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Ukraine-Krieg bald zu Ende? Ex-General glaubt: „Putin will Rad der Geschichte zurückdrehen“

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Von: Dieter Dorby

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Ex-Bundeswehrgeneral Klaus Naumann erklärt gegenüber Merkur.de, warum er Panzerlieferungen an die Ukraine für überfällig hält und wie er die Chancen auf ein Kriegsende sieht.

Otterfing – Nach wochenlanger Diskussion hat die Bundesregierung grünes Licht gegeben, die Ukraine im Kampf gegen Russland mit 14 deutschen Panzern des Typs Leopard 2 zu unterstützen. Sie sollen Teil einer internationalen Allianz sein, die insgesamt rund 100 Panzer zur Verfügung stellen will. Wir baten Bundeswehrgeneral a. D. Klaus Naumann um eine Einschätzung. Der 83-Jährige lebt in Otterfing (Kreis Miesbach) und war von 1991 bis 1996 Generalinspekteur der Bundeswehr. Anschließend fungierte er bis 1999, auch während des Kosovo-Krieges, als Vorsitzender des Militärausschusses und war damit der oberste Soldat der Nato. Er gilt als der höchstdekorierte deutsche Soldat seit dem Zweiten Weltkrieg.

Deutschland liefert nun nach langem Hin und Her 14 deutsche Leopard-2-Panzer an die Ukraine. Die richtige Entscheidung?

Klaus Naumann: Es ist die richtige, notwendige und berechtigte Entscheidung, verlangt aber auch, dass umgehend Ersatz für die aus dem Bestand der Bundeswehr abzugebenden Panzer bestellt wird. Der Abnutzungskrieg im Donbass befindet sich aktuell in einer Pattsituation. Die Möglichkeit für die Ukraine, diese Panzer im Verbund mit Schützenpanzern und Artillerie einzusetzen, ist die einzige Chance, die Initiative zu übernehmen, das Patt zu durchbrechen, örtlich Überraschung zu erzielen und die Initiative zurückzugewinnen. So werden unnötige Verluste verringert und widerrechtlich besetztes Gebiet zurückerobert.

Krieg zwischen Russland und Ukraine: „Verdacht schwerer Kriegsverbrechen liegt nahe“

Hat Bundeskanzler Olaf Scholz zu lange gezögert?

Naumann: Entschieden zu lange. Er wollte die USA im Boot haben, das ist richtig und wichtig. Aber wer so lange zögert und den Eindruck erweckt, er beuge sich internationalem Druck, zeigt keine Gestaltungskraft. Späte Entscheidungen bringen in einem Bündnis nicht den Einfluss, den nur Führungswille erzeugt.

Sie verfolgen den Krieg von Anfang an intensiv. Wie ist Ihre Bewertung?

Naumann: Seit 24. Februar 2022 führt Russland einen brutalen, völkerrechtlich verbotenen und ungerechtfertigten Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es hat alle Verträge gebrochen und das zentrale Prinzip europäischer Sicherheit verletzt, Grenzen nicht durch Gewalt zu verändern. Der Verdacht liegt nahe, dass eine Vielzahl schwerer Kriegsverbrechen verübt wurde und wird. Die Ukraine dagegen zeigt hervorragende militärische Leistungen und beispielhaften Durchhaltewillen. Russlands Streitkräfte haben wir wohl deutlich überschätzt, und ihre Verluste sind immens.

Ukrainische Streitkräfte in einem Panzer in der Region Kharkiv. Die Truppen warten auf westliche Kampfpanzer, um sich gegen Russland zu verteidigen
Ukrainische Streitkräfte in einem Panzer in der Region Kharkiv. Die Truppen warten auf westliche Kampfpanzer, um sich gegen Russland zu verteidigen. © Vudi Xhymshiti/Imago

Will Putin mit Ukraine-Krieg Europa erneut in zwei Teile spalten?

Aktuell scheint die Situation festgefahren zu sein. Wie wird dieser Krieg weitergehen?

Naumann: Das ist Kaffeesatzleserei. Betrachtet man die Ziele, die Wladimir Putin bereits geäußert hat, lässt das den Schluss zu, dass er nach der Ukraine nicht Halt machen würde. Putin will das Rad der Geschichte zurückdrehen auf den Stand von 1997. Es will die Nato auf den Stand vor der Erweiterung von 1997 zurückdrängen, Europa erneut in zwei Teile spalten und ein russisches Imperium vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer schaffen, in dem eine eigenständige Ukraine keinen Platz mehr hätte. Das ist völlig unannehmbar, und das wird auch niemand hinnehmen. Täten wir es, dann ist auch unsere Sicherheit in Gefahr. In der Ukraine steht die Herrschaft des Rechts, ja sogar unsere Freiheit auf dem Spiel. Zehn Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht, hunderttausende getötet und verschleppt. Natürlich, auch das russische Volk leidet. Und vor allem: Putin macht Russland zur Rohstoffkolonie Chinas. Der Krieg wird vermutlich noch lange dauern. Natürlich hoffe ich wie jedermann auf ein Ende, aber wenn es Ende dieses Jahres zu Verhandlungen kommen sollte, dann können wir uns alle glücklich preisen.

Und der erste Jahrestag am 24. Februar bietet auch keinen Ansatz für Gespräche oder Friedensverhandlungen?

Naumann: Nein. Es gibt dazu keine Bereitschaft Putins. Und die Ukraine sagt zu Recht, dass sie keine Verhandlungen führen will mit der Pistole an der Schläfe – also mit russischen Truppen im eigenen Land.

Nach den Panzern könnten auch Kampfjets ein Thema für die Ukraine sein. Präsident Selenskyj hat das bereits angesprochen. Was halten Sie davon?

Naumann: Nein. Sie stünden im Frühjahr, wenn die nächste russische Offensive droht, nicht zur Verfügung. Die Schulung der Piloten und die Integration in die Streitkräfte kosten eine Zeit, die die Ukraine nicht hat. Es gilt nun, die neuen schweren Waffen zu nutzen, die Ukraine weiter zu unterstützen, damit sie den russischen Angriff auffangen und im Gegenangriff ukrainisches Territorium zurückgewinnen kann.

„Das Patt durchbrechen“: General a. D. Klaus Naumann hält die Lieferung deutscher Panzer für notwendig
„Das Patt durchbrechen“: General a. D. Klaus Naumann hält die Lieferung deutscher Panzer für notwendig. © FKN

Kampfjets und Schiffe für die Ukraine? „Gefährdet zurückgewonnene Geschlossenheit“

Wie lange wird dieser Krieg dauern?

Naumann: Wir müssen uns leider auf einen länger dauernden Krieg im Herzen Europas einstellen. Doch Putin muss in der Ukraine scheitern. Zentrale Voraussetzung dafür ist, dass Nato und Europäische Union geschlossen bleiben. Wer nun neue Forderungen wie Flugzeuge oder Schiffe stellt, gefährdet diese gerade nach der quälenden Panzerdebatte zurückgewonnene Geschlossenheit. Damit hilft man der Ukraine ebensowenig wie mit dem Drängen auf Verhandlungen. Beides hilft nur Putin. Unser Schlüssel zum Erfolg ist die Geschlossenheit von Nato und Europäischer Union. Nur damit kann und wird es gelingen, eine unabhängige und souveräne Ukraine zu erhalten. Dann erst kann man über eine künftige europäische Friedensordnung im atlantischen Verbund verhandeln.

Nach der Entscheidung, Panzer an die Ukraine zu liefern, reagieren russische Medien entsetzt. Ein bekannter TV-Moderator nennt Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock „Abschaum“.

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