Kimmich-Zoff: Stiko-Chef spricht von „grenzenlosem Unfug“ - Mediziner warnt Bayern-Star
Die Impfdiskussion um Kimmich erreicht die Politik. Regierung und Ethikrat hoffen auf ein Umdenken des Bayern-Spielers. Damit könne er als Vorbild dienen.
- Bayern-Profi Joshua Kimmich machte am vergangenen Wochenende öffentlich, dass er noch nicht gegen das Coronavirus geimpft ist (siehe Erstmeldung vom 25. Oktober).
- Kimmich engagierte sich in der Vergangenheit im Kampf gegen das Virus, gründete mit Mannschaftskollege Leon Goretzka „We kick Corona“.
- Viele kritisieren die Entscheidung Kimmichs, Stiko-Chef Mertens springt ihm zur Seite (siehe Update vom 26. Oktober, 10.03 Uhr).
Update vom 26. Oktober, 15.01 Uhr: Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat sich in die Debatte um Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich eingemischt. "Aus meiner Sicht ist es nach wie vor das einzig Richtige, sich impfen zu lassen. Das zeigen alle Berichte aus den Krankenhäusern", sagte der CSU-Politiker dem SID im Rahmen der Vorstellung der European Championships 2022 in München.
Herrmann sieht dabei Fußballer wie Bayern-Profi Kimmich in der Verantwortung. "Da sollten gerade auch Sportler mit gutem Beispiel vorangehen und sagen: 'Ich lasse mich impfen'", erklärte Herrmann: "Für die meisten Sportler, die ich kenne, gilt das auch."
Update vom 26. Oktober, 11.12 Uhr: Immer mehr Personen äußern sich zum Fall Joshua Kimmich. Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln, warnt nun vor Langzeitfolgen bei ungeimpften Sportlern durch Long-Covid. Auch Kimmich, der sich noch nicht gegen das Coronavirus hat impfen lassen, gehöre zur gefährdeten Gruppe, nach einer möglichen Corona-Infektion möglicherweise an Spätfolgen zu leiden. „Das Risiko, das er hier eingeht, ist ziemlich groß. Die großen Probleme bei den nichtgeimpften Sportlern ergeben sich durch Long-Covid“, sagte Froböse am Dienstag im ARD-Morgenmagazin.
Im schlimmsten Fall könne Long-Covid, wie schon bei anderen Sportlern eingetreten, zum Karriereende führen. An der Sporthochschule in Köln seien mittlerweile viele Sportler in der Betrachtung und Betreuung, „die langwierige Folgen haben, dadurch, dass sie sich nicht geimpft“ seien, sagte Froböse. Die Argumentation von Kimmich könne er nicht ganz nachvollziehen: „Falsch macht er, dass er einen falschen Blick auf die Impfung wirft“. Es gebe natürlich Nebenwirkungen, „aber das sind immer nur akute Reaktionen durch die Impfung“, sagte Froböse.
Kimmich-Zoff: Stiko-Chef wütet und spricht von „grenzenlosem Unfug“
Update vom 26. Oktober, 10.03 Uhr: Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, kurz Stiko, Thomas Mertens, hält die öffentliche Diskussion um den Impfstatus von Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich für überzogen. „Es ist die persönliche Entscheidung von Kimmich, und die soll es auch bleiben! Die Debatte um Kimmich ist ein grenzenloser Unfug“, sagte Mertens der Bild.
Man würde niemals über private medizinische Entscheidungen von Kimmich diskutieren, „wäre er als Fußball-Profi nicht derart exponiert“, erklärte der Stiko-Vorsitzende. Das 18-köpfige Expertengremium spricht die Empfehlungen für die Anwendung von Impfstoffen in Deutschland aus.
Die Bedenken Kimmichs, wonach der noch auf Langzeitstudien warten wolle, wies Mertens allerdings deutlich zurück. Unter Verweis auf Zulassungsstudien erklärte er, dass es bisher nur „zu einigen Nebenwirkungen gekommen ist, die alle recht kurze Zeit nach der Impfung aufgetreten sind.“ In der Wissenschaft sei man sich einig, dass spät auftretende Nebenwirkungen nach einer Impfung „nicht vorkommen, beziehungsweise eine extrem seltene Rarität bei einzelnen Impfstoffen“ gewesen seien. „Dass es bei der Anwendung eines Impfstoffes über knapp ein Jahr keine Zehnjahres-Beobachtungsstudien geben kann, ist klar“, so Mertens.
Corona-Zoff um Kimmich: Merkel-Sprecher äußert sich - Ethikrat wählt deutliche Worte
Erstmeldung vom 25. Oktober: Berlin - Am Samstag bekannte FC Bayern-Spieler Joshua Kimmich, dass er nicht gegen Corona geimpft ist - aus Sorge über mögliche Langzeitfolgen. Diese Aussage hat Auswirkungen über die Sportwelt hinaus, sie hat ihren Weg in die Politik gefunden. So bietet SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach Kimmich Impf-Aufklärung an. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel meinte, die Entscheidung des Bayern-Profis sei dessen Privatsache und müsse respektiert werden.
Nun hat sich auch die Bundesregierung zu dem Thema geäußert. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, dass es bei einem Fußballnationalspieler nicht anders sei als bei allen anderen: Es sei eine sehr persönliche Entscheidung, sich impfen zu lassen. Es gebe jedoch „klare und überzeugende Antworten von nationalen und internationalen Experten“ für Menschen, die Bedenken wegen der Impfung hätten, so Seibert.
Regierung hofft auf Corona-Impfung von Kimmich: hätte Vorbildwirkung für Millionen
Für Seibert ist die Aussage Kimmichs auch überraschend, da der Münchner gemeinsam mit seinem Teamkollegen Leon Goretzka mit der Aktion „We kick Corona“ Geld für karitative Zwecke sammelt.
Er hoffe, dass Kimmich alle verfügbaren Informationen über die in der EU zugelassenen Impfstoffe „noch einmal auf sich wirken lässt“ und sich doch noch gegen COVID-19 immunisieren lasse. Sollte Kimmich sich noch impfen lassen, könnte dies eine Signalwirkung haben. „Denn als einer, auf den Millionen schauen, hätte er dann erst recht Vorbildwirkung“, so Seibert.
Ethikrat äußert sich zur Kimmichs Impfskepsis: Bayernspieler sei schlecht beraten
In das gleiche Horn stößt Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. „Es ist seine private Entscheidung, das ist ganz wichtig zu beachten“, sagte sie am Montag bei Sky Sport News. Sie finde die Entscheidung des FC-Bayern-Stars aber schade. Joshua Kimmich sei ein Vorbild, zu dem Leute aufschauten und dem man zuhöre. Skeptiker könnten seine Aussagen benutzen, um „Zweifel über die Impfung zu streuen“.
Insgesamt sei Kimmich in Sachen Corona-Impfung „schlecht beraten“, so Buyx. Er sei angesichts seines Verweises auf mögliche Folgeschäden einer Impfung „einer Falschinformation aufgesessen“. Dies sei ein „Irrglaube“. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, und Kimmich als jemand, der im Rampenlicht stehe, sei dabei wichtig. Sollte er sich doch impfen lassen, könne das „einen Ruck geben“. (mhof/SID)