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Grenze zu: Kosovo und Serbien vor Eskalation? Die blutige Vorgeschichte und die Rolle Russlands

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Von: Astrid Theil

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Nato-Soldaten der Kosovo-Truppe (KFOR) inspizieren eine von ethnischen Serben errichtete Straßenbarrikade in der Nähe der Stadt Zubin Potok am 11. Dezember 2022.
Seit dem Kosovo-Krieg 1999 ist die Nato im Kosovo sehr aktiv: Hier inspizieren Nato-Soldaten eine von ethnischen Serben errichtete Straßenbarrikade in der Nähe der Stadt Zubin Potok am 11. Dezember 2022. © Armend Nimani/AFP

Die Meldungen aus dem Kosovo überschlagen sich. Die Spannungen mit Serbien drohen zu eskalieren. Die Gründe für diesen Konflikt sind komplex. Ein Überblick.

Belgrad/Pristina – Der Konflikt scheint vor einer Eskalation zu stehen: Serbien erhöht die Anzahl seiner Soldaten an der gemeinsamen Grenze. Politiker zeigen sich besorgt – sogar ein Kriegsausbruch wird mancherorts befürchtet. Das Kosovo hat am Mittwoch (28. Dezember) als Reaktion auf die Errichtung weiterer Straßenbarrikaden auf der serbischen Seite seinen wichtigsten Grenzübergang zu dem Nachbarland geschlossen.

Die „illegale Blockade“ habe „den freien Personen- und Warenverkehr behindert, weshalb wir unsere Bürger und Landsleute auffordern, andere Grenzübergänge zu nutzen“, erklärte die Polizei des Kosovo. Der serbische Verteidigungsminister Milos Vucevic sagte, Belgrad sei zu einer Einigung in dem Konflikt bereit, nannte aber keine Einzelheiten.

Die Gründe für den immer wieder aufflammenden Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo liegen aber tiefer in der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs reichen die Wurzeln der Spannungen. Nach 1945 gründete sich auf der Balkanhalbinsel die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawiens. Ihre Bestandteile: Die Teilrepubliken Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro und Mazedonien sowie den beiden zu Serbien gehörenden autonomen Provinzen Kosovo sowie Vojvodina. Das Staatskonstrukt zerfiel schließlich in einem langen, teils äußerst gewaltsamen Prozess seit Beginn der 1990er-Jahre.

Kosovo-Krieg 1998/99: blutige Auseinandersetzung auf dem Balkan

Kosovo erklärte sich im Zuge des Zerfalls Jugoslawiens 1991 für unabhängig. Serbien (damals noch in Form Jugoslawiens) weigerte sich jedoch dies anzuerkennen. 1998 eskalierte schließlich die Situation zwischen Serbien und Kosovo. Der Kosovokrieg brach als Teil der Jugoslawien-Kriege aus.

Serbische Einheiten sollen bei ihren Offensiven gegen die Kosovaren und ihre Autonomie-Bestrebungen massive Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Die Nato griff ein – ohne internationales Mandat. Die serbischen Einheiten zogen sich schließlich am 10. Juni 1999 aus dem Kosovo zurück. Die serbische Bevölkerungsgruppe im Kosovo schrumpfte stark. Von den heute rund zwei Millionen Einwohnern des Kosovo sind 92 Prozent albanischer Abstammung. Gut 1,5 Prozent sind Serben, die überwiegend im Norden des Landes leben.

Die Verhandlungen über den Status des Kosovos blieben zunächst ohne Ergebnis. Serbien hielt mit der Unterstützung Russlands an der Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien fest. Der Kosovo strebte nach wie vor seine Unabhängigkeit an. Die im Kosovo lebenden Serben wiederum setzten sich für die Zugehörigkeit des Kosovos zu Serbien ein. 1999 und 2004 kam es zu progromartigen Ausschreitungen von Albanern gegen die serbische Minderheit im Kosovo.

