Plötzlich diese Umsicht: CSU und CDU könnten einen Impfpflicht-Coup liefern - und einen GAU verhindern

Seit Wochen wird über die Impfpflicht gestritten. Nun rafft sich die Union doch noch zu einem Vorschlag auf - und der könnte ein großes Problem lösen, kommentiert Florian Naumann.
Lange Zeit hat die Union in Sachen Corona nicht gerade Werbung in eigener Sache gemacht - Chaos-Gipfel, Schlingerkurs um monatelange „Wellenbrecher“-Lockdowns, Masken-Deals: Die Pandemie-Politik der ausgehenden Ära Merkel war kein Ruhmesblatt. Und auch das ständige Genörgel an der geplanten Impfpflicht-Abstimmung ohne Fraktionszwang schmeckte in der ansonsten durchaus erhellenden Bundestagsdebatte zum Thema stark nach Themaverfehlung. Doch jetzt könnte CDU und CSU tatsächlich der Turnaround gelingen.
Corona-Impfpflicht: Unions-Vorstoß kommt - er könnte den politischen GAU in der Pandemie vermeiden
Denn nach einem weiteren - im Prinzip unnötigen - Hickhack wollen die Schwesterparteien jetzt einen eigenen Impfpflicht-Vorschlag vorlegen. Das hat der CSU-Landesgruppen-Chef im Merkur angekündigt. Und der Unions-Plan hat einen bestechenden Vorzug. Er ermöglicht einerseits Vorbereitungen auf eine Impfpflicht. Und könnte zugleich den politischen GAU vermeiden: Eine je nach Variantenlage im Herbst erbittert um- und teils bekämpfte, aber letztlich als Mittel gegen die Virusverbreitung fast obsolete Pflicht zur Impfung.
Der Clou nämlich: Nach Dobrindts Worten soll erst ein Bundestags-Beschluss - nach eingehender Experten-Beratung - die vorab definierten Impfpflicht-Pläne in Kraft setzen. Das ist eine kluge Synthese der so kontrovers debattierten Pläne. Denn natürlich hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Recht, wenn er vor möglichen neuen Corona-Varianten warnt, die wieder eine tödlichere Gefahr als Omikron darstellen könnten. Doch noch führt eben Omikron das Pandemie-Zepter. Und Virologen lassen durchblicken: Die Impfungen schützen aktuell zwar gut gegen schwere Verläufe, aber eben nicht so sehr gegen Ansteckung und Weitergabe des Virus.
Impfpflicht-Streit: Die Politik muss vorausschauen - aber sie darf nicht zu weit gehen
Auch angesichts einer etwas entspannteren Lage in den Kliniken könnte eine Impfpflicht zu weit greifen - womöglich gilt das sogar verfassungsrechtlich. Und im Ringen um Vertrauen für die Corona-Politik wäre eine ungerechtfertigte Pflicht der schlimmstmögliche Fall. Eine Impfpflicht ist ein indirekter Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und ein direkter in die Entscheidungsfreiheit der Bürger. Sie ist die Ultima Ratio, wenn neues allgemeines Ungemach für Leib und Leben, für das Gesundheitssystem, aber auch für wirtschaftliche Existenzen und die Bildung und das Sozialleben von Kindern und Jugendlichen droht. Nur in einem solchen Szenario kann sie verhältnismäßig sein.
Dass es so weit noch einmal kommt, ist nicht ausgeschlossen. Die Politik sollte vorbereitet sein. Aber sie sollte keinen Eingriff auf Verdacht beschließen. Insofern wäre eine bis ins Detail fertig ausgearbeitete, womöglich je nach Szenario abgestufte Impfpflicht auf Abruf womöglich tatsächlich der Königsweg. Mit einem Beschluss des Bundestags nur im Ernstfall in Kraft gesetzt, würde sie zudem zeigen: Die Politik handelt nicht leichtfertig, sie geht nicht weiter, als sie muss. Wenn Unklarheit herrscht, kann es klug sein, sich auf alles vorzubereiten - und erst zu gegebener Zeit zu entscheiden.
Womöglich glückt Dobrindt und Co. hier der vorausschauendste Schritt der Union in der gesamten Corona-Krise.
Florian Naumann