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Iran-Krise: Offenbar massive Gewalt gegen Studenten – Biden kündigt „zutiefst besorgt“ Sanktionen an

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Von: Bettina Menzel

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Die Proteste im Iran gehen weiter, sind einem Bericht zufolge aber derzeit offenbar nicht in der Lage, das Regime zu stürzen. News-Ticker.

Update vom 4. Oktober, 20.14 Uhr: Als Reaktion auf das gewaltsame Vorgehen gegen die Proteste im Iran haben die USA weitere Sanktionen gegen Teheran angekündigt. Die USA würden „weiterhin Vertreter des iranischen Staats zur Rechenschaft ziehen und die Rechte der Iraner auf freie Proteste unterstützen“, erklärte US-Präsident Joe Biden am Montag (Ortszeit) in Washington. Die EU prüft Sanktionen gegen den Iran, Frankreich dringt darauf, die Vermögen iranischer Verantwortlicher EU-weit einzufrieren.

Washington werde in dieser Woche „Gewalttätern gegen friedliche Demonstranten“ weitere Sanktionen auferlegen, erklärte Biden, ohne nähere Angaben zu den geplanten Maßnahmen zu machen. Im Streit um das iranische Atomprogramm haben die USA bereits massive Wirtschaftssanktionen gegen Teheran verhängt.

Biden zeigte sich „zutiefst besorgt“ angesichts der Berichte über das „immer brutalere Vorgehen gegen Demonstranten im Iran, darunter Studenten und Frauen“. Die USA stünden an der Seite der iranischen Frauen und aller iranischen Bürger, deren Mut „eine Inspiration für die Welt“ sei, versicherte Biden.

Irans Außenamtssprecher Nasser Kanani warf den USA am Dienstag „Heuchelei“ vor. „Es wäre besser für Biden gewesen, er hätte etwas über die Menschenrechtslage im eigenen Land nachgedacht, bevor er humanitäre Gesten macht, auch wenn Heuchelei nicht durchdacht sein muss“, erklärte Kanani im Online-Dienst Instagram, wie iranische Medien berichteten.

Proteste im Iran gehen weiter: Massive Gewalt gegen Studierende als Reaktion

Update vom 3. Oktober, 17.13 Uhr: Die Protestwelle im Iran ebbt nicht ab. An der Universität Scharif in der Hauptstadt Teheran gingen in der Nacht zum Montag Sicherheitskräfte örtlichen Medienberichten zufolge mit massiver Gewalt gegen Studierende vor, die gegen das repressive islamische System demonstrierten. Auch mehrere Professoren der Elite-Universität sollen nach Angaben des iranischen Nachrichtenportals Emtedad verprügelt worden sein.

Die EU könnte bald mit Sanktionen gegen die Führung der Islamischen Republik reagieren. Deutschland arbeitet diesbezüglich mit Frankreich, Dänemark, Italien, Spanien und Tschechien zusammen. Gemeinsam habe man den Partnern in der EU 16 konkrete Vorschläge unterbreitet, gegen welche Einzelpersonen und Organisationen im Iran Sanktionen verhängt werden sollten, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Für diejenigen, die für den Tod Mahsa Aminis und die gewalttätige Unterdrückung der Proteste die Verantwortung trügen, müsse es Konsequenzen geben.

Nach Informationen des Spiegels handelt es sich bei den Gelisteten vor allem um „Vertreter des iranischen Unterdrückungsapparats“. Auch politische Repräsentanten seien darunter, so das Nachrichtenmagazin. Demnach ist es das Ziel, dass die EU-Außenminister die Sanktionen bei ihrem Treffen am 17. Oktober beschließen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man arbeite mit Hochdruck daran, die Vorschläge umzusetzen.

Proteste im Iran: Außenministerin Baerbock kritisiert „rohe Gewalt des Regimes“

Update vom 3. Oktober, 13.55 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock hat sich entsetzt über die Gewalt gegen protestierende Studierende in Teheran geäußert. Es sei „kaum zu ertragen, was an der Sharif-Universität in Iran passiert“, twitterte die Grünen-Politikerin. „Der Mut der Iraner*innen ist unglaublich.“

Baerbock kritisierte in diesem Zusammenhang „die rohe Gewalt des Regimes“. Diese sei „Ausdruck der puren Angst vor der Kraft von Bildung und Freiheit.“ Es sei „schwer zu ertragen, dass unsere außenpolitischen Möglichkeiten begrenzt sind“, schrieb Baerbock weiter mit Blick auf Unterstützung für die Protestbewegung. „Aber wir können ihre Stimme verstärken, Öffentlichkeit schaffen, anklagen und sanktionieren. Und das tun wir“, hob sie hervor.

