Iran greift US-Ziele im Irak an

Der Konflikt der USA mit Teheran scheint vollends zu eskalieren: Der Iran macht seine Rachedrohung wahr und greift US-Ziele im Irak mit Raketen an.
Teheran/Washington (dpa) - Ein iranischer Vergeltungsangriff auf US-Soldaten im Irak schürt die Angst vor einer weiteren Eskalation und einem möglichen neuen Krieg im Nahen Osten.
Das Pentagon bestätigte Attacken auf die vom US-Militär genutzten Stützpunkte Ain al-Assad westlich von Bagdad und im nördlich gelegenen Erbil in der Nacht. Der Iran bezeichnete die Raketenangriffe als «Akt der Selbstverteidigung» nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani durch einen US-Luftschlag.
Die Lage am Persischen Golf ist extrem angespannt, seit die USA den ranghohen Militärstrategen Soleimani vergangene Woche bei einem Drohnenangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad gezielt töteten. US-Präsident Donald Trump drohte den Iranern danach mit drastischen Konsequenzen im Falle eines Gegenangriffs.
Nach den Raketenangriffen aus der Nacht äußerte sich Trump zunächst nicht dazu, wie die USA darauf reagieren würden. Stattdessen schrieb er auf Twitter «Alles ist gut!» und kündigte eine Stellungnahme am Mittwochmorgen (Ortszeit) an. Derzeit würden mögliche Opfer und Schäden bewertet, fügte er hinzu. Und: «Wir haben das stärkste und am besten ausgestattete Militär überall auf der Welt, bei weitem!». Zuvor hatte er seine wichtigsten Minister zu einer Krisensitzung im Weißen Haus empfangen.
Die iranischen Revolutionsgarden teilten mit, bei der «Operation Märtyrer Soleimani» sei der mit 35 Raketen attackierte Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad «vollständig zerstört» worden. Der Angriff mit ballistischen Boden-Boden-Raketen auf die «von den Amerikanern besetzte» Basis sei «in jeder Hinsicht ein voller Erfolg» gewesen.
Im Irak sind auf mehren Stützpunkten rund 5000 US-Soldaten stationiert, die das internationale Militärbündnis gegen die Terrormiliz IS anführen. «Diese Stützpunkte sind wegen Hinweisen auf geplante Angriffe des iranischen Regimes auf unsere Truppen und Interessen in der Region in hoher Alarmbereitschaft gewesen», hieß es aus dem US-Verteidigungsministerium.
Die erste offizielle Stellungnahme der iranischen Regierung nach den Angriffen kam von Außenminister Mohammed Dschawad Sarif. «Wir streben nicht nach einer Eskalation oder Krieg, aber wir werden uns gegen jede Aggression verteidigen», schrieb er auf Twitter. Der Iran habe «verhältnismäßige Maßnahmen zur Selbstverteidigung ergriffen und abgeschlossen». Sarif bezog sich dabei auf Artikel 51 der UN-Charta - dieser beschreibt das Recht auf Selbstverteidigung im Falle eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitgliedsland der Vereinten Nationen.
Zwar hatten vom Iran unterstützte schiitische Milizen die US-Stützpunkte im Irak zuletzt häufiger mit technisch einfacheren Raketen angegriffen. Ein direkter Angriff aus dem Iran markiert jedoch eine neue Eskalationsstufe im Konflikt mit den USA.
Der einflussreiche US-Senator und Trump-Verbündete Lindsey Graham sprach von einem «kriegerischen Akt» des Irans. Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, warnte vor einer kriegerischen Eskalation: «Amerika und die Welt können sich keinen Krieg leisten», mahnte die ranghöchste Trump-Kritikerin in der Kongresskammer.
Die Revolutionsgarden warnten direkt nach den Attacken den «großen Satan» USA vor Gegenangriffen. Jede US-Reaktion werde mit einer härteren Reaktion erwidert, teilte die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte in einer Presseerklärung mit. Außerdem sollten die Verbündeten der USA wissen, dass auch ihre den Amerikanern zur Verfügung gestellten Stützpunkte Ziel iranischer Angriffe werden könnten, falls von dort aus Angriffe auf den Iran erfolgen sollten, hieß es in der Erklärung weiter. Die USA sollten ihre Truppen abziehen, damit deren Leben nicht gefährdet werde.
Den in Erbil stationierten deutschen Bundeswehr-Kräften ist einem Sprecher zufolge nichts passiert. «Den Soldaten geht es gut», sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundesregierung prüft nach den iranischen Vergeltungsangriffen nun einen Teilrückzug der im nordirakischen Erbil stationierten Bundeswehrsoldaten. «Wir haben mit der internationalen Koalition sowieso vereinbart, dass alle Kräfte, die nicht benötigt werden, keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden», sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im ARD-«Morgenmagazin». Im nordirakischen Kurdengebiet sind noch mehr als 100 deutsche Soldaten im Einsatz. Sie haben ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft.
Die dramatisch zunehmenden Spannungen zwischen den USA und Iran machen auch Börsianern große Sorgen. Nach der militärischen Eskalation in der Nacht reagierte die asiatische Leitbörse in Tokio mit Verlusten. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte fiel um 1,6 Prozent auf 23 204,76 Punkten. Das als sicherer Hafen geltende Edelmetall Gold war so stark gefragt, dass der Preis um rund 20 Dollar auf 1594 Dollar stieg.
Im Irak sind derzeit an mehreren Standorten rund 5000 US-Soldaten stationiert. Aus Vergeltung für die Tötung des Top-Generals Ghassem Soleimani griff der Iran unter anderem den Stützpunkt Ain al-Assad westlich der Hauptstadt Bagdad an. US-Präsident Donald Trump hatte die irakisch-amerikanische Basis im Dezember 2018 besucht - es war sein erster Besuch von Kampftruppen im Ausland überhaupt. Vize-Präsident Mike Pence war im November vergangenen Jahres dort. Während des Irakkriegs 2003 und den folgenden Jahren bis 2011 gehörte Ain al-Assad zu einem der größten US-Militärstützpunkte im Land. Die Basis wurde mehrfach von der Terrormiliz Islamischer Staat angegriffen.