Bürgermeister schließen Deal mit Klima-Klebern - Aktivisten über den Tisch gezogen?

Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ sorgen für hitzige Debatten in Deutschland. Ein weiterer Bürgermeister schließt jetzt einen Deal mit ihnen.
Marburg - Es ging durch die Medien, als Hannovers Bürgermeister Belit Onay (Die Grünen) Waffenstillstand mit den Klimaklebern der Aktivistengruppe „Letzte Generation“ schloss. Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies von der SPD schließt sich seinem Amtskollegen nun an - auch er schließt Frieden mit den Aktivisten. Und wieder kommen von allen Seiten die Fragen, ob das der richtige Weg ist. Ob der Bürgermeister sich denn nicht eigentlich nur erpressen hat lassen. Aber ist es nicht eigentlich genau andersherum?
In Marburg blockieren die Aktivisten seit dem 13. Februar immer wieder die Straßen. Um die Klimakleber dazu zu bringen, nicht mehr den Verkehr lahmzulegen, schrieb Spies einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und an die Vorsitzenden aller Bundestagsfraktionen, mit Ausnahme der AfD. In dem Schreiben unterstützt er die Forderungen der „Letzten Generation“: Sie wollen das Neun-Euro-Ticket zurück, ein Tempolimit auf Autobahnen und die Einberufung eines Bürgerrates zur klimapolitischen Entscheidungsfindung. Spies schreibt, dass sie in Marburg bis 2030 klimaneutral werden wollen, dass das aber nur gehe, wenn die EU, die Bundesregierung und die Länder ihren Beitrag leisten. „Deshalb möchte ich Sie bitten, folgende Forderungen der ‚Letzten Generation‘ wohlwollend zu prüfen und positiv zu begleiten“.
„Letzte Generation“: Marburgs Oberbürgermeister unterstützt Forderungen
Spies streitet ab, dass er von der „Letzten Generation“ erpresst worden sei. In Marburg sind das alles Forderungen, die ohnehin längst befürwortet werden. Der Oberbürgermeister unterstütze schon länger die Wiedereinführung des Neun-Euro-Tickets und am liebsten hätte er auf mehr Straßen in der Innenstadt Tempo 30, was allerdings nicht überall ginge, da der Bund innerorts Tempo 50 vorschreibt. Auch ein Bürgerrat aus zufällig ausgewählten Bürgern, um wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu erarbeiten, ist nicht weit entfernt von der Marburger Realität, wo die Bürger regelmäßig an Entscheidungen beteiligt werden, auch in Klima- und Umweltfragen. Die Stadtverordnetenversammlung hat schon 2019 den „Klimanotstand“ ausgerufen und sich Klimaneutralität zum Ziel gesetzt.
Der Oberbürgermeister hätte sich allerdings gewünscht, dass die Aktivisten einfach im Rathaus vorbeigekommen wären und gefragt hätten, ob er sie unterstützen könne. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt er: „Den Brief hätte ich auch geschrieben, wenn jemand mich einfach gefragt hätte. Denn alles, was ich in diesem Brief geschrieben habe, beruht auf Beschlüssen in Marburg oder Erfahrungen, die wir hier gemacht haben. Ich finde es ehrlich gesagt auch ein Problem, dass offenkundig viele Menschen glauben, sie müssten, um Gehör zu finden, solche Aktionen machen.“ Auch in Marburg sei es keineswegs erlaubt, sich an die Straße zu kleben und den gesamten Verkehr lahmzulegen. Das macht auch Spies unmissverständlich deutlich.
Klimakleber: „Letzte Generation“ in München nicht dialogbereit
Für ihn sei es also nicht so viel Aufwand gewesen, mit den Klimaklebern einen Deal zu schließen, damit sie die Straßen in seiner Stadt nicht mehr blockieren. Wenn man es so betrachtet, klingt es fast so, als seien die Klimaaktivisten über den Tisch gezogen worden. Denn nun haben sie in ein paar Städten ihr wichtigstes Druckmittel, die Straßenblockaden zur Aufmerksamkeitsgenerierung, verloren. Marburg ist nun die dritte Stadt, die den Forderungen der „Letzten Generation“ nachkommt. Neben Hannover hat auch in Tübingen Bürgermeister Boris Palmer (Die Grünen) kürzlich einen Pakt mit ihnen geschlossen. Die Sprecherin der „Letzten Generation“ Irma Trommer sieht es so: „Im Gegenteil, wir erhöhen den Druck sogar dadurch, dass weitere Teile der Gesellschaft sich hinter uns stellen.“
In anderen Städten wie in München sei solch ein Friedensschluss noch nicht zustande gekommen, wie das Kreisverwaltungsreferat mitteilte. Dort seien die Klimakleber auch gar nicht bereit gewesen, ernsthaft ins Gespräch mit den Verantwortlichen zu gehen, hätten sie doch im Dezember nach weiteren Protestankündigungen das Angebot abgelehnt, mal etwas ausführlicher zu reden. „Dieses Angebot hat die Gruppierung abgelehnt und stattdessen allein einen Austausch mit den Regierungsspitzen Deutschlands und Bayerns gefordert.“ Es fand zwar ein Treffen mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) statt, aber die Protestaktionen gingen danach trotzdem weiter.
Durch die Klimakleber der „Letzten Generation“ kommt es in fast allen großen deutschen Städten es immer wieder zu Verkehrsblockaden und anderen Störungen des öffentlichen Lebens, wie zum Beispiel dem Beschmieren von Gemälden oder von Statuen. (ale)