wahlbezirken frei gewählt; die restlichen Volksvertreter werden innerhalb von 28 Berufsgruppen gewählt. Diese Berufsgruppen orientierten sich vielfach nach wirtschaftlichen und weniger nach politisch-gesellschaftlichen Interessen und gehörten von Anfang an zum Pro-Peking-Lager. Das chinafreundliche Lager hat im Legislativrat hat auch deswegen bisher immer die Mehrheit gehabt. Bei Distriktwahlen konnten die Verfechter einer stärkeren Demokratisierung, das so genannte pan-demokratische Lager, zuletzt aber große Wahlgewinne einfahren - zum Ärger Pekings. Die Pan-Demokraten und ihre Unterstützer kritisierten die Wahl des Regierungschefs durch ein handverlesenes, pekingfreundliches Wahlkomitee. Sie forderten eine freie Direktwahl.
Auch ohne volle Demokratie aber war die Justiz unabhängig, und die Presse frei. Jedes Jahr am 4. Juni versammelten sich Zehntausende zum Gedenken an die blutige Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz 1989.
Hongkong: Protestbewegung für mehr Demokratie und die Antwort Pekings
2003 gab es erste heftige Proteste gegen die geplante Einführung eines Anti-Subversionsgesetzes, das die Forderung nach der Abspaltung Hongkongs von der Volksrepublik unter Strafe stellen sollte. Das Gesetz wurde vorerst auf Eis gelegt. 2014 brachen Proteste aus, als Peking ankündigte, erneut eine Vorauswahl der Kandidaten für die Position des Verwaltungschefs treffen zu wollen. Die Regenschirm-Bewegung getauften Demonstrationen mobilisierten immer mehr Hongkonger für ihre Forderung nach mehr Demokratie mobilisieren. Teilweise werden die Versammlungen mit Gewalt beendet. 2015 verschwanden fünf Hongkonger Verleger, die unter anderem Bücher über pikante Details aus dem Privatleben chinesischer Politiker herausbrachten - was die Angst vor der unsichtbaren Hand Pekings weiter wachsen ließ.
Als 2019 ein Gesetz zur Auslieferung von Häftlingen und Verdächtigen an die Volksrepublik geplant wurde, brachen deshalb erneut Massenproteste aus, die vermehrt auch in Gewalt umschlugen. An diesen Protesten nahmen teilweise weit über eine Million Menschen teil. Doch manche Bürger lehnten die Bewegung während der Zerstörung etwa von unbeteiligten Ladengeschäften auch ab. Peking fühlte sich herausgefordert und erließ als Reaktion auf die anhaltenden Proteste 2020 ein harsches Sicherheitsgesetz für Hongkong. Viele prominente Aktivist:innen wurden in der Folge festgenommen und vor Gericht gestellt, andere flüchteten ins Ausland. Im März 2021 folgte dann eine Reform des Wahlrechts und eine Vorgabe, dass nur „Patrioten“ in Hongkong in Ämter gewählt werden dürfen.
Inwieweit diese Reformen den Charakter Hongkongs nachhaltig verändern, ist noch unklar. Europa und die USA haben die Maßnahmen kritisiert und beispielsweise Auslieferungsabkommen mit Hongkong suspendiert.