Merkel und Putin vor Gerichtshof für Menschenrechte - ungewöhnliche Klage bekommt „Priorität“

Sechs junge Portugiesen gegen 33 Länder: Im Kampf gegen den Klimawandel hat der Gerichtshof für Menschenrechte grünes Licht für eine Klage geben. Nicht nur Merkel muss nun Stellung beziehen.
- Die jungen Portugiesen sind alle unter 22 Jahre und reichten im September Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht ein.
- Sie wollen zahlreiche Länder dazu bringen, ihre Anstrengungen gegen den Klimawandel zu verstärken.
- Ungewöhnlich ist, dass die Klage gleich mehrere Länder adressiert.
Straßburg - Junge Klima-Aktivisten setzen die Staatschefs mehrerer Länder gerade richtig unter Druck: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Montag grünes Licht für die Verhandlung einer Klimaklage gegen Deutschland und 32 weitere Staaten gegeben. Das Gericht werde der Beschwerde sechs junger Portugiesen im Alter zwischen acht und 21 Jahren Priorität einräumen, erklärten die Straßburger Richter am Montag. Die betroffenen Länder, also auch die Regierung von Angela Merkel*, müssen sich nun bis Februar zu dem Vorwurf äußern, nicht genug gegen den Klimawandel zu unternehmen.
Bei der Klage gehe es um die Treibhausgasemissionen von 33 Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Russland und die Türkei, erklärte das Gericht. Die Beschwerdeführer argumentieren, dass die verheerenden Waldbrände, die in vergangenen Jahren schwere Schäden in Portugal angerichtet haben, in Teilen auf die unzureichende Erfüllung der Pariser Klimaziele in Europa zurückzuführen sind. Menschen starben, Tiere verendeten, Häuser brannten nieder.
Entscheidung des Gerichtshof für Menschenrechte: 33 Staaten müssen sich zu Klima-Plänen äußern
Einige Beschwerdeführer argumentieren zudem, dass die Untätigkeit von Regierungen im Kampf gegen den Klimawandel auch das Auftreten schwerer Dürren begünstigt. Dadurch entstehe Landwirten in Portugal ein Bewässerungsproblem, heißt es in der Klage.
Das Ziel: Der EGMR soll die Klimasünder dazu anhalten, ihre nationalen Ziele höher zu setzen und die von ihnen und ihren international tätigen Konzernen weltweit verursachten Emissionen zu reduzieren. Dafür wollen jungen Beschwerdeführer mit voller Entschlossenheit kämpfen.
Unterstützt werden sie von der britischen Nichtregierungsorganisation Legal Action Network, die das grüne Licht der Straßburger Richter am Montag als „gewaltige Entwicklung“ begrüßte. „Nur ein sehr kleiner Teil aller bei dem Gericht eingereichten Klagen kommen so weit“, hieß es von der Organisation. Die Wissenschaft sage zum Kampf gegen den Klimawandel klar: „Europäische Regierungen tun immer noch nicht genug“, hieß es weiter.
Kampf gegen den Klimawandel: „Große Angst davor, auf einem kranken Planeten leben zu müssen“
Auch der Jubel in Portugal ist groß. „Es gibt mir viel Hoffnung zu wissen, dass die Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Dringlichkeit unseres Falles erkennen“, sagte der zwölfjährige André Oliveira aus Lissabon, der mit Schwester Sofia (15) mitmacht. Bei der Einreichung der Klage Anfang September hatte die kleine Mariana Agostinho aus Leiria im Interview der Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Ich habe große Angst davor, auf einem kranken Planeten leben zu müssen.“
Ungewöhnlich ist das grüne Licht für die Klage nicht zuletzt deshalb, weil die Beschwerdeführer Vorwürfe gegen mehrere Regierungen vorbringen. Normalerweise werden vor dem EGMR Fälle verhandelt, die sich nur gegen ein Land richten. (AFP/dpa/cibo) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.