Harte Worte: Gauland freut sich über CSU-Duktus - Söder legt bei Hayali nach

Verschiebt sich im Asyl-Streit die „Grenze des Sagbaren“? Die AfD freut sich jedenfalls über die Wortwahl der CSU. Markus Söder geht auf Nachfrage nochmals in die Offensive.
Berlin/München - Seit bald zwei Wochen streitet sich die Union auf Biegen und Brechen um Zurückweisungen an der Grenze - und spätestens seit dem Bundestagswahlkampf 2017 dominiert das Thema Asyl die Debatte. Im Dauerstreit haben sich auch die Positionen der Parteien verändert. Und offenbar ihre Wortwahl: „Der Diskurs rutscht nach rechtsaußen weg“, sagte Politikberater und Autor Johannes Hillje Anfang der Woche dem Münchner Merkur*.
Im Fokus der Kritik steht nicht zuletzt die CSU: Für seine Rede von der „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ erhielt Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt vor Wochen massiven Gegenwind - auch aus Unions-Reihen. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zog mit dem Hinweis auf „Asyl-Tourismus“ weiteren Argwohn auf sich. Unter anderem die bayerischen Wohlfahrtsverbände beschwerten sich über ein weiteres „Anfachen einer emotionalisierten Debatte“.
Wie aufs Stichwort kocht das Thema zum Ende der Woche erneut hoch. In einem Interview hat AfD-Fraktionschef Alexander Gauland jetzt in bemerkenswerten Worten den Duktus der CSU bejubelt - und auch ein Auftritt Söders bei Moderatorin Dunja Hayali im ZDF-Frühstücksfernsehen ließ aufhorchen.
Gauland über CSU-Äußerungen: „Vor zwei Jahren wäre das als rechtsradikal verschrien worden“
Gauland bestätigte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, die AfD habe die „Grenzen des Sagbaren“ verschoben. Als Beleg führte er just Äußerungen der CSU ins Feld. „Da hat sich inzwischen viel verändert, wenn Herr Söder sagt, dass der Asyl-Tourismus zu Ende gehen muss oder wenn Herr Dobrindt von der Anti-Abschiebe-Industrie spricht“, sagte er.
Noch vor zwei Jahren wären solche Äußerungen - zumindest aus dem Munde der AfD - als „rechtsradikal und fremdenfeindlich verschrien worden“, befand Gauland. Die CSU argumentiere in ihrem Streit mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) „zum Teil mit Begriffen, die sie von uns übernehmen.“
Söder rügt „Belehrungsdemokratie“
Fast zur gleichen Zeit befragte ZDF-Frau Dunja Hayali Söder zur Wortwahl der CSU. Die streitbare Moderatorin warf dem Ministerpräsidenten am Donnerstag im Morgenmagazin vor, mit Wörtern wie „Asyl-Tourismus“ oder „Asyl-Gehalt“ Fluchtursachen zu verharmlosen und sich verbal der AfD anzunähern.
Der Ministerpräsident wies die Kritik allerdings zurück: „Wir verwenden Worte sehr verantwortungsvoll“, erklärte Söder knapp. Und ging seinerseits in die Offensive: „Seit zwei, drei Jahren haben wir diese Belehrungsdemokratie“, sagte Söder. „Es wird den Leuten ständig erzählt, wenn es um Kriminalität geht, um kulturelle Identität, das seien eigentlich falsche Ängste“ - Sorge über das bayerische Polizeiaufgabengesetz werde hingegen als „gute Angst“ dargestellt.
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CSU stand auch schon auf Landesebene in der Kritik
Söders Äußerungen stehen allerdings in Kontrast zu offiziellen Statistiken, die tatsächlich Anlass geben, Ängste zu relativieren. So befindet sich die Kriminalität in Deutschland auf einem 25-Jahres-Tief und die Zahl der Asylgesuche ist nach 2016 wieder stark rückläufig. Diese Daten kommen nicht aus dem Ungefähren - sondern aus dem Bundesinnenministerium seines Parteifreundes Horst Seehofer. Ähnlich sehen die Statistiken aus dem CSU-geführten Innenministerium in Bayern aus.
Empörung hatte die CSU zuvor übrigens auch schon auf Landesebene erhalten. Just im Falle des von Söder genannten Polizeiaufgabengesetzes. Die Bevölkerung sei von „Lügenpropaganda“ in die Irre geführt worden, sagte Innenminister Joachim Herrmann im Mai mit Blick auf Großdemonstrationen gegen die Novelle. Herrmann diskreditiere nicht nur diejenigen, die sich um ihre Bürgerrechte sorgten, er bezichtigte auch die Medien der Lüge, die ihrer journalistischen Pflicht nachkommen, konterte SPD-Landeschefin Natascha Kohnen.
Freitag bringt weitere Verbal-Eskalation im Asyl-Streit
Am Freitagnachmittag legte auch Horst Seehofer mit weiteren harten Worten nach. Entliehen sind sie dem Vokabular Donald Trumps: Seehofer bezichtigte deutsche Journalisten, im Asylstreit absichtlich „Fake-News“ zu verbreiten, wie das Handelsblatt berichtet. Eine Grenze des guten Geschmacks überschritt fast zeitgleich auch Italiens Innenminister Matteo Salvini, den Söder und Seehofer wohl in eine asylpolitische „Achse der Willigen“ einbauen wollen. Salvini sprach mit Blick auf aus Seenot gerettete Flüchtlinge von „Menschenfleisch“.
fn (mit dpa)
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