Chamenei zu Iran-Protesten: Sind Verschwörung der USA und Israels

Update vom 3. Oktober, 13.25 Uhr: Irans oberster Führer hat die jüngsten Unruhen im Land als Verschwörungsoperation der USA, Israels und der „iranischen Verräter im Ausland“ dargestellt. „Eine junge Frau ist ums Leben gekommen und das war sehr bitter und bedauerlich“, sagte Ali Chamenei in seiner ersten Reaktion zum Fall der gestorbenen Mahsa Amini und den anhaltenden Protesten. Es sei aber weder normal noch akzeptabel, aus diesem Grund Korane, Moscheen, Autos und Banken zu verbrennen und den Frauen die Schleier vom Kopf zu reißen.

„Diese Randale sind eine von den USA, dem zionistischen Regime (Israel) und iranischen Verrätern im Ausland programmierte Operation, um die Sicherheit des Landes zu torpedieren“, sagte der Kleriker im Staatssender IRIB. Es gehe den USA und dem Westen weder um die im Polizeigewahrsam gestorbene Amini noch um den Kopftuchzwang im Iran.

„Keiner in den USA trauert um die gestorbene Frau, sondern es geht hier lediglich um die Unabhängigkeit der islamischen Republik und ihren Widerstand (gegen die USA)“, sagte Chamenei . Die Amerikaner und die Feinde des Irans wollten diesen Widerstand brechen und das Land erneut vom Westen abhängig machen. Chamenei hat laut Verfassung das letzte Wort in allen strategischen Belangen des Iran.

Iran-Krise: Ali Chamenei bei einer Zeremonie in Teheran im Oktober 2022
Handout vom 3. Oktober: Ali Chamenei in Teheran © KHAMENEI.IR /AFP

„Bürgerkriegsähnliche“ Zustände bei Iran-Protesten: Sicherheitskräfte riegeln Uni ab

Update vom 3. Oktober, 12.01 Uhr: Nach den heftigen Unruhen in der Universität Scharif in Teheran wurde dort der Unterricht bis auf weiteres eingestellt. Nach Angaben des Nachrichtenportals Aftab-News werde er ab jetzt nur noch online stattfinden. Studenten zufolge ist das wegen der Internetsperren, die im Zusammenhang mit den systemkritischen Protesten verhängt wurden, derzeit kaum machbar.

Am Vorabend waren Sicherheitskräfte örtlichen Medienberichten zufolge mit Gewalt gegen Studierende vorgegangen. Polizisten und Milizen riegelten den Campus in der Nacht ab. In den sozialen Medien war von einem Polizeiangriff und „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen die Rede. Die iranischen Medien wiesen diese Berichte als übertriebene Stimmungsmache zurück. Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor gut zwei Wochen.

Iran-Krise: Straßenproteste in Teheran im September 2022
Aufnahme vom 21. September: Straßenproteste in Teheran © AFP

Studenten protestieren in Iran: Polizei setzt Tränengas ein

Update vom 2. Oktober, 22.45 Uhr: Im Internet kursieren Videos, die zeigen sollen, wie Sicherheitskräfte mit ihren Fahrzeugen eine besetzte Universität in Teheran umstellen. In den Gebäuden befinden sich offenbar demonstrierende Studenten. Sie riefen um Hilfe, schrieb der Filmemacher und Aktivist Maziar Bahari in einem hundertfach geteilten Tweet. Ordnungskräfte seien dort zudem gegen friedliche Demonstranten vorgegangen. Das Medium Iranwire berichtete von Tränengas-Einsatz und Schüssen mit Plastik-Munition auf Protestierende.

Die Meldung nahm der CDU-Politiker Johann Wadephul zum Anlass, auf schnelle Intervention aus Berlin zu drängen. „Wo ist die Bundesregierung? Wo ist Bundeskanzler? Wo ist Annalena Baerbock? Diese mutigen Menschen brauchen jetzt Staaten, die sich zu ihren Anwälten machen“, schrieb der aus Schleswig-Holstein stammende Bundestagsabgeordnete: „Auch feministische Außenpolitik muss den Praxistest bestehen.“

Baerbock hatte zuvor den regierungskritischen Demonstranten im Iran ihre Unterstützung zugesagt. „Wir schauen hin. Wir stehen an eurer Seite“, sagte die Grünen-Politikerin am Sonntag in Hannover bei einem Wahlkampfauftritt vor der Landtagswahl in Niedersachsen. Die Möglichkeiten der Außenpolitik seien manchmal begrenzt, räumte sie ein. „Aber wir können hinschauen. Wir können die Stimme dieser Frauen sein.“

Iran-Krise: Proteste haben erste Folgen für Regime – Gerüchte um „Obersten Führer“

Erstmeldung vom 2. Oktober: Teheran - Nach dem Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini in Polizeigewalt gehen die Proteste im Iran weiter. Am Freitag (30. Oktober) starben bei gewalttätigen Ausschreitungen im Südosten des Landes staatlichen Angaben zufolge mindestens 19 Menschen, 20 weitere wurden schwer verletzt. Die tatsächliche Zahl der Toten und Verletzten könnte höher liegen, die lokale Nachrichtenseite Haalvsh sprach von mindestens 36 Toten und 50 Verletzten. Indes wurden Gerüchte über Ali Chamenei, den „Obersten Führer“ im Iran laut. Steht ein Machtwechsel bevor?

