- vonDirk Walterschließen
München - Seitdem bekannt wurde, dass es eine neue Edition von "Mein Kampf" geben soll ist die Aufregung groß. Vollkommen unnötig, findet unser Autor, denn unsere Demokratie verträgt auch das.
Im Nachhinein verwundert die Aufregung um eine kritische, wissenschaftliche Edition von „Mein Kampf“. Es gibt seit Jahren schon Hitlers „Reden, Schriften und Anordnung“ von 1925 bis 1933 in 14 Bänden. Jeder Federstrich des späteren Diktators ist hier mit kritischen Fußnoten versehen und im Sinne historischer Aufklärung kritisch kommentiert. Auch die Goebbels-Tagebücher wurden editiert, neuerdings die Tagebücher des NS-Propagandisten Alfred Rosenberg und die Notizbücher Himmlers. Nur „Mein Kampf“ fehlte bisher. Die Edition des renommierten Instituts für Zeitgeschichte, die nun am 8. Januar vorgestellt wird, schließt für die Wissenschaft eine Erkenntnis-Lücke. Sie ist etwas für Spezialisten, die erfahren wollen, aus welchen trüben Quellen Hitler schöpfte. Lerneffekte für die breite Öffentlichkeit sind indes eher nicht zu erwarten, und dass man Neonazis so bekehren könnte, glaubt ohnehin niemand.
Wichtig ist die Edition dennoch auch für die Allgemeinheit: Sie baut windiger, rechtsextremer Geschäftemacherei vor und setzt dem ein wissenschaftliches „Pfund“ entgegen. Der Staat sollte aber künftig sehr sensibel vorgehen und sich vor Übertreibungen und Alarmismus hüten. „Mein Kampf“ als auszugsweise kommentierte Schulausgabe – das bitte nicht, bitte keine Hitler-Zentriertheit im Unterricht. Der Nationalsozialismus bestand nicht nur aus einem Diktator. Auch dass der unkommentierte Nachdruck von „Mein Kampf“ als Volksverhetzung verfolgt werden soll, ist von zweifelhaftem Wert. Eine wehrhafte Demokratie muss „Mein Kampf“ heute aushalten.