Ein Eskalationspunkt für den Iran-Konflikt: Der Sturm auf die US-Botschaft im Irak

Der seit Langem schwelende Konflikt zwischen USA und Iran droht zu eskalieren: Nach US-Luftangriffen auf pro-iranische Milizen im Irak stürmten tausende Demonstranten die US-Botschaft in Bagdad.
Bagdad – Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran hält die Welt zum Jahresanfang 2020 in Atem - ein Punkt, an dem sich eine erste Eskalation abzuzeichnen schien, war ein Sturm pro-iranischer Milizen auf die US-Botschaft in Bagdad am 31. Dezember. Wenig später töteten die Vereinigten Staaten Ghassem Souleimani, General der Al-Kuds-Brigaden. Das Entsetzen war teils auch im Westen groß.
Was war passiert? Pro-iranische Demonstranten in Bagdad hatten zunächst an einem Trauerzug für die Getöteten der US-Luftangriffe vom vergangenen Sonntag teilgenommen. Anschließend gelang es ihnen, ungehindert alle Kontrollposten zur streng gesicherten Grünen Zone, in der sich die US-Botschaft befindet, zu passieren und erstmals seit Jahren zu der US-Vertretung vorzudringen.
Iran-Konflikt: Eskalation in Bagdad - „Tod Amerika“
Sie riefen „Tod Amerika“, forderten den Abzug der US-Truppen im Irak, warfen Steine, verbrannten US-Flaggen und rissen Überwachungskameras aus den Wänden. Dann durchbrachen tausende teils uniformierte Kämpfer und Anhänger der pro-iranischen Hasched-al-Schaabi-Miliz die Außenwand des Botschaftsgeländes. US-Sicherheitskräfte auf dem Gelände feuerten zunächst Schüsse ab, dann Tränengas und Blendgranaten.
Iraks amtierender Regierungschef Adel Abdel Mahdi forderte die wütende Menge auf, das Gelände zu verlassen. Die meisten Demonstranten verbrachten dennoch die Nacht vor Ort. Am Mittwoch setzten sie ihren Sturm auf das Gelände zunächst fort.
Iran im Streit mit den USA: Männer in Militäruniformen attackierten US-Botschaft
Gruppen von Männern, viele davon in Militäruniformen, schwenkten Hasched-al-Schaabi-Flaggen, riefen Anti-US-Slogans und warfen Steine auf das Botschaftsgebäude. Hunderte Demonstranten errichteten eine Sitzblockade vor der Botschaft. Die Hasched-al-Schaabi-Miliz forderte die Demonstranten am Mittwoch schließlich auf, sich zurückzuziehen. Die Sitzblockade solle außerhalb der Grünen Zone fortgesetzt werden.
Während einige Demonstranten dem Aufruf nachkamen, kündigte ein Vertreter der Hisbollah-Brigaden an, ihre Anhänger würden vor der Botschaft bleiben. Hintergrund der Eskalation sind die US-Luftangriffe auf die pro-iranischen Hisbollah-Brigaden, bei denen am Sonntag 25 Kämpfer getötet worden waren.
Iran-Konflikt: Pro-iranische Kräfte im Irak griffen US-Stellen an
Die Hisbollah-Brigaden sind Teil der pro-iranischen, überwiegend schiitischen Hasched-al-Schaabi-Milizen. Mit ihren Luftangriffen reagierte die US-Armee auf den Tod eines US-Zivilisten bei einem Raketenangriff auf einen US-Militärstützpunkt im Irak.
US-Präsident Donald Trump hatte am Dienstag den Iran für den Angriff auf das Botschaftsgelände in Bagdad verantwortlich gemacht und mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Dennoch gab er an, nicht mit einem Krieg mit dem Iran zu rechnen. Die USA kündigten allerdings die Entsendung von rund 750 zusätzlichen Soldaten in die Golfregion an.
Iran: Chamenei verurteilte USA scharf - der Konter folgte
Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei verurteilte die US-Luftangriffe an Neujahr scharf. An die Adresse Trumps gerichtet twitterte er, dieser könne „gar nichts machen“. Überdies führten die „US-Verbrechen im Irak und Afghanistan dazu, dass Nationen euch hassen“. Es sollte nicht die letzte scharfe Verbal-Attacke auf Trump aus dem Iran bleiben.
Die Lage im Irak war bereits seit längerem äußerst instabil; seit Anfang Oktober wurde das Land angesichts einer schweren sozialen Krise von einer beispiellosen Protestwelle erschüttert. Der Iran hat großen Einfluss im Irak und versucht auch, die Bildung einer neuen Regierung zu steuern. Nun könnte der Irak auch zum Schauplatz des sich verschärfenden Konflikts zwischen Iran und den USA unter Donald Trump werden.
Die Folgen der Eskalation scheinen jedenfalls noch offen. Die EU steht unterdessen allerdings wieder einmal ratlos an der Außenlinie, wie unter anderem der Münchner Merkur in einem Kommentar kritisiert.
Ammar Karim/Florian Naumann