Kosovos Unabhängigkeit 2008: bis heute nicht von allen Staaten anerkannt

Am 17. Februar 2008 verkündete das Parlament des Kosovo schließlich seine Unabhängigkeit von Serbien. Der Kosovo wird jedoch bis heute von einigen Staaten nicht als unabhängiger Staat anerkannt - allen voran von Serbien. Zu den Staaten, die den Kosovo darüber hinaus nicht anerkennen, gehören unter anderem Russland und China sowie die EU Staaten Spanien, Griechenland, Slowakei und Rumänien.

Trotz vieler Bemühungen der EU zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo (etwa mit einem moderierten Serbien-Kosovo-Dialog 2011) konnte der Konflikt zwischen den beiden Ländern nicht beigelegt werden. Verhandlungen zur Verbesserung des Verhältnisses waren wenig erfolgreich. Auch die jüngste Wiederaufnahme der Gespräche im Sommer 2021 erzielte keine Fortschritte. Weder Kosovo noch Serbien rücken von ihren Positionen im Konflikt ab und beschuldigen sich gegenseitig für das Stocken der Gespräche.

Kosovo-Serbien-Konflikt: Streit über Autokennzeichen und Ausweispapiere

In den vergangenen zwei Jahren kam es parallel immer wieder zu Eskalationen im serbisch-kosovarischen Verhältnis. Der grundsätzliche Konflikt um die Unabhängigkeit des Staates bricht sich in unterschiedlichen Streitigkeiten Bahn. 2021 stritten sich die Länder über die Anerkennung von Autokennzeichen. Ein militärisches Aufrüsten im Grenzgebiet folgte. Im Sommer 2022 kam es zu einem Streit über die Anerkennung oder Nichtanerkennung von Ausweispapieren – das nächste Aufwallen des Zoffs. Sowohl der Streit über die Autokennzeichen als auch über die Ausweispapiere konnte aber unter Vermittlung der EU im Laufe des Jahres beigelegt werden.

Aktuell eskalieren die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo allerdings erneut. Seit Anfang Dezember gibt es Ausschreitungen und Schusswechsel zwischen der kosovarischen Polizei und der im Norden lebenden serbischen Minderheit. Militante Serben errichten fortwährend im mehrheitlich serbisch bewohnten Norden des Kosovos Barrikaden, die vor allem die Straßen zu den Grenzübergängen nach Serbien blockieren. Damit protestieren sie gegen die Verhaftung eines serbischstämmigen ehemaligen Beamten der Kosovo-Polizei. Der Mann hatte nach Darstellung der kosovarischen Behörden Angriffe auf Beamte der Wahlkommission angeführt.

Eskalation droht: serbische Truppen in „höchster Kampfbereitschaft“

Die Militanten werden von der Regierung in Belgrad unterstützt und zum Teil auch angeleitet. Über diese informellen Strukturen heizt der serbische Präsident Aleksandar Vucic immer wieder die Spannungen im Kosovo an. In den letzten fünf Jahren hatte er die serbischen Streitkräfte sechs Mal in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Bislang immer folgenlos.

Nun erfolgte erneut die Versetzung in erhöhte Alarmbereitschaft. Vucic habe „höchste Kampfbereitschaft“ angeordnet, erklärte der serbische Verteidigungsminister Milos Vucevic am Montagabend (26. Dezember). Die Bundesregierung hat sich derweil „sehr besorgt“ über die neuen Spannungen im Norden des Kosovo gezeigt. Das Auswärtige Amt rät indes von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die vier Gemeinden des Nord-Kosovos ab.

Russlands Rolle im Kosovo-Serbien-Konflikt – Unterstützung durch den Kreml

Auch Russland ist in den aktuellen Konflikt verwickelt. Die geschichtlich bedingte enge Verbindung zwischen Serbien und Russland spielte stets eine Rolle im Konflikt mit dem Kosovo. Der Kreml sagte am Mittwoch, er unterstütze Serbiens Versuche, ethnische Serben im Norden des Kosovo zu schützen.

Auf die Behauptung des kosovarischen Innenministers Xhelal Svecla angesprochen, dass Serbien unter dem Einfluss Russlands das Ziel habe, den Kosovo zu destabilisieren, indem es die serbische Minderheit unterstützt, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, es sei „falsch“, nach einem zerstörerischen russischen Einfluss zu suchen. (at/dpa/AFP)

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