Kandidaten-Interviews im Check: Martin Schulz in der ARD – Angela Merkel im ZDF

In einer Woche treffen die Spitzenkandidaten der Union und der SPD im TV-Duell aufeinander. Zuvor gaben beide unabhängig voneinander umfassende Interviews im Fernsehen. Ein Überblick.
München - Genau eine Woche vor dem einzigen richtigen TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz am kommenden Sonntag konnten sich die beiden Kontrahenten gestern schon mal gegenseitig aus der Ferne betrachten – im anderen öffentlichen Kanal.
Die Interviews waren aufgezeichnet, und Schulz startete mit dem Handicap, dass die Merkel-Sendung im ZDF nach der seinen in der ARD aufgezeichnet wurde. Ein taktischer Vorteil für die Bundeskanzlerin: Sie konnte sich ihre Antwort auf Schulz gut überlegen. Vielleicht wegen der deprimierenden Umfragewerte der SPD zeigte Schulz sich recht aggressiv und kritisierte nicht nur die CDU, sondern auch Merkel persönlich: „Abgehoben“ sei sie und „entrückt.“ Die Kanzlerin ließ solcherlei Anwürfe des Gegners wie gewohnt an sich abtropfen. Als ZDF-Moderatorin Bettina Schausten Angela Merkel, die sich am Dienstag auch der großen Sommer-Pressekonferenz stellte, nach fast 18 Minuten Frage-Antwort-Ping-Pong ohne große Neuigkeiten auf die Schulz-Anwürfe und ihre Taktik anspricht, noch nicht einmal seinen Namen in den Mund zu nehmen, kontert Merkel locker: Noch sei sie ja gar nicht nach Martin Schulz gefragt worden. Die Interviews im kurzen Überblick.
Angela Merkel: „Ich nehme alle Mitbewerber ernst“
Die Frage, ob sie glaube, dass der SPD-Mann ein guter Kanzler wäre, übergeht die CDU-Chefin geflissentlich, logisch. Merkel spielt mal wieder ihren Amtsbonus aus: Sie versuche, ihrem Amtseid „wirklich gerecht zu werden - dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen. (...) Und das bedeutet: Den Menschen im Lande zu dienen.“ Sie übe ihr Amt gerne aus, da verstehe es sich doch von selbst, dass sie im Wettbewerb mit Schulz stehe. Und in anderem Zusammenhang sagte sie, sie nehme alle Mitbewerber ernst. Sie stelle sich im Wahlkampf den Menschen, die müssten am 24. September ihre Entscheidung treffen. Punkt. Nächstes Thema.
So ganz nebenbei räumt Merkel in dem Interview die Debatte um die Zukunft des Diesels und des Verbrennungsmotors vorerst ab – akut stelle sich die Frage nach einem konkreten Datum für das Aus dieser Antriebstechniken gar nicht. Wenn schon, dann vielleicht in Jahrzehnten. Sogar das Ende des Jahrhunderts lässt die Kanzlerin in diesem Zusammenhang als Datum fallen. „Es hat keinen Sinn, jetzt die Menschen zu verunsichern“, sagt sie kurz. Etwa beim Thema Bildung, das die Kanzlerin „mit mittlerem Erfolg“ seit neun Jahren betreibe, fragte Bettina Schausten kritisch nach.
Merkel lässt sich nicht aus der Reserve locken, auch nicht beim üblichen Spiel mit künftigen Schlagzeilen. Auf die Frage, ob sie sich beim übernächsten CDU-Wahlparteitag im Jahr 2020 für die Unions-Hoffnung, Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer, als Nachfolgerin einsetzen werde, meint sie, die Frage stelle sich heute nicht. „Ich hoffe, dass ich dann weiter Parteivorsitzende bin. Und dann schau’n wir mal.“ Auch die Frage nach einer möglichen Schlagzeile vom 1. April 2022: „Kochbuch statt Biografie – Ex-Bundeskanzlerin Merkel veröffentlicht ihre besten Rezepte“ räumt Merkel ab: „Vielleicht mache ich das schon vorher.“ Die Kanzlerin verwies auf die bevorstehende Bundestagswahl am 24. September, bei der sie zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden will. „Jetzt haben wir erstmal vier Wochen noch hart zu ringen.“
Martin Schulz: „Sie ist entrückt wie der späte Kohl“
Im Endspurt vor der Bundestagswahl schaltete SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gestern auf Attacke: Er warf Amtsinhaberin Angela Merkel und ihrer Partei „abgehobenes Verhalten“ vor. Er erkenne darin Parallelen zum Ende der Ära des früheren Kanzlers Helmut Kohl in den 90er Jahren.
Schulz ging auch auf aktuelle Vorwürfe des Spiegel ein, der berichtet, Merkel lasse sich für einen „Spottpreis“ von der Flugbereitschaft der Bundeswehr zu Wahlkampfterminen bringen. Die CDU zahle bei dem Wahlkampfreisen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten für die Bereitstellung von Helikoptern und Flugzeugen.
Wie schon so oft beklagte er die Inhaltsleere des CDU-Wahlkampfs: Während die SPD ein „sehr differenziertes Programm“ vorgelegt habe, begnüge sich die Union mit der Aussage: „Wir haben Angela Merkel, und das reicht für die Zukunft“.
Im Umgang mit der Dieselaffäre warf Schulz der Kanzlerin vor, „keinen Plan“ zu haben. Er selbst plädiere für Sammelklagen. Wankelmütig zeige sie sich beim Thema Elektroautos. Das Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Million E-Autos auf die Straßen zu bringen, habe sie „ganz schnell abgeräumt“. Sie habe das Ende von Diesel- und Benzinautos angekündigt, bis es Gegenwind von CSU-Chef Horst Seehofer gegeben habe. „Da ist sie jetzt wieder umgefallen.“
Er kritisierte die Tatenlosigkeit der Kanzlerin im Umgang mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Er als Regierungschef würde „harte Kante zeigen“, auch wenn ihm das 1,2 Millionen ehemalige SPD-Wähler unter den türkischstämmigen Deutschen übel nehmen würden: „Ich habe Prinzipien“.
Angesprochen auf die schlechten Umfragewerte der SPD – um die 22 Prozent – zeigte Schulz demonstrativen Optimismus. Fast die Hälfte der Wähler seien noch unentschlossen. „An die Unentschiedenen will ich ran. Und wenn ich die bekomme, dann kann ich auch die Bundestagswahl gewinnen.“ Auch mit Bildungsthemen, die die SPD in der nächsten Zeit vorstellen wird.