Erstmeldung vom 5. Oktober: Berlin - Gut eine Woche nach der Bundestagswahl wollen Grüne und FDP nach ersten Sondierungen zügig ihr weiteres Vorgehen für eine Regierungsbildung klären. Grünen-Chefin Annalena Baerbock stellte am Dienstag nach einem Treffen mit den Spitzen von CDU und CSU in Berlin Entscheidungen für die nächsten Tage in Aussicht. Bundesvorstand, Parteirat und das 24-köpfige erweiterte Sondierungsteam wollen am Mittwochmorgen eine Zwischenbilanz ziehen. Der Vorstand der FDP will an diesem Mittwoch ebenfalls über den Kurs beraten.
Die Union warb erneut für ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP in Konkurrenz zu einer SPD-geführten Ampel-Koalition. Die Grünen äußerten sich zurückhaltend. Das schwarz-grüne Treffen beendete einen ersten Durchlauf mit getrennten Sondierungsgesprächen nach der Wahl.
Entgeisterung löste wenige Stunden nach dem Treffen eine erneute Indiskretion aus. Die Bild-Zeitung berichtete über Einlassungen der Grünen bei den Themen EU-Finanzen, Migration und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Bei all diesen Punkten gibt es bekanntermaßen Konfliktpotenzial zwischen den Positionen von Union und Grünen.
Die Grünen warfen CDU/CSU daraufhin einen Bruch der vereinbarten Vertraulichkeit vor. „Es gab in den letzten Tagen vier Sondierungsgespräche. Aus zweien liest und hört man nix. Aus zweien werden angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen. Das fällt auf, liebe Union - und es nervt!“, schrieb Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Dienstagabend in einem Tweet, der von mehreren anderen Grünen-Politikern umgehend geteilt wurde. Er nutzte nahezu die gleiche Formulierung wie am Montag FDP-Vize Johannes Vogel, der sich nach dem Treffen der Union und der FDP über Indiskretionen beklagt hatte. „Danke an @johannesvogel für die Vorlage“, schrieb Kellner in einem weiteren Tweet.
Noch bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem schwarz-grünen Gespräch hatte der CDU-Vorsitzende Armin Laschet von einer guten Atmosphäre und einem offenen Austausch gesprochen. Gegensätze seien deutlich geworden, es sei aber nicht so, dass diese nicht überwindbar seien. Dies müsste man vertiefen. „Es würde lohnen.“ Ein Bündnis mit FDP und Grünen könne eine Breite in der Gesellschaft haben, die es möglich mache, das Land zu modernisieren und voranzubringen. „Aber ob der weitere Weg so geht, das entscheiden natürlich FDP und Grüne.“
Eine Jamaika-Koalition gilt als einzige Chance für Laschet, für die Union trotz schwerer Einbußen bei der Wahl doch noch das Kanzleramt zu retten. Die SPD um Olaf Scholz als neue stärkste Kraft strebt eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP an. Die Grünen bevorzugen dies, haben aber auch ein Bündnis mit Union und FDP nicht ausgeschlossen. Die FDP zeigte sich der Union zugeneigt, hat sich allerdings bislang nicht festgelegt.
Grünen-Chef Robert Habeck sagte, in dem Gespräch mit der Union seien mögliche Schnittmengen ausgelotet worden, es habe aber auch Trennendes gegeben. „Heute und morgen“ - also am Dienstag und Mittwoch - solle nun intern abgeglichen werden, was möglich sei. Baerbock sprach von einem konstruktiven und ernsthaften Gespräch. In gesellschaftspolitischen Bereichen lägen Grüne und Union eher weiter auseinander, in anderen Bereichen gebe es dagegen gemeinsame Anliegen, etwa bei der Digitalisierung und der ökologischen Transformation. Mit der SPD hatten sich die Grünen am vergangenen Sonntag getroffen.
CSU-Chef Markus Söder sagte, das erste Treffen mit den Grünen sei vom Willen geprägt gewesen, auch zu erkunden, welche „Brücken“ man gemeinsam beschreiten könne. Bei vielen Punkten habe man sich „gut angenähert“, auch beim wichtigen Thema Klima. In anderen Bereichen gebe es dagegen noch eine Menge Gesprächsbedarf - etwa beim Thema Migration. „Wenn alle bereit wären, aufeinander zuzugehen, gäbe es, glaube ich, große Chancen, so ein Gespräch fortzusetzen“, sagte Söder. (dpa/fmü)