Laut Angaben der Nachrichtenagentur AFP war zunächst nicht klar, ob die Zusammenstöße im Südosten des Landes in Zusammenhang mit den Protesten standen, die durch den Tod von Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei entfacht worden waren. Denn in der an Pakistan und Afghanistan grenzenden iranischen Provinz Sistan-Baluchestan kommt es häufiger zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen. Oft handelt es sich um Schmuggler, separatistische oder extremistische Gruppen.

Iran-News: Mindestens 19 Tote bei Protesten - darunter auch lokaler Geheimdienstchef

In den sozialen Medien kursierten allerdings Berichte, dass der Vorfall im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten stehe. Die Behörden dementierten dies. Aktivisten behaupteten, die Sicherheitskräfte hätten aus einem Hubschrauber auf eine in der Maki-Moschee versammelte Menschenmenge geschossen, wie die New York Times berichtete.

Nach Angaben der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) von Samstag griffen „Terror- und Separatistengruppen“ während des Freitagsgebets in Sahedan eine Polizeiwache an. Die IRGC verhafteten eigenen Angaben zufolge mehrere Menschen, die sie als „Terroristen“ beschrieben. Unter den 19 Toten war offenbar auch der lokale IRGC-Geheimdienstchef.

Bereits vor dem Tod der Menschen im Südosten des Landes waren nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) bislang mindestens 83 Personen bei den Protesten im Iran getötet worden. Der iranische Geheimdienst teilte am Freitag mit, dass sich unter den bislang Verhafteten im Land neun ausländische Staatsangehörige unter anderem aus Deutschland, Polen, Italien, Frankreich, Schweden und den Niederlanden befänden.

Iran-News: „Oberster Führer“ Chamenei womöglich krank oder arbeitsunfähig

Der Regierungschef des Iran, Ebrahim Raisi, hatte kurz nach Beginn der Proteste für einen Eklat gesorgt, als er ein Interview mit einer US-Journalistin in New York City absagte, da diese kein Kopftuch trug. Kurz darauf stimmte der Hardliner eher versöhnlichere Töne an. „Ich habe schon immer gesagt, dass wir unserer Toleranzschwelle bezüglich Kritik und auch Protesten erhöhen sollten“, sagte Raisi angesichts der Proteste im Iran am vergangenen Mittwoch. Auch die Umsetzung der Gesetze könne reformiert und revidiert werden, was dem Land sogar nützen würde, so der iranische Präsident weiter.

De facto ist Ajatollah Ali Chamenei der Machthaber im Iran. Der „Oberste Führer“ ist auf Lebenszeit ernannt, kontrolliert Parlament und Medien und gilt als politisches und religiöses Oberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Der 83-Jährige ist gesundheitlich offenbar angeschlagen, wie aus einem Bericht der Forscher der US-Denkfabrik Institute for the Study of War hervorgeht.

US-Forscher zu Protesten in Iran: „Können derzeit nicht das Regime stürzen“

Chamenei sei seit Beginn der landesweiten, regierungsfeindlichen Proteste, die am 16. September begannen, ungewöhnlich abwesend gewesen, hieß es vonseiten der ISW-Experten. Es gebe Gerüchte, wonach sich der Gesundheitszustand des „Obersten Führers“ verschlechtert haben solle, diese konnten zunächst nicht verifiziert werden. Allerdings gäbe es Anzeichen, dass Chamenei krank oder arbeitsunfähig sei, so der ISW-Bericht weiter. Demnach könnte eine Nachfolge unmittelbar bevorstehen. „Präsident Ebrahim Raisi - ein prominenter Anwärter auf die Nachfolge Chameneis - positioniert sich mit Unterstützung hoher Offiziere des Korps der Islamischen Revolutionsgarden als nächster ‚Oberster Führer‘“, so die Forscher.

Im Hinblick auf die aktuellen Proteste gehen die ISW-Experten davon aus, dass diese zwar die Fähigkeit des Regimes belasten würden, hart durchzugreifen. Die Aufstände seien aber bislang noch nicht existenziell. „Die Proteste scheinen [...] derzeit nicht in der Lage zu sein, das Regime zu stürzen“, so der Bericht.

Während der Proteste nehmen Frauen immer wieder die vorgeschriebenen Kopftücher ab, manchmal verbrennen sie die Tücher auch. Um die Aufstände im Land einzudämmen, schränkte der Iran den Internetzugang ein. Weltweit gehen Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität zu bekunden. So auch am Samstag in Deutschland. (bme